Am Abgrund
Geistergeschichte oder psycholgische Studie? Mit „The Turn of the Screw“ schließt die Deutsche Oper am Rhein ihren Zyklus mit Werken von Benjamin Britten ab.
Vordergründig erzählt die Oper nach der gleichnamigen Erzählung von Henry James eine Geistergeschichte. In einem Landhaus kümmert sich die neue Gouvernante um die Kinder Miles und Flora. Die früheren Bediensteten Peter Quint und Miss Jessel, die unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen sind, üben als Geister Einfluss auf die Kinder aus. Die Gouvernante stellt sich ihnen entgegen, doch am Ende stirbt Miles.
Regisseur Immo Karaman holt Brittens Oper in ihrer narrativen Struktur ab. Das Innere des Landhauses präsentiert sich mit altmodischer Brokattapete und einer hölzernen Treppe im Hintergrund. Je mehr die Geister in den Mittelpunkt der Geschichte rücken, umso mehr wird das von Kaspar Zwimpfer gestaltete Bühnenbild dekonstruiert – das äußere Geschehen rückt in den Hintergrund und macht Platz für den inneren Konflikt.
Verstärkt wird dieser Effekt durch den Auftritt der Geister: Choreographiert von Fabian Posca werden diese auf der Bühne durch die Tänzer Ulrich Kupas und Anna Roura-Maldonado dargestellt, während Corby Welch und Anke Krabbe neben der Bühne singen.
So bleibt Peter Quint nur vordergründig ein Geist, ein diabolischer Schatten, in dem sich Miles‘ Verlust der kindlichen Unschuld spiegelt. So wird auch der Tod des Jungen symbolisch überhöht; man darf sich Miles nicht als in der faktischen Realität gestorben vorstellen. Lediglich das Kind in ihm ist tot.
Immo Karaman gelingt auf subtile Weise eine eindringliche Inszenierung. In den ständigen Veränderungen des Bühnenraumes kommt der seelische Abgrund der Protagonisten zu tragen. Die überzeugen durchweg durch gute schauspielerische Leistungen.
Sylvia Hamvasi gefällt mit sauberer Stimmführung. Zu Beginn im Forte eine Spur zu laut lotet ihr Sopran die Gemütslagen der Gouvernannte insgesamt vielschichtig aus. Von Beginn an klar akzentuiert überzeugt Marta Márques als Mrs Grose. Mit geschmeidigem und dennoch dominanten Tenor gestaltet Corby Welch den Peter Quint. Lupenrein klingt der Sopran von Anke Krabbe, die als Miss Jessel im Gegensatz zu Corby Welch auch Auftritte auf der Bühne hat. Höchsten Respekt sind dem zwölfjährigen Harry Oakes und der 15-jährigen Eleanor Burke zu zollen, die wie Bühnenprofis agieren, als ob dies das Normalste auf der Welt sei.
Nicht zu vergessen Wen-Pin Chien, der das aus den Düsseldorfer Symphonikern rekrutierte Kammerorchester bei seinem ersten (!) Britten-Dirigat zu differenzierten Klängen anleitet, die den psychologischen Charakter des Stückes unterstreichen.
Autor:Sascha Ruczinski aus Schwelm |
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