Es lag was in der Luft
Gestern habe ich den ersten Flieder in diesem Jahr entdeckt.
Meine Nase registrierte es sofort. Dieser Wohlgeruch ist unverkennbar.
Flieder.
Meine Augen folgten dem Spürsinn der Nase und entdeckten die Blüten dort, wo letzte Woche noch nur zartes Grün die Büsche zierte.
Da kann man gar nicht anders, da muss man ganz nah ran, eine Blütenrispe in die Hand nehmen und die schon in der Luft liegende Süße intensiv aufnehmen.
Selbst nüchterne Gemüter verspüren bei diesem Geruch einen Hauch von Romantik, heißt es.
Dabei ist es, chemisch betrachtet, Alpha-Terpineol, ein Alkohol, der den Duft ausmacht.
Das klingt zwar gar nicht romantisch, soll aber Harmonie und Wohlbehagen vermitteln.
Schade eigentlich, schon allein wegen der Harmonie, dass Parfums mit Fliedergeruch so ganz aus der Mode gekommen sind. Wenigstens im Mai könnten doch die Damen wieder etwas Flieder tragen.
Ich erinnere mich…
...an den Duft meiner Großtanten;
Hildegard Knef besingt einen jungen Mann, der nach Flieder roch in „Er war der Schönste in der Klasse“.
Der Flieder gehört zur Gattung der Ölbaumgewächse und wurde im 16. Jahrhundert von einem österreichischen Gesandten aus Istanbul nach Wien mitgebracht. Zuerst sah man Syringa – so der wissenschaftliche Name – nur in den Gärten der Wohlhabenden, aber in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts traf man ihn bereits in fast allen Bauerngärten an.
Die französische Baumschule Lemoine in Nancy brachte 214 Sorten der eleganten Blüten hervor, seitdem gibt es die duftenden Träume nicht nur in Weiß, sondern auch in Blau, Hellgelb, Rosé, Rot, Magenta und Violett.
Sie heißen „Mrs. Edward Harding“, „Mme. Florentine Stepmann“, „Charles Joly“ oder „Miss Kim“ und „Elinor“, man unterscheidet u.a. Bogenflieder, Zwergflieder und Perlenflieder.
Flieder gilt als Symbol der jungen romantischen Liebe.
Ich erinnere mich…
…an den Schlager „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ und den gleichnamigen Film mit Magda Schneider und Willy Fritsch, den ich damals mit meiner Mutter im Fernsehen sah;
Hermann Löns denkt lauter Zärtlichkeit beim Duft des Flieders.
Ich mag die herrlichen Blüten am liebsten in dunklem Violett. Solch einen Baum hatten wir früher zu Hause im Garten. Die Zweige zierten in der Vase unser Wohnzimmer, und oft brachten wir auch welche zum Friedhof. Leider ist der alte Baum der Säge zum Opfer gefallen zu einer Zeit, als es modern wurde eher Bäume abzuholzen als anzupflanzen, selbst im eigenen Garten.
Als ich im letztes Jahr im Blumenladen Flieder kaufen wollte, schüttelte die Floristin den Kopf. Gibt es nicht zu kaufen. Sie könne ihn bestellen, das sei aber dann kein preiswertes Vergnügen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, sie wollte mir sagen: „Flieder kauft man doch nicht, den klaut man!“
Ich erinnere mich…
…an einen Spaziergang mit meinem alten Freund Bobby, währenddessen wir über alte Zeiten diskutierten. Es war vor fast genau 5 Jahren, wir klauten aus einem Garten einen Fliederzweig und hielten ihn die ganze Zeit in der Hand;
Konstantin Wecker:
„Wenn du fort bist werden Frühlingslieder
über Nacht zu einem langen Herbstgedicht
und es heißt, da draußen blüht der Flieder
doch ich weiß, er blüht nicht ohne dich.“
Foto: meins
Autor:Birgit Schild aus Düsseldorf |
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