Industriekultur am Niederrhein
Das Stahlwerk Becker in Willich und eine Prise Beuys

Jürgen Drewer: Skulptur vor dem Wasserwerk "Hommage an das Wasser" (2020). Aus einem alten Tank hat Drewer Formen herausgefräst, so dass der Eindruck von bewegtem Wasser entsteht. Die Skulptur wird bei Dunkelheit von innen blau beleuchtet. | Foto: © Margot Klütsch
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  • Jürgen Drewer: Skulptur vor dem Wasserwerk "Hommage an das Wasser" (2020). Aus einem alten Tank hat Drewer Formen herausgefräst, so dass der Eindruck von bewegtem Wasser entsteht. Die Skulptur wird bei Dunkelheit von innen blau beleuchtet.
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"Zeche Zollverein" in Essen und der Landschaftspark Duisburg Nord sind besonders prominente Beispiele dafür, wie der Übergang  von der Schwerindustrie ins postindustrielle Zeitalter gelingen kann. Auch im ehemaligen  Stahlwerk Becker in Willich, westlich von Krefeld, fand in kleinerem Rahmen eine erfolgreiche Umstrukturierung statt. Nachdem ich bereits über das Wohnen in der Schmiedehalle berichtet habe (mehr dazu HIER), möchte ich nun etwas über die Geschichte des Unternehmens erzählen.  

Die industrielle Vergangenheit | Foto: © Margot Klütsch
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Eine schillernde Persönlichkeit

Kein Geringerer als August Thyssen stellte Reinhold Becker (1866-1924) 1903 als Manager für die Krefelder Stahlwerk AG ein. Becker verfolgte jedoch ganz andere Ziele. Er verfügte über genügend Kleingeld und Selbstbewusstsein - man könnte es auch Chuzpe nennen -, um selbst als Unternehmer in der Stahlbranche tätig zu werden, worauf Thyssen den jungen Konkurrenten wegen Betrugs anzeigte. Trotz einer Gefängnisstrafe gründete dieser unbeirrt 1908 in Willich die Stahlwerk Becker AG.

Hauptverwaltung und Villa

Mit eindrucksvoller Architektur unterstrich Becker seine Ambitionen. Das repräsentative Hauptverwaltungsgebäude mit Giebeln, Turm und Pilastern ließ er im anspruchsvollen Reformstil errichten.

Die Hauptverwaltung (1909) im "Reformstil": Monumentalität in schlichten klassischen Formen.   | Foto: © Margot Klütsch
  • Die Hauptverwaltung (1909) im "Reformstil": Monumentalität in schlichten klassischen Formen.
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Gleich 1909 bezog er die nebenan liegende Unternehmervilla.

Die Unternehmervilla von 1909 wurde neben dem Hauptverwaltungsgebäude gebaut.  | Foto: © Margot Klütsch
  • Die Unternehmervilla von 1909 wurde neben dem Hauptverwaltungsgebäude gebaut.
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Und was hat Joseph Beuys damit zu tun?

Als das Stahlwerk während des Ersten Weltkriegs boomte, ließ Becker es sich nicht nehmen, in der Gartenstadt Meererbusch bei Düsseldorf eine hochherrschaftliche Villa mit Park als Wohnsitz zu bauen, populär als "Becker-Schlösschen" bezeichnet.

Die Villa (1917) von Reinhold Becker in Meererbusch, genannt "Schloss Marein" oder auch "Becker Schlösschen". | Foto: © Margot Klütsch
  • Die Villa (1917) von Reinhold Becker in Meererbusch, genannt "Schloss Marein" oder auch "Becker Schlösschen".
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Und hier kommt Joseph Beuys ins Spiel. 1948 schlug er für seinen Lehrer Ewald Mataré, der nicht weit von Meererbusch lebte, aus dem zerstörten Becker'schen Gartenbassin bunte Mosaiksteine heraus, die Mataré dringend für die Gestaltung der Türen am Südportal des Kölner Doms brauchte und die damals Mangelware waren. Beuys setzte dann das Mosaik zur großen Zufriedenheit seines Lehrers. Die Steine befinden sich noch heute an den Domtüren. Und Reinhold Becker, der immer groß dachte, würde es sicher begrüßen, dort indirekt verewigt zu sein.  

Die Werkhallen

Die Werksbauten wurden in traditionellem Backstein errichtet. Auch bei den Nutzbauten legte Becker offensichtlich Wert auf anspruchsvolle architektonische Gestaltung. Das zeigt die harmonische ornamentale Gliederung der Gebäude mit vertikalen Lisenen im Wechsel mit hell verputzten Flächen. Ab 1910 entstand auch eine Werkssiedlung für die Arbeiter des Stahlwerks.

Hammerwerkhalle | Foto: © Margot Klütsch

Das Wasserwerk

Das archtitektonisch besonders gelungene klassizistische Wasserwerk von 1918 stammt aus der zweiten Bauphase des Unternehmens. Es war nur noch eine Bauruine, als man schließlich 2019 mit der Restaurierung begann. Seit Kurzem präsentiert es sich als ein wahres Schmuckstück. Den entsprechenden Wettbewerk für "Kunst am Bau" gewann Jürgen Drewer. Er fräste aus einem vorgegebenem alten Tank Formen heraus, so dass der Eindruck von bewegtem Wasser entsteht. Das Wasserwerk kann jetzt als passender Rahmen für Firmen und Veranstaltungen aller Art dienen.

Das Wasserwerk in schlichten klassizistischen Formen wurde 1918 errichtet. Es verfiel und wurde in den letzten Jahren beispielhaft restauriert und revitalisiert.    | Foto: © Margot Klütsch
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Das Ende der Ära Becker

Nach dem Boom im Ersten Weltkrieg folgte in den 1920er Jahren der Niedergang. Vermutlich unseriöse Geschäfte, die Hyperinflation und der unerwartete Tod Reinhold Beckers 1924 besiegelten das Ende des Unternehmens. Es wurde von der Konkurrenz aufgekauft, aber schließlich 1932 stillgelegt. Während des Zweiten Weltkriegs produzierte die Deutsche Edelstahl AG auf dem Gelände. 1948 bis 1992 war die Britische Rheinarmee hier stationiert. 1997 erwarb die Stadt Willich das Areal und die Neuausrichtung konnte beginnen.

Die Revitalisierung

Denkmalgeschützte Industriehallen wurden restauriert und zusätzliche Gebäude errichtet. Seit 2002 durchzieht eine lange Wasserachse den Gewerbepark. Büros und gemischtes Kleingewerbe bis hin zu Musikschule und Fitnessstudio haben sich angesiedelt. Es gibt aber auch noch ungenutzte Flächen.

Halle 22 mit Fitnessstudio. | Foto: © Margot Klütsch
  • Halle 22 mit Fitnessstudio.
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Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich durch ein spannendes Stück Industriegeschichte begleitet.

Quelle

Autor:

Margot Klütsch aus Düsseldorf

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