Film: Sufragette - Eigenempfindungen und Filmtip !
Lt. Duden ist die Bedeutung des Wortes „Sufragette“ gleich „emanzipierte Frau.“
Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert der industriellen Revolutionen – allen voran in Großbritannien sich ausbreitend.
Warum ausgerechnet in Großbritannien, mag folgendes Zitat aus Wikipedia verdeutlichen:
„Für das Vereinigte Königreich lässt sich ein Bedingungsgefüge aufzeigen, innerhalb dessen einzelne Faktoren spezifisch bedeutsam waren. Anzuführen sind:
eine vorausgegangene, viele Jahrzehnte währende Friedensperiode;
ein einheitliches Wirtschaftsgebiet ohne Zollschranken in Insellage;
eine auf Großgrundbesitz ausgerichtete, verhältnismäßig produktive Landwirtschaft mit Arbeitskräfteüberschuss;
eine für Verkehr und Transporte günstige Geographie und ergiebige, leicht erschließbare Kohlevorkommen;
der für Rohstoffimport und Absatzmärkte sorgende Kolonienbesitz samt umfänglichem Kolonialhandel (teils als Tauschhandel);
die entwickelte Feinmechanik und Werkzeugmacherei;
eine partiell verbreitete Unternehmermentalität, besonders in einigen religiösen Milieus.“ Wikipedia-Zitat Ende.
Die aus dem Calvinismus resultierende Unternehmermentalität sei im folgenden nochmal verdeutlicht, weil sie in Großbritannien als Hochburg des Protestantismus eine entscheidende Rolle spielte:
Zitat aus „abiweb.de“:
„Der Calvinismus hat nach dem deutschen Soziologen Max Weber (Protestantismusthese) großen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung in England, aber auch in Holland, der Schweiz und in einigen deutschen Gegenden genommen. Den calvinistischen Grundsätzen nach ist Zeitverschwendung eine der größten Sünden. Dementsprechend war auch zu langes Schlafen und alle Formen von Luxus sündhaft. Im Calvinismus dreht sich also alles um die Nützlichkeit des menschlichen Handelns - und damit auch um den wirtschaftlichen Erfolg. Der Calvinismus sieht also Arbeit als Selbstzweck des Lebens. Wirtschaftlicher Erfolg als Ergebnis von Fleiß gilt als Zeichen für den Gnadenstand. Das heißt, zu den Auserwählten zu gehören, die nach dem Tod in den Himmel kommen. Wichtig ist, dass man durch eine tugendhafte Lebensweise nicht beeinflussen kann, ob man in den Himmel oder in die Hölle kommt, denn das ist von vorneherein festgelegt. Es geht darum, für einen selbst Gewissheit für das Leben nach dem Tod zu erlangen.„ Zitat Ende.
Diese kurze Einführung soll dem Leser verdeutlichen, unter welchen Umgebungsfaktoren die Sufragetten in England im Jahre 1912 ihr Recht erkämpften auf Teilnahme an den Wahlen.
Den Film „Sufragette“ hatte ich mir heute mittag angeschaut im „Atelier“ in Düsseldorf. Er zeigt auf, unter welch unmenschlichen Bedingungen die Arbeiterinnen einer Wäscherei ihre Arbeit verrichteten. Giftige Dämpfe der Waschmittel führten zu Verätzungen der Lunge, so das die Lebenszeit der Arbeiterinnen nur von kurzer Dauer war. Verbrühungen und Verletzungen waren ebenso an der Tagesordnung, wie sexueller Mißbrauch der zum Teil sehr jungen Arbeiterinnen im Alter ab 12 Jahren, wenn nicht noch jünger. Der Betreiber der Wäscherei nahm sich zur Befriedigung seiner schändlichen Begierden die Frauen, wann immer ihm danach zu Mute war und vergewaltigte sie in seinem Büro.
Die Arbeiterinnen lebten mit ihren Männern in kleinen engen Behausungen, die nur zum Schlafen und Essen dienten – die Arbeitstage waren lang und ließen keine Zeit für Freizeitvergnügungen.
In diesem Millieu bildeten einige Arbeiterinnen eine Gruppe, die mit Hilfe einer Ehefrau eines liberalen Abgeordneten für das Wahlrecht für Frauen kämpften. Die Protagonistin des Films geriet eher per Zufall an diese Gruppe, ließ sich aber im Laufe der Handlung zusehends mehr darauf ein, die Gruppe zu unterstützen.
Nach falschen Versprechungen des liberalen Abgeordneten, ihnen das Wahlrecht zuzugestehen und dessen letztlicher Absage an diesss Zugeständnis, kam es zu Tumulten. Die Frauen wurden brutal nieder geknüppelt und vom Geheimdienst bewacht.
Nach jeder Aktion war es nun obligatorisch, sie in Haft zu nehmen – ohne Rücksicht auf deren Kinder.
Im Film wurde deutlich, das deren Ehemänner keineswegs mit der Sufragettenbewegung einverstanden waren. Die Protagonistin wurde vom Ehemann der gemeinsamen Wohnung verwiesen – den geliebten Sohn gab er frei zur Adoption. Denn auch das Recht über die Kinder lag einzig und allein bei den Vätern.
Sie radikalisierten sich und fingen an, Sprengladungen in öffentlichen Briefkästen zu deponieren und in letzter Konsequenz sprengten sie das Haus eines Abgeordneten in die Luft. Sie sabotierten Telegrafenmaste und wurden aufs heftigste verfolgt.
Immer wieder aufs neue landeten sie im Gefängnis, verloren ihre Arbeit und nur der Solidatität der Sufragetten war es zu verdanken, das sie am Leben blieben und Unterschlupf fanden.
Der Film endete mit dem Suizid einer Sufragette bei einem Pferderennen, auf dem der König Georg V. zugegen war.
Die Bewegung hatte nun ihre Märtyrerin und bei der Beerdigung kamen tausende von weiß gekleideten Frauen mit einer schwarzen Schärpe zusammen, um ihr das letzte Geleit zu geben. Die Bilder waren authentisch in dem Film dargestellt – und diese Bilder waren mächtig und gingen schwer unter die Haut. „Niemals aufgeben“, lautete das Motto.
Im Jahre 1928 wurde das Wahlrecht für Frauen in Großbritannien eingeführt.
Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, das der Kampf der Arbeiterinnen für Lohngleichheit, bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz europaweit unter ähnlich schwierigen Bedingungen durchgeführt wurde – ein Thema, das den Rahmen des Films gesprengt hätte.
Was in dieem Film so herzergreifend ist, ist die Zielstrebigkeit und die Hoffnung, die die Arbeiterinnen seinerzeit motivierte, für ihr Recht zu kämpfen. Sie setzten alles auf eine Karte. Obwohl sie bespitzelt wurden und ihre Fotos öffentlich in den Zeitungen erschienen, so das sie in der Nachbarschaft verachtet wurden und von ihren Männern ausgegrenzt wurden aus der Familie bis hin zur Kindeswegnahme, gaben sie nicht auf. Sie hatten einfach nichts zu verlieren – und konnten nur gewinnen.
Würde ich in London leben, würde ich nach diesem Film den Wunsch haben, ein Grab ausfindig zu machen von einer dieser Frauen, um Blumen dort niederzulegen.
Mir wurde in diesem Film deutlich, das ich meine Freiheit nicht erkämpft habe. Sie wurde mir in die Wiege gelegt und ich partizipiere heute von dem, was meine Vorfahrinnen für mich erkämpft haben.
Ich schäme mich, weil ich schon mal nicht wählen war. Ich werde wieder wählen gehen und wenn ich nicht weiß, was ich wählen soll, wähle ich die SPD. Hat sie doch auch eine Vorgeschichte, die verknüpft ist mit Klassenkampf im Industriezeitalter Deuschlands im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Es gilt im Grunde genommen das, was unsere Vorfahrinnen für uns errungen haben, zu bewahren. Mehr nicht – aber das ist schon viel.
Es wäre schön, wenn ich denken könnte - „wie gut, das wir Frauen heute unsere Rechte haben“. Das ist aber nicht so !
Weltweit gesehen mag das in Europa, Australien und Neuseeland der Fall sein. Aber wie sieht es denn aus in vielen Ländern der sogenannten dritten Welt, so Kinder die teuren Teppich knüpfen, Frauen verschleiert im Haus als Eigentum des Ehemannes eingesperrt sind und Männer sich bereits mit Kindfrauen vermählen dürfen ?
Das ist alles so furchtbar – und dann noch angesichts der brutalen Kriege im Nahen Osten und der vielen Flüchtlingsströme, wo auch wieder Frauen sich aufmachen mit ihren Kindern, um auf einer Nußschale über das Meer zu schippern, weil ihnen sonst gar nichts mehr bleibt.
Parallel dazu erleben wir, das muslimische Männer, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben, sexuelle Übergriffe an Frauen verüben, in Erstaufnahmelagern Frauen Angst haben, nachts auf die Toilette zu gehen, weil dort keine Sicherheit für sie ist.
Es scheint sich momentan alles in einem Chaos zu befinden, was die Rechte von Frauen betrifft, das dieser Film im Grunde genommen nur aufrütteln kann.
Gut gemacht ist der Film – sehr gut ! Aber man kommt heraus und weiß, das das nicht das Ende ist.
400 Euro-Jobs für Frauen sind an der Tagesordnung – und sollte eine Frau für ihren Lebensunterhalt aufkommen können mit einem Bruttogehalt, ist es nach der Euro-Umstellung und Mietexplosion häufig so gering, das sie noch einen Zweitjob machen muß, um überleben zu können.
Der Kampf müßte weiter gehen – aber wo ? Die Gewerkschaften sind geschwächt – dennoch sind sie die einzige Institution, die sich für die Interessen der Arbeitnehmer einsetzt.
So saß ich einigermaßen traurig und resigniert in der Straßenbahn auf dem Weg nach Hause, als sich plötzlich an einer Haltestelle ein Frau mit einem Kinderwagen in die Bahn begab. Das kleine Bübchen im Alter von vielleicht zwei Jahren rief bei Ankunft in der Bahn fröhlich aus seinem Kinderwagen heraus „Helau, Helau !!“ „Helau, Helau !!“
Ich drehte mich um zu dem kleinen Mann und antwortete mit einem fröhlichen „Helau !“ - aus meinen Träumen erwacht und das liebe Kind strahlte mich an, warf beide Ärmchen nach oben und schrie wieder „Helau !“ - Und was soll ich sagen ? Auch ich alte Möchtegern-Sufragette riess die Arme nach oben und schrie zurück „Helau !“
Da war ich wieder – angekommen in der heutigen Welt – ganz im Hier und Jetzt und mit einem fröhlichen „Helau“ zu dem Bübchen gerichtet, stieg ich aus der Bahn aus. Die Kinder werden es richten, dachte ich mir.
Wenn ich nicht weiß, was ich wählen soll, sollte ich eine Partei gründen „Kinder an die Macht“, sollte sie heißen. Den Kindern eine Partei gründen, die ihnen die Möglichkeit gibt, im Bundestag mitzureden. Wetten, das sie sich gegen Kriege aussprechen ? „Kinder an die Macht“, hieß mal ein Song von Herbert Grönemeyer. Wenn ich noch einen finde, der das auch gut findet, vielleicht würde der Herbert uns mit Plakaten unterstützen. Ich könnte im Rentenalter meine Zeit darauf verwenden.
Ach, ich gerate schon wieder ins Schwärmen …
Nachstehend ist zu sehen, wann in welchen Ländern Europas das Wahlrecht für Frauen eingeführt wurde.
Einführungsdaten des Frauenwahlrechts in 20 europäischen Ländern
1906 Finnland
1913 Norwegen
1915 Dänemark
1915 Island
1917 Estland
1918 Lettland
1918 Deutschland
1918 Österreich
1918 Polen
1918 Luxemburg
1919 Niederlande
1921 Schweden
1928 Großbritannien
1931 Spanien
1944 Frankreich
1945 Ungarn
1945 Slowenien
1945 Bulgarien
1946 Italien
1952 Griechenland
1971 Schweiz
1984 Liechtenstein
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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