Mit dem fünfziger-Jahre-Bus durch die Düsseldorfer Kunstpunkte 2014
Einmal im Jahr haben an zwei Wochenenden die Düsseldorfer Künstler, die dafür zugelassen sind vom Kulturamt, ihre Ateliers offen. An einem Wochenende im Norden und am darauffolgenden Wochenende im Süden.
Große Gemeinschaftsateliers öffnen ebenso ihre Türen, wie winzig kleine Wohnungen unter dem Dach, wo das Geld noch nicht mal mehr gereicht hat für eine Glühbirne, die uns die Kunst hätte erhellen können. Aber was soll's – auch im Dunkeln ist gut munkeln.
Seit Jahren nehme ich an diesen sogenannten „Kunstpunkten“ teil und genieße es, in fremden Wohnungen den Voyeur zu spielen. Manche Wohnungen sind unrenoviert, noch ganz im Stil der sechziger Jahre mit Teppichboden und jeder Menge kantiger Eichenmöbel. So verspiesst würde man sich die Wohnung eines Künstlers niemals vorstellen – und doch: die beste Kunst blüht genau in diesen Refugien des Kleinbürgertums, wo der Weg auf den steilen Treppen nach oben gesäumt ist, mit armseeligen kleinen Finanzamtspflanzen, die nach Wasser lechzen. In diesen Wohnungen tummeln sich die Kunstliebhaber, die wahrlich in ihren Vorortvillen und Penthousewohnungen ein anderes Interieur gewohnt sind. Eifrig machen sie sich Notizen und werden von den Künstlern hofiert – manchmal.
Ich konnte aber auch erleben, wie in einer solchen Wohnung der Herr Künstler des Hauses wohlgefällig auf seinem Schaukelstuhl saß und das alles über sich ergehen ließ, als ginge es ihn nichts an, während draußen in der Küche eifrig die Häppchen verschlungen und der Rieslingwein verkostet wurde.
Anders die schrill gekleidete Künstlerin mit der langen Zigarettenspitze, die sie unaufhörlich mit Zigaretten im Kettenrauchermodus auffüllte, um sich bei jedem Zug aus der Spitze ein Glas Champagner aus einer mindestens fünf-Liter-Flasche einzuschenken. Die gefiel mir – so stelle ich mir Künstler vor. Zudem war sie eine Meisterin der Malerei – in jeder Hinsicht. Sowohl abstrakt als auch gegenständlich werden wir von ihr irgendwann nochmal viel hören.
Ein besonderes Schmankerl war meine Rundfahrt durch Ateliers in alten Industriegeländen des Düsseldorfer Südens gelegen, flankiert von einem Besuch in einer Jugendstilvilla gegenüber dem Benrather Schloß – in der Schloßallee. Sie erinnern sich ans Monopoly-Spiel, die Schloßallee ? Die war stets der Höchstgewinn. Ja und dort konnten wir in einem Videofilm beobachten, wie Menschen noch lange nach dem stattgefundenen Ereignis einer nackten Menschensäule, genau an der Stelle standen, und fotografierten. Obwohl die Nackten schon alle weg waren. Die Künstlerin hielt das über Stunden im Video fest und wir hatten den Beweis dafür, wie wir uns unsere eigene Welt konstruieren. Fotografieren Nackte, obwohl sie nicht mehr da sind. Schreien dem Kaiser für seine schönen Kleider Jubelrufe zu – und dabei ist er nackt...
Die Künstler können Biester sein. Darauf konnte ich mich auch mit meiner Nachbarin im geschwungenen 50iger Jahre-Bus verständigen. Dieses Kleinod von einem Bus mit weichen samtroten Polstersitzen, einem kleinen Hämmerchen an der Seite für den Notausstieg und einer guten Klimaanlage – aller Fenster und Luken liessen sich öffnen – dieses Kleinod von einem Bus war ohnehin das größte Kunstwerk. Manchmal schob es sich mit stotterndem Motor durch die schmalen Wege einer ehemaligen Arbeitersiedlung in Wersten, um sogleich auf den großen Stadtstraßen bewundert zu werden, wie ein Star.
Ich saß am Fenster, und dachte erst, ich sei der Star. War doch an dem Tag so künstlerisch locker bekleidet im schwarz-weiss-lila Zwiebellook und wild frisiert. Die Männer standen am Wegensrand, winkten mir zu, fertigten Fotos an, lachten und tanzten vor Freude. Es dauerte eine Zeit, bis mir dämmerte, das das nicht an mir lang, sondern an diesem wunderschönen kleinen Bus der fünfziger Jahre. Ja, so ein Nostalgieauto kann für einen kleinen Moment des Vorbeifahrens glücklich machen. Ich vielleicht doch auch ein bisschen – oder ?
Jedenfalls verständigten meine Sitznachbarin und ich uns darüber, das Künstler Biester sein können. Ganz arrogante Biester. Sie verarschen uns schon mal gerne. Am alten Reisholzer Hafen stand ich in einem Atelier mit dem schönsten Rheinblick aller Zeiten vor einem Fenster, auf dem sich 100 Jahre Staub und Spinneweben befanden. Der Künstler dieses Ateliers machte mir, ohne das ich ihn danach gefragte hatte, weiss, er habe die Fenster gestern erst geputzt und schon seien über Nacht die Spinneweben wieder gekehrt. Er spielte damit auf den bei mir vermuteten Reinlichkeitssinn an, weil ich ja nur Publikum älteren Datums und aufgepeppt war. Er hielt mich wohl für eine Spießerin. Er fuhr fort „Ja, und bei diesen schönen sauberen Fenstern läßt es sich besonders gut mit Acryl malen...!“ lästerte er mich an. Im ganzen Raum war nicht ein Acrylbild zu sehen, sondern nur zusammengeschraubte Elemente.
Meine Ehre als spiessiges Publikum verteidigend, schaute ich ihm freundlich ins Gesicht und fragte mit aller Süße, ob er auch Serviettentechnik mache. Eins zu Null für mich, sage ich mal. Der Mann hörte daraufhin auf zu feixen. Ich war ihm unheimlich. Aber der Blick in seinem Atelier ist und bleibt der schönste Atelierblick Düsseldorfs. Da würde ich abends mal gerne sitzen und bei offenem Fenster auf den Rhein schauen, während ich mit diesem Künstler einen guten Roten zu mir nehme mit ein paar Ziegenkäsehäppchen an Fladenbrot.
Die Künstler verkaufen bei den Kunstpunkten nicht viel. In Düsseldorf leben rund 2000 Künstler. Nur ein Prozent davon kann von seiner Kunst leben. Vielleicht sollte man überlegen, Bilder, Skulpturen, Geschenke für liebe Mitmenschen bei den Künstlern direkt einzukaufen. Sie sind auch jederzeit offen nach Absprache, sie zu besuchen und sich was anzuschauen.
Bevor man im Baumarkt diese gräßlichen Großbilder kauft mit nur einer großen Apfelsine darauf z.B., sollte man den Kontakt zu den Künstlern suchen und mit ihnen Geschäfte machen.
Dann müssen sie auch nicht mehr so zynisch herum zicken bei ihren Kunstpunkten, weil sie einen verständlichen Frust immer wieder bekommen angesichts der tausenden von Schaulustigen, die ihnen die Häppchen weg mampfen, den Wein weg trinken und dann nichts kaufen.
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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