Eine Reise in die Kindheit
Geschichte und Geschichten aus Düsseldorf-Unterrath
Eine Reise in die Vergangenheit:
Unterwegs in Düsseldorf-Unterrath
Die Bürgerreporterin, die sich für Architektur interessiert, hatte von einem außergewöhnlichen Wohnprojekt gelesen - in Düsseldorf-Unterrath. Also setzte sie sich aufs Fahrrad, um sich die Anlage näher anzuschauen. Diese Fahrt geriet unversehens zu einer Reise in ihre Kindheit, die sie in Unterrath verbracht hatte.
Bilder aus der Kindheit
Bilder aus der Vergangenheit tauchten auf: Spielplätze, Häuser, in denen sie gewohnt und die Schule, die sie besucht hatte. Szenen und Orte wurden wieder lebendig. Vieles hatte sich verändert. Das große Haushaltwarengeschäft, in dem ihre Freundin Renate zu Hause war, gibt es nicht mehr, ebenso wenig wie die Eisdiele, in der sie sich von ihrem Sonntagsgeld im Sommer ein Hörnchen mit Eis und im Winter eines mit Sahne kaufte. Und in der schönen Drogerie, die die Eltern ihrer Freundin Ulrike betrieben, befindet sich jetzt ein Pennymarkt. Aber der Garagenhof, in dem das Auto ihrer Eltern gestanden hatte, existiert noch. Und natürlich auch die merkwürdigen Straßennamen, die in Kindertagen Unbehagen ausgelöst oder Anlass zum Lachen gegeben hatten: Gab es wirklich Geister „Auf den Geisten“? Und „An der Piwipp“ klang ja so komisch!
Die Häuser
Sie fand das Haus auf der Elsässer Straße wieder, in dem sie ihre ersten Lebensjahre verbracht hatte. Als sie neugierig um das Haus und den Garten strich und mit den freundlichen Bewohnern ins Gespräch kam, durfte sie ins Haus kommen und sich den Garten anschauen, in dem sie, kaum dass sie laufen konnte, auf alten schwarz-weiß-Fotos zu sehen ist.
Auf der Kalkumer Straße stand sie vor dem Haus Nr. 140a und erinnerte sich, dass hinter dem größeren Fenster ihr Gitterbettchen gestanden hatte. Dort hatte sie, anstatt Mittagsschlaf zu halten, mit den Kindern, die draußen spielten, herumgekaspert. Als sie dann zur Schule ging, gab ihr die Oma von diesem Fenster aus Bescheid, wenn sie die Straße überqueren durfte. Auch damals gab es hier schon die Straßenbahnhaltestelle der Linie 7, die heute viel feiner 707 heißt und bis zum Medienhafen fährt, von dem man noch nicht einmal träumte. Und auch der Autoverkehr war durchaus überschaubar.
Der Kittelbach
Als sie etwas ziellos weiterfuhr, entdeckte sie auch den Bach mit dem lustigen Namen Kittelbach wieder. Eigentlich war es verboten - aber es war herrlich, am matschigen Ufer zu spielen und im aufgewühlten Wasser zu waten, obwohl einige Freunde erzählt hatten, dass es dort Blutegel gäbe, die sich an den Beinen festsaugten. Als Kind hatte sie sich die Egel immer als mindestens faustgroße seltsame Kopffüßler vorgestellt, die sie böse anschauten, wenn sie das Blut aussaugten. Und wenn sie dann als kleiner Dreckspatz von ihren Kittelbach-Ausflügen nach Hause kam, wurde sie von der Mama gar nicht freundlich empfangen. Inzwischen weiß sie, dass der Kittelbach von der nördlichen Düssel abzweigt und südlich von Kaiserswerth in den Rhein mündet.
Das Kartäuser-Kloster
Nördlich der Unterrather Straße fließt der Kittelbach dann durch ein idyllisches Wald- und Wiesengelände. Sie folgte dem braunen Hinweisschild „Kartäuser Gedenkstätte“ und sofort wurden wieder Erinnerungen wach. Früher gab es hier, gut versteckt hinter dichten Büschen und Bäumen, das geheimnisvolle Kartäuserkloster, in dem merkwürdige Wesen in Kutten lebten. Von diesen Mönchen hieß es, dass sie – unvorstellbar und etwas unheimlich – gar nicht redeten. Schon lange ist das Kloster des Schweigeordens aufgelöst. Nachdem die Stadt und vor allem der Flughafen immer mehr expandierten, verließen die Mönche 1964 endgültig den Ort. Alle Klosterbauten wurden rücksichtslos niedergelegt. Jetzt gibt es den Landschaftspark Kittelbach und seit 1994 erinnert die Gedenkstätte daran, dass hier 1869 eine große Klosteranlage gegründet wurde. Vom Park aus führt der Weg direkt zum wenige hundert Meter entfernten Flughafen.
Die Golzheimer Heide
Schließlich fand sie auch ihre alte Volksschule an der Golzheimer Heide wieder, jetzt Katholische Grundschule St. Bruno. Heute weiß sie, dass der wohlklingende Name „An der Golzheimer Heide“ mit einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte verbunden ist. Auf dem Heinefeld in der Golzheimer Heide hatten sich nach dem Ersten Weltkrieg zahllose Wohnungslose, darunter Sinti und Roma, in Hütten und Baracken niedergelassen. Der Künstler Otto Pankok lebte zeitweilig bei Ihnen. Die Nationalsozialisten räumten die Siedlung. Zahlreiche Sinti und Roma wurden in Vernichtungslagern ermordet.
Unterrath heute
Bei ihrer Tour erlebte sie Unterrath als einen bodenständigen, gutbürgerlichen Stadtteil, nicht abgehoben, kein Szeneviertel, kein Schickimicki. Mehr als 22.000 Menschen leben hier. Im schönen Atelierhaus an der ehemaligen Schule auf der Kalkumer Straße 85 sind Künstler tätig und die Graffiti sowie das große Wandbild auf dem Schulgelände zeugen von sympathischem sportlichem Lokalpatriotismus.
Übrigens schaute sie sich schließlich doch noch die moderne Wohnanlage an, das eigentliche Ziel ihrer Fahrt. Hier war die Reise in die Vergangenheit schlagartig beendet und sie war endgültig in der Gegenwart angekommen...doch dazu gibt es demnächst einen eigenen Bericht!
Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich auf dieser Reise in die Vergangenheit begleitet.
Quelle
Rolf Purpar: Kunststadt Düsseldorf, Objekte und Denkmäler im Stadtbild, Düsseldorf 2009.
Autor:Margot Klütsch aus Düsseldorf |
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