Kalendergedanken
„Dann sehen wir uns am 18. Januar!“ Mit spitzbübischem Lächeln drückt sie mir das Terminkärtchen in die Hand. Ich überlege kurz, ob ich schon ein frohes Fest wünschen soll, entschließe mich jedoch, die Praxis samt freundlicher Arzthelferin schnellstmöglich für dieses Jahr zu verlassen.
Zu Hause angekommen trage ich den Termin als meinen ersten für 2012 in den Kalender ein.
Es ist ein Monatskalender mit viel Platz für jeden Tag. So ein langes Ding, nicht schön, aber zweckmäßig. Er hängt in der Küche an der Wand, dort, wo ich jeden morgen und jeden Abend mindestens einmal vorbei gehe. Wann ich zum Friseur muss, mein Blut spende, ins Theater gehe, mit den Opinios fete, bei Anita Karten spiele, Geburtstage, Todestage sowie unsere mittlerweile zunehmenden Arzttermine, dieser Kalender weiß alles. Er ist es, der meinen Tag regelt. Abends einen Blick darauf geworfen und schon sagt er mir, dass ich morgen früher als sonst aufstehen soll oder er mich länger schlafen lässt; er gibt mir vor, ob ich mich auf den neuen Tag freuen kann oder ihn fürchten muss. Er ist unerbittlich und gnadenlos und im Gegensatz zu mir vergisst er nichts.
Manchmal stelle ich mir vor, ich streiche einfach alles weg. Alles, sogar die schönen Ereignisse. Keine Verpflichtung mehr, keine Termine, nur noch Montag, Dienstag, Mittwoch und die Mondphasen. Und dann nehme ich meinen Sehnsuchtskalender zur Hand, schaue mir die über fünfzig beeindruckenden Aufnahmen von Schweden auf den Postkarten an und will nur noch im Fernweh schwelgen.
Mein Vater liebt seinen Tageskalender zum Abreißen. Ein dünnes Blatt, vorne drauf steht das Datum, hinten ein Spruch oder ein guter Ratschlag für soviele Tage wie das Jahr hat. Allabendlich reißt er das Tagesblatt ab, damit er schon weiß, was morgen kommt und welcher Spruch ihn durch den Tag begleitet. So wird er mit jedem Tag ein bisschen schlauer, argumentiert er.
Ein Blick zurück und ein Blick nach vorn – bei uns in der Firma sind die Dreimonatskalender beliebt, sie eignen sich auch wirklich gut nicht nur für die Urlaubsplanung.
Wenn man durch die Büros geht, findet man dort auch Alpenkalender, Gartenparadiese, Wunder der Natur, das Jahr der Elefanten, 12 Monate nur Autos und einige segeln mit ihren Traumschiffen durchs Arbeitsjahr. Da hängt an der Wand manch ungewollter Einblick in die Privatsphäre.
In den Buchhandlungen und Kaufhäusern werden sie nun schon seit Wochen zuhauf angeboten, die Jahresplaner, die uns 2012 durch die Tage, Wochen und Monate führen sollen.
Da sind sie aufgestellt, Kalender mit Bauwerken zum Träumen und Staunen, die schönsten Kunstsammlungen der Welt, Römische Fresken, Japanische Paravents, Engel und Papst Benedikt neben Painted Bodies und Omas Küchenweisheiten, die Hundertjährigen oder gar Ewigen Kalender.
Bald wird man auch wieder von den Firmen und Geschäften mit dem neuen Jahr beglückt. Alljährlich kommt der Apothekenkalender samt seinen Heilpflanzen ins Haus, im Blumenladen gibt’s die schönsten Blüten als Postkartenkalender, Öllieferant und Versicherung schicken uns Jahr für Jahr ihr Jahr und gleichzeitig die Rechnung mit dazu.
Manche Exemplare sind ja wirklich toll. Von dem großen Paris-Kalender mit den imposanten Postern der Stadt der Liebe kann ich mich seit Jahren nicht trennen.
Einige besonders sehenswerte Kalenderfotos kommen auch später schon mal in einen Rahmen und zieren übers Jahr hinaus noch die eine oder andere Wand.
Sogar als Geschenkpapier haben mir die abgelaufenen Katzen oder sonstige Naturschönheiten vergangener Monate schon gute Dienste geleistet.
Aber auch ich verschenke ganz gern mal einen Kalender zu Weihnachten, vielleicht sogar, weil mir nichts Besseres einfällt. Ein Pferdekalender für die jungen Mädels passt immer, und welcher Tierfreund freut sich nicht über einen Januargartentiger, die Februareule und einen Julipinguin, Polarbären im August oder freche Ferkel auf dem Deckblatt.
Als Ausdruck der eigenen Kreativität erfreuen sich die Foto- und Bastelkalender zum Selbstgestalten mit persönlichen Ideen zunehmender Beliebtheit. Der glänzenden Oma- und Opa-Augen beim Betrachten der Werke des Enkelchens ist man sich auf jeden Fall dabei sicher.
So protzen sie an Wohnzimmerwänden, machen sich in der Küche nützlich, hängen in der Diele oder fristen still ihr Dasein in dunklen Zimmerecken oder gar Innentüren der Schränke,
diese 12 Monate, 53 Wochen oder 365 Tage, die unser Jahr sind.
Was es wohl bringen wird, das nächste. Neues Leben oder neue Todestage, Freud oder Leid, Lustvolles oder Last?
Mein Kalender wird es mir sagen.
Autor:Birgit Schild aus Düsseldorf |
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