Fachkräftemangel – Fiktion oder Realität?
Professor Dr. Raimund Schirmeister, Lehrstuhlinhaber für Betriebswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat eine Studie zum Fachkräftemangel erstellt. Der Titel des Buches lautet: „Fachkräftemangel – Fiktion oder Realität?“ Die Arbeit im Auftrag der Stadtsparkasse Düsseldorf zeigt, worauf sich Unternehmen bei der Nachwuchsgewinnung im Raum Düsseldorf einstellen müssen. Unter den befragten Unternehmen waren insbesondere kleinere mittelständische Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu fünf Millionen Euro und maximal 50 Mitarbeitern. Außerdem befragte das Lehrstuhlteam Schüler und Studenten nach ihren Erwartungen an das Berufsleben und ihren künftigen Arbeitgeber.
Der Wettbewerb um die besten Fachkräfte wird schärfer
Über 80 Prozent der 443 befragten Unternehmen sind sich einig: Der Wettbewerb um talentierte Nachwuchskräfte hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Die Einschätzung der Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Mitarbeitern entwickelt sich dann zu einem konkreten Problem, wenn ausgeschriebene Stellen nicht fristgerecht besetzt werden können. Das trifft auf immerhin 53 Prozent der Unternehmen zu, die bereits heute Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen haben. Die Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu gewinnen, verstärken sich mit der Beschäftigtenzahl eines Unternehmens: Von den Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern sehen lediglich 41 Prozent im Fachkräftemangel ein Problem für ihre Personalplanung. Mit zunehmender Zahl der Mitarbeiter nimmt dieser relative Anteil kontinuierlich von über knapp 60 Prozent (bei 11 bis 50 und 51 bis 100 Mitarbeitern) und 68 Prozent (bei 101 bis 500 Mitarbeitern) auf 84 Prozent ab 500 Mitarbeitern zu. Das erklärt sich auch dadurch, dass bei höherer Beschäftigtenzahl häufiger offene Stellen besetzt werden müssen, die ein spezifisches Anforderungsprofil aufweisen.
Bei kleineren Unternehmen ist die Fokussierung auf Familienmitglieder gerade bei qualifizierten Positionen weitaus stärker ausgeprägt, so dass die Personalgewinnung über den Arbeitsmarkt von geringerer Bedeutung ist. Hier wird das Personal überwiegend aus dem Familienkreis rekrutiert.
Schwierigkeiten bei der Rekrutierung gibt es insbesondere in folgenden Berufen: (Maschinenbau-)Ingenieure, Betriebswirte, Kaufleute, IT-Spezialisten, Techniker/Mechaniker/Monteure, Alten-/Krankenpflege.
Bemerkenswert ist, dass 70 Prozent der Unternehmen an Hochschulabsolventen interessiert sind. Dieser vergleichsweise hohe Wert deute auf eine zunehmend breite Akademisierung auch in Klein- und Mittelbetrieben hin, die sich nicht mehr auf hochqualifizierte Dienstleistungen (wie Rechts- und Unternehmensberatung, medizinische Dienstleistungen) beschränkt, so Schirmeister.
Was erwarten Studenten und Schüler von ihrem künftigen Arbeitgeber?
Bei den Studierenden liegt der Wunsch nach „interessanten Arbeitsinhalten“ (Zustimmung 83,2 Prozent von 1 031 befragten Studenten) und einem „angenehmem Arbeitsklima“ (Zustimmung 81,1 Prozent) deutlich an der Spitze. Auch die Chance auf Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird von den Studenten erwartet. Offenbar betrachten die Studenten ihren künftigen Arbeitsplatz als einen Teil ihrer Lebenswelt, in welcher sie von der Aufgabe her gefordert, aber auch in ihr berufliches Umfeld positiv eingebunden werden wollen.
Wunsch nach betrieblicher Altersvorsorge
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass 76,7 Prozent der Studenten das Anbieten einer betrieblichen Altersversorgung wichtig bis eher wichtig halten. Die Einschätzung der Unternehmen liegt bei „nur“ 64,5 Prozent. Noch gravierender ist der Unterschied bei den insgesamt 369 befragten Schülern aus den Abschlussklassen oder Vorabschlussklassen aller weiterführenden Schulformen (Haupt-, Real-, Gesamtschulen und Gymnasien): Hier halten 83,3 Prozent eine betriebliche Altersversorgung für wichtig bis eher wichtig, aber nur 37,9 Prozent der Unternehmen glauben, dass dies für die zukünftigen Auszubildenden bedeutsam ist. Offenbar haben bereits Schüler das Thema Vorsorge in seiner gesellschaftlichen Relevanz erkannt, ohne dass dies die Verantwortlichen in den Unternehmen wahrnehmen. Die Vorstellungen der Jüngeren – keinesfalls repräsentativ – mögen auch vom Wunschdenken beeinflusst sein, aber bei sich wandelnden Märkten für Fachkräfte kommt solchen Erwartungshaltungen eine größere Relevanz zu. An diese Erwartungen müssen sich die Arbeitgeber flexibel anpassen.
Fazit
Auf die eingangs gestellte Frage „Ist der Fachkräftemangel in der Region Düsseldorf tatsächlich Realität oder doch eine Fiktion?“ antwortet der Professor mit „Jein“. Die mittelständischen Unternehmen der Region Düsseldorf haben den Einfluss des demografischen Wandels auf die Rekrutierung und Erhaltung einer qualifizierten Belegschaft erkannt. Der Wettbewerb um Fachkräfte ist bereits härter geworden, die Suche nach Lösungen ist in vollem Gange. Allerdings stecken in der konkreten Umsetzung noch Potenziale, die es auszuschöpfen gilt. Aber vielleicht ist die Studie der Impuls, um sich mit den vielen Facetten dieses Themas auseinanderzusetzen und in manchen Details wie etwa bei der betrieblichen Altersvorsorge bessere Lösungen zu finden.
Autor:Norbert Opfermann aus Düsseldorf |
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