Annett Louisan in der Tonhalle – kleine Frau ganz groß!
Wenn der Mann an meiner Seite völlig verzückt-entrückt vor sich hinsäuselt „ist die süüüüß, die Kleene!“, dann sollten ja normalerweise alle Alarmglocken in mir angehen.
Wenn es sich dabei allerdings um Annett Louisan handelt, die auf der Bühne so eine unglaubliche Präsenz entwickelt, dass es einen ganz tief im Herzen anrührt, dann braucht es keine Alarmglocken, sondern nur ein leises und zustimmendes Nicken meinerseits.
Ich bin mir fast sicher, dass Annett Louisan, dieses „süüüß“ gar nicht so süß findet. Aber man kann einfach nicht anders: dieses liebe und offene Gesicht, diese zarte Gestalt und die wunderschönen großen Kulleraugen nehmen einen sofort gefangen, ziehen in den Bann, lassen mit den Augen an ihrer Gestalt festkleben und mit den Ohren an ihren Lippen.
Schon ihr erstes Album „Boheme“ aus dem Jahr 2004 hat voll und ganz in unserem Haushalt eingeschlagen. Es war wohl zuerst dieses fein gesäuselte „Ich will doch nur spielen – ich tu doch nix“, das sich sehr einprägte und wohl bis heute noch gerne zitiert wird, wenn man mal wieder im zwischenmenschlichen Bereich quer gelegen hat. Es geht so leicht von den Lippen, dieses „ich tuuuuuu doch nix…“.
Dieses erste Album hörte sich ein bisschen nach „kleinem Mädchen“ an. Die Stimme manchmal eher piepsig, verspielte Texte, sehr witzig…aber manchmal auch ganz schön böse und tiefgründig.
Die Erfolgsstory der Louisan ging weiter und weiter. Die Platten „Unausgesprochen“, Das optimale Leben“ und „Teilzeithippie“ folgten. Und nun das aktuelle Album „In meiner Mitte“, mit dem diese ausgesprochen erfolgreiche Frau jetzt auf Tournee ist.
Und so ging das Konzert in der Düsseldorfer Tonhalle auch los. Mit dem Lied „In meiner Mitte“, durchbricht ihre Stimme mit Wucht das vorher angespannte und erwartungsvolle Schweigen ihrer Zuhörerschaft. Sie ist sofort voll da und hat auch mehr oder weniger umgehend das Publikum in ihren mädchenhaften Bann gezogen.
Sie singt annähernd alle Lieder ihrer neuen Platte. Und die hat mich vorher gar nicht so sehr angesprochen. Natürlich sind auch hier witzige Lieder wie „Pärchenallergie“ oder „Miau“ vorhanden. Aber der Grundton ist schon eher ernst, verarbeitend, man ahnt, dass diese Frau ein Stück weit ihre jüngsten Erlebnisse verarbeitet, die mit Trennung und Neuanfang, mit ganz tiefen Löchern und auch wieder „schönen, starken Tagen“ zu tun haben.
Die Louisan bezieht ihr Publikum mit ein. In der ersten Reihe wird mit „miaut“, der Rang singt einen Refrain mit, sie geht ohne ihre fast schon bedrohlich wirkenden Stilettos barfuß durch das Publikum, flirtet, verschenkt tiefe Augen-Blicke und erzeugt damit ein unglaubliches Entzücken. Und zwar nicht nur bei den zahlreichen Männern, die ganz sicher große Fans von ihr sind.
Das musikalische Spektrum der Louisan und ihre großartig aufspielende Band erstaunen mich immer wieder. Ein bisschen Blues, ein wenig Chanson oder Jazz, dann mal wieder rockig oder fast schon in einen Schlager ausartend. Sie kann das alles! Und ihre Musiker mit ihr. Das Cello weint auf eine so nahegehende Art und Weise, und wenn der Text dann auch noch dazu passt, sieht man sehr viele Menschen im Publikum, die sich ein bisschen verschämt die Tränen weg wischen. So ging es mir auch, spätestens bei „Ende Dezember“ hätte ich einfach nur noch weinen können vor lauter Ergriffenheit.
Für mich ist Annett Louisan eine der größten deutschen Künstlerinnen. Ihre Texte sind voller Poesie, voller Esprit, sie lassen mitdenken und mitsingen oder einfach auch nur mal still zuhören.
Fast gefällt sie mir live auf der Bühne besser als auf ihren Alben. Weil ihre Ausstrahlung dazu kommt, weil sie alle Facetten ihrer Stimme über die Bühne schwappen lässt und jeden einzelnen Gast mitnimmt.
Und genau deswegen wurde sie auch nicht unter zwei Zugaben und mit „Standing ovations“ von der Bühne entlassen. Als sie „Moon River“ von Audrey Hepburn mit einer schier wundervollen Inbrunst intonierte, war das der perfekte Schluss eines großartigen Abends, der mich einfach nur glücklich gemacht hat.
Danke dafür!
Autor:Annette Kallweit aus Düsseldorf |
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