Hinter den Kulissen

Kennt die Deutsche Oper am Rhein wie die eigene Westentasche: Wilfired Schmerbach, hier im Orchestergraben. Foto: Siegel
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Theater, das sind die Bretter, die die Welt bedeuten. Das Licht wird gedimmt, der Vorhang öffnet sich, das Spiel beginnt. Für den Zuschauer öffnet sich eine Welt, die ihn, wenn es gut geht, voll in den Bann zieht. Doch wie schaut es dahinter aus? Die Deutsche Oper am Rhein gewährte dem Rhein-Boten einen Blick hinter die Kulissen.

Wir sind mucksmäuschenstill, um niemanden bei der Arbeit zu stören. Da wir Straßenschuhe tragen, gehen wir nur wenige Schritte auf die Bühne, ganz hinten am Rand. Es steht eine Ballettprobe an; nicht mehr nur im Balletthaus in Oberkassel, sondern zum ersten Mal dort, wo demnächst Premiere sein wird. Schuhe darf hier keiner tragen, der direkt auf die Bühne will, denn mitgeschleppte Kieselsteinchen oder dergleichen könnten die Füße der Tänzer verletzen.

„Heute bei dieser Probe geht es um das Zusammenspiel der einzelnen Abteilungen“, erklärt Wilfired Schmerbach. Der Mann mit der ruhigen Stimme und dem trockenen, hintergründigen Humor arbeitet in der Dramaturgie. Dort ist er für Führungen zuständig.

Um über das Gebäude zu sprechen, braucht man nicht nur Kenntnisse, sondern Leidenschaft fürs Theater. Die besitzt Wilfired Schmerbach spürbar, obgleich diese nicht in beigesterungsschwangeren Wortschwall aus ihm herausbricht. Vielmehr spürt man sie mit einem Blick in seine Augen oder in den Worten, die er wählt, um über das, was uns gezeigt wird, zu sprechen.

Direkt neben der Bühne befindet sich das Stellwerk für die unzähligen Scheinwerfer, mit denen die Bühne in vielerlei Weise ausgeleuchtet werden kann. Auch das Inspitientenpult steht hier: „Das ist die Komandozentrale.“ Gleich drei Bildschirme gibt es hier. Einer zeigt den Dirigenten, die anderen beiden die Bühne, davon einer in Infrarot. Bei einer Aufführung sitzt hier der Inspizient mit dem Klavierauszug der entsprechenden Oper, in dem die Anweisungen des Regieteams vermerkt sind.

Der Inspizient koordiniert die Auftritte der Sänger bzw. Tänzer, die über die so genannte Gasse auf die Bühne oder von ihr herunter kommen. Es ist eng hier. Es braucht nicht viel Fantasie, sich das Gedränge bei besonders personenintensiven Stücken vorstellen.

Ein Blick in die Innereien der Bühne zeigt, was dem Besucher von der Illusionsmaschine Theater verborgen bleibt. An Stahlseilen hängen Bühnenelemente für aktuelle Inszenierungen. Sowieso das Strippenzienen, „das macht die Faszination des Theaters aus“, sagt Wilfired Schmerbach. Das gilt auch für den Unterbau. „Die Bühne besteht aus fünf Aufzügen.“ Jedes Podium kann von unter der Bühne drei Meter rauf oder runter bewegt werden.

Eine Etage tiefer gelangt man in den Soffleurkasten. Der- oder diejenige nimmt auf einen Sitz Platz, der wie ein Fahrstuhl in den eigentlichen Kasten gehoben wird. Schließlich gelangen wir in den Orchestergraben. Kaum zu glauben, dass hier manchmal – man denke an Opern wie Richard Strauss‘ „Elektra“ – über 100 Musiker Platz finden. Bei der 2007 beendeten Sanierung wurde der Orchestergraben vergrößert. „Das war“, erläutert Wilfired Schmerbach, „ein Wunsch unseres musikalischen Leiters, um Strauss, Wagner usw. vernünftig dirigieren zu können.“

Die Deutsche Oper am Rhein verteilt sich bekanntlich auf zwei Spielstätten: auf das Düsseldorfer Opernhaus an der Heinrich-Heine-Allee und auf das Duisburger Theater. So verhält es sich auch mit den einzelnen Abteilungen. Während sich die Schneiderei und die Maskenbildnerei in Düsseldorf befinden, sind die eigentlichen Werkstätten wie der Malersaal in Duisburg zu hause.

Wir gehen noch ein Stockwerk tiefer. Hier werden die Räumlichkeiten größer, dehnen sich wie eine autonome Etage zwischen der darüber verlaufenden Heinrich-Heine-Allee und der darunter liegenden U-Bahn-Haltestelle über die Grenzen des eigentlichen Gebäudekomplexes des Düsseldorfer Opernhauses hinaus aus. Hier befindet sich ein echter Schatz: der Kostümfundus.

„Über den Daumen gepeilt“, schätzt Wilfried Schmerbach, „hängen hier 45.000 Kostüme – alles Unikate!“ Die Deutsche Oper am Rhein ist ein Repertoiretheater. Neben den Inszenierungen, die aktuell Premiere haben, erleben diejenigen vergangener Spielzeiten regelmäßig Wiederaufnahmen.

Irgendwoher, von weiter hinten, wird ein permanentes Summen herübergetragen. Eine Klimaanlage? „Die Kostüme“, erklärt uns Wilfried Schmerbach, „werden so beansprucht wie ein Sportdress.“ Dementsprechend müssen sie auch gereinigt werden. Das Summen, das wir hören und mit jedem unserer Schritte lauter wird, stammt von der Windmaschine, mit der die gewaschenen Kostüme getrocknet werden.

Mit dem Fahrstuhl gelangen wir in die oberste Etage. Hier entwerfen und schneidern die Gewandmeister die neuen Kostüme. Auch die Modistinnen arbeiten hier. Die was? Wilfired Schmerbach bemerkt unsere fragenden Augen. „Ich kann mich nicht entsinnen, wo es sonst noch Hutmacher gibt“, gibt er uns zur Antwort. Wenn eine Inszenierung beispielsweise in die 1920er Jahre verlegt wird, brauchen die weiblichen Akteure mitunter Topfhüte. Bei der Modistin, der Hutmacherin, werden sie gefertigt.

Auch das, was unter dem Hut zum Vorschein kommt, wird in Düsseldorf angefertigt. In der Maske arbeiten viele fleißige Mitarbeiter hochkonzentriert an Perücken. „Die sind aus Echthaar, das aus Indien und China importiert wird“, flüstert uns Wilfried Schmerbach zu. Wir sind ganz leise, um die Maskenbildner nicht in ihrer Konzentration zu stören.

Bei unserem Blick hinter die Kulissen sehen wir viel – noch viel mehr als hier Platz wäre, um darüber zu berichten. Er lässt erahnen, wieviel Aufwand hinter jeder inszenierung steht. Wir verlassen das Gebäude nach etwa zwei Stunden. Vorher stehen wir noch auf der Dachterrasse mit Blick auf den fertig gestellten Kö-Bogen und sehen die Menschen wie Ameisen über die Straßen und Plätze huschen: Auch eine Art Schauspiel, alles Theater.

Autor:

Sascha Ruczinski aus Schwelm

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