Charmanter Schiller-Sprint
„Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.“ Mit diesem Zitat aus Wallenstein, das zugleich Motto des Abends ist, beginnt das neue Stück „Schiller. Ganz oder gar nicht“ im Theater Flin: Ein unterhaltsamer wie lehrreicher Durchmarsch durch die Dramen des berühmten Dichters.
„Die Räuber“, „Don Carlos“ oder „Die Jungfrau von Orléans“ – kaum einer kennt nicht mindestens eines der Dramen von Friedrich Schiller. Doch keiner hat sie bisher so gesehen, wie in „Schiller. Ganz oder gar nicht“.
Das Theaterstück des Autorenteams Mirjam Barthel, Armin Jung und Carl von Maldeghem verbindet gleich zwei Handlungen in einem. Zum einen sind da Maggie (Renate Söhnigen), Bruno (Oliver Priebe) und der Hausmeister Herr Daniel (Daniel Marré), die aufgrund der Abwesenheit eines der Schauspieler – Etienne – gezwungen sind, in der Rahmenhandlung stark zu improvisieren.
In der Binnenhandlung schlüpfen Bruno und Maggie schließlich in die wichtigsten Rollen der Charaktere Schillers, während der Hausmeister Herr Daniel mit verschiedensten musikalischen Einlagen glänzt und mal mehr und mal weniger im Hintergrund bleibt.
Regisseur Philipp Kohlen-Priebe gelingt es, mit kleinsten Mitteln den größten Effekt zu erzielen. Ein Schiller-Portrait im goldenen Rahmen, ein Tisch, zwei Stühle, ein Klavier und ein paar Kostüme reichen als Kulisse vollkommen aus. Den Rest der Atmosphäre füllen die Schauspieler mit ihrer Spielfreude und ihrem Können voll aus.
Da reichen eine an einer Angel schwebende Krone und ein zum Kopftuch umfunktioniertes Oberteil, damit die Zuschauer in Maggie mal eine Königin Elisabeth und mal eine Maria Stuart vor sich sehen. Ebenso machen ein paar aufgespießte chinesische Köpfe und Kostüme aus „Turandot“ gleich ein „pan-asiatisches Gesamtspektakel“.
Was sonst mehrere Tage dauern würde – nämlich die Begegnung mit den Räubern, „Don Carlos“, „Maria Stuart“, der Jungfrau von Orléans, „Turandot“, der Braut von Messina, dem Fiesco zu Genua, Kabale und Liebe, Wilhelm Tell, Wallenstein und Demetrius in einem Stück – funktioniert hier prima in 90 Minuten.
Kohlen-Priebe und sein Team schaffen zugleich eine Verbindung zur Moderne: Klassik trifft Komik, „Werktreue“ stößt auf überraschende Interpretationen – zum Beispiel, wenn aus „Don Carlos“ plötzlich ein Musical wird.
Immer nah dran und mit dabei ist das Publikum, dessen sprachliche Kraft mit Zungenbrechern wie „Roibosmelissenteebeutelchen“ herausgefordert wird. Warum es an dieser Stelle „twelve points“ verdient hat oder wie die Tai Chi-Figur „betrübter Regenwurm“ aussieht und was das alles überhaupt mit Schiller zu tun hat – davon sollten sich die Zuschauer selbst überzeugen.
Nicht zu unterschätzen ist bei aller Kurzweil auch der Lerneffekt des Stücks. Denn ganz nebenbei bleibt garantiert auch das ein oder andere über Schiller hängen. Dass dieses eigenwillige, aber charmante schillernde Potpourri ankommt, bewies der ausgiebige Applaus des Premieren-Publikums.
Weitere Vorstellungen gibt es am 22./23. Oktober, 26./27. November, 28./29. Januar, 11./12. Feburar und 25./26. März im Theater FLINgern, Ackerstraße 144. Karten unter Telefon 679 88 71.
Autor:Nele Cent-Roppel aus Monheim am Rhein |
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