Der richtige Weg zum Himmel?

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Lesung in der Mayerschen Buchhandlung: Gute Reise lieber Justin

Justin war elf Jahre alt, als er starb. Er verbrachte die letzten zwei Monate seines Lebens im Kinderhospiz Regenbogenland. In dieser Zeit, lebte er ein prallvolles Leben. Für die Mitarbeiter und Betreuer des Regenbogenlandes war er in der Zeit ein ständiger Lieferant von Geschichten. Er liebte Nikoläuse und er war „Schalke“-Fan. Mit seiner Lebensfreude, mit seinem Charme und mit seinem Witz zog er alle in den Bann. Für Edda Maugsch war dieser Junge und sein Wirken im Kinderhospiz der Grund, ein Buch zu schreiben, damit dieses kurze Leben in Erinnerung bleibt.
Viele der rund 50 Gäste bei der Lesung von Edda Maugsch, die aus ihrem Buch „Gute Reise lieber Justin“ las, waren Mitarbeiter des Kinderhospitz Regenbogenland. Es war ihnen anzusehen, wie gespannt sie auf die Zeilen waren, die die Autorin beabsichtigte zu lesen. Einige kannten Justin sehr gut, weil sie als direkte Betreuer täglich Kontakt mit dem schwerkranken Jungen hatten.
Edda Maugsch war es ein Bedürfnis, die Zuhörer zunächst über diesen wundervollen Jungen gezielt zu informieren. Als Justin ins Kinderhospiz Regenbogenland kam, hatte er schon eine Odyssee hinter sich. Mit zwei Jahren wurde ein inoperabler Gehirntumor diagnostiziert. Es folgten Genesung, Schule und Heimaufenthalte, weil er wohl „viel Mist“ gebaut hatte, wie er selbst sagte. „Als er zu uns kam, war er austherapiert, wie das so heißt“, erzählt Maugsch. Die Mitarbeiter erlebten den Justin, der er jetzt war. „Er brachte viel Leben ins Haus“, berichtet sie mit einem Lächeln. Alle erlebten Justin wie er die Kostbarkeiten des Lebens fühlte, spürte und genoss. Wenn das Ende des Lebens so greifbar wird, haben die Ereignisse der Vergangenheit nicht mehr das Gewicht. Das Jetzt wird gewichtig und die Erfüllungen von Wünschen. Aus diesem „Jetzt“ der letzten zwei Monate von Justin sind diese Erinnerungen entstanden. Seine Vergangenheit wird im Buch nur selten gestreift, der Leser erfährt nicht mehr als die Mitarbeiter des Regenbogenlandes. Obwohl nicht auf dem Bildungsstand eines elfjährigen, erfuhren die Betreuer einen Jungen voller Humor, Einfühlungsvermögen, Traurigkeit, Wut, Lebenshunger und –klugheit als auch Tapferkeit. „Dagegen kamen wir uns manchmal klein vor“, lässt sie ihre Zuhörer wissen. So waren sie auch sprachlos, als er klar umriss: „Weißt du, dass ich zum Sterben hier bin.“ Er brachte seine Umgebung zum Staunen, Lachen und auch zum Weinen. „Wer ihn kennengelernt hat, kam nicht mehr von ihm los“, schildert die Ideengeberin dieses Buches. Er wusste genau was er wollte. Diese Erfahrung machte auch die Sozialpädagogin Sarah. Noch im Krankenhaus händigte er ihr eine Liste mit Sachen aus, die er im Regenbogenland haben wollte. Dort angekommen hat er erstmal alles zusammengesucht, was er noch brauchte. Ein großer Teddy, einen Fernseher…“Er hat erst aufgehört, als ihm klar war, dass er alles hatte“, erinnert sie sich. Seine größte Leidenschaft war das Sammeln von Nikoläusen. Er liebte Nikoläuse, egal ob dick, dünn, klein oder groß. Letztendlich waren es 450, sodass es kaum noch Platz für die Pflegeutensilien gab. Seinen Lieblingsnico nahm er mit ins Grab.
Viele drängende Fragen erörterte er mit dem Seelsorger Rainer Strauß. Brannte ihm etwas auf der Seele machte er sich gleich mit seinem E-Rolli auf ins Büro des Pastors. „Finde ich auch den richtigen Weg zum Himmel“, fragte er. „Und was mache ich, wenn ich mich verlaufe“, sprudelte es aus ihm heraus. Pastor Strauß erklärte ihm: „Ein Engel nimmt dich an die Hand und führt dich in diese neue Welt, wo es licht und hell ist.“ Auch wollte er wissen, ob er seinen Hund wiedersehen wird und ob er das Baby Elsey, das kurz vor ihm im Hospiz gestorben war, wieder auf den Arm nehmen kann. Vieles beschäftigte ihn, auch, ob es genug Schokolade im Himmel geben wird. Obwohl er große Angst vor dem Sterben hatte, ging er erstaunlich gut mit diesem Gefühl um. Dass er nicht verbrannt werden möchte, formulierte er klar und deutlich. „Da muss es ja sehr heiß sein“, nahm er an und durch die Erdbestattung könnte er dieses „heiß“ verhindern.
Ob Trecker fahren, der Besuch von Jimi Blue Ochsenknecht, dem Darsteller in „Die Wilden Kerle“ oder toben im Schnee, Justin hat es so genommen, wie es gekommen ist. Er genoss den Augenblick im Hier und Jetzt. Justin machte sich mit seiner Art und seiner wunderbaren Gabe, gleich ins Herz der Menschen zu treffen unsterblich. Auch unsterblich in den Herzen derer, die ihn im Regenbogenland über die zwei Monate begleiteten. Keiner dieses Leseabends konnte sich diesem Gefühl entziehen, obwohl nur die wenigsten Justin kannten – Gute Reise lieber Justin.

Autor:

Peter Frank aus Düsseldorf

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