BÜCHERKOMPASS: Rote Erde
Der Roman »Rote Erde« von Peter Stripp ist ein Klassiker der Ruhrgebietsliteratur. Der Autor lässt über 504 Seiten die Geschichte des Bergbaus im Ruhrgebiet lebendig werden und spiegelt damit auch die Wirtschaft- und Sozialgeschichte des Deutschen Reiches von 1887 bis 1919 wider. Besonders plastisch beschreibt Stripp die gefahrvolle Arbeit unter Tage.
Der Roman beschreibt die fiktive Geschichte des 15-jährigen Bruno Kruska aus Pommern. Der kommt 1887 ins Ruhrgebiet, um als Bergmann im »Goldenen Westen« sein Geld zu verdienen. Gemeinsam mit Friedrich Boetzkes, dem ortsältesten Hauer, dessen Sohn Karl und Otto Schablowski arbeitet er am Ausbau des Flözes »Morgensonne« auf der Zeche »Siegfried«. Für die Zeche wird kein konkreter Ort genannt. Da das Ruhrgebiet verwaltungstechnisch nur zur Hälfte Westfalen angehörte, muss die Zeche Siegfried im nord-östlichen Revier liegen. Doch dann kommt es beim Kampf um mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen zum großen Bergarbeiterstreik im Ruhrpott, und der Kaiser fürchtet eine Ausweitung sozialdemokratischer Ideen.
Auf der anderen Seite stehen der Zechenbesitzer Direktor Sturz und sein Pflegesohn Alfred Rewandowski, der später die Leitung der Zeche übernimmt. Karl Boetzkes wird ein glühender Sozialdemokrat, überwirft sich mit seinem Vater wegen der Parteimitgliedschaft und zieht dann später als Abgeordneter der SPD in den Reichstag ein. Bruno heiratet Pauline, die Tochter Friedrich Boetzkes. Zweimal wird Bruno unter Tage verschüttet. Aus dem Ersten Weltkrieg kehrt er auf den Pütt zurück, weil im Bergbau erfahrene Hauer fehlen. Nach der Abdankung des Kaisers besetzen die Bergleute 1918 die Zeche und fordern die Verstaatlichung als Volkseigentum. Doch die SPD hat sich mit den Zechenbesitzern arrangiert und lässt den Pütt durch Soldaten räumen. Hier endet das Buch.
Die ARD strahlte Rote Erde in zwei Serien aus. Die erste – Inhalt des Buches – wurde 1981/82 gedreht und 1983 in neun Teilen zum ersten Mal gesendet. Sie spielt in der Zeit von 1887 bis 1919. Die vierteilige Fortsetzung unter dem Titel Rote Erde II wurde 1989 gesendet und deckt die Zeit von 1920 bis 1950 ab. Die Serien waren eine Gemeinschaftsproduktion von Bavaria und WDR. Regie: Klaus Emmerich. Kamera: Joseph Vilsmaier. Autor Peter Stripp schrieb auch das Drehbuch zur Fernsehserie. Stripp ist 2013 in Berlin verstorben.
Mir hat die Fernsehserie damals gar nicht gefallen, bei dreizehn Teilen war das etwas langatmig (Spieldauer insgesamt ca. 15 Stunden). Vielleicht lag es auch an der Studioatmosphäre: Gedreht wurde in den Studios und auf dem Außengelände der Bavaria-Film am Geiselgasteig bei München. Die Serie ist mittlerweile auf DVD erhältlich. Eine Szene ist mir aber besonders in Erinnerung geblieben. Nach Abdankung des Kaisers versammeln sich die Bergleute am Bahndamm, im Glauben der Kaiser werde auf der Fahrt ins Exil nach Holland hier vorbeikommen. Bekanntlicherweise floh der Kaiser von seinem Hauptquartier im belgischen Spa in die neutralen Niederlande.Tatsächlich dampft ein Zug heran - es handelt sich aber um einen gewöhnlichen Personenzug mit Arbeitern und Soldaten. Im Buch wird diese Szene so beschrieben:«Ernüchtert starrten die Frauen und Männern aus der Siedlung den roten Schlusslichtern nach. Nur Fränzi (Anm. eigentlich Franziska, Tochter Brunos und Paulines) war nicht enttäuscht. Sie war auf einen Gedanken gekommen, den sie aber niemanden verriet. Sie stellte sich vor, wie der Kaiser in einer Joppe aus grobem Stoff, geflickten Hosen und Holzschuhen als Arbeiter verkleidet, in eimen Abteil vierter Klasse, von niemanden erkannt, zur Grenze fuhr.«
Besondere Sorgfalt legt der Autor auf die Beschreibung der Arbeit unter Tage. Es beginnt mit dem Kohleabbau mittels Schlägel und Keilhauen, später folgen Presslufthämmer und elektrische Förderbänder.
Wer Interesse am Ruhrpott und der Geschichte des Bergbaus hat, wird dieses Buch mögen. Der über 500 Seiten starke Schmöker, erfordert allerdings etwas Ausdauer beim Lesen. Hilfreich wäre ein Personenregister am Ende des Bandes. Bei über 30 Jahren Erzählzeit kommen doch einige Personen neben den Hauptfiguren zusammen.
Autor:Norbert Opfermann aus Düsseldorf |
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