Flugunfall
Neue Details zum Unfall des Air Serbia Fluges JU324 nach Düsseldorf

Am vergangenen Sonntag kam es zu einem ernsten Unfall (wir berichteten) beim Air Serbia Flug JU324 von Belgrad nach Düsseldorf, durchgeführt im Wetlease von Marathon Airlines aus Griechenland. Doch was genau war die Ursache des Unglücks bei dem die Embraer 195 schwer beschädigt wurde.
Mittlerweile wurde der Funkverkehr zwischen Air Traffic und der Cockpitbesatzung des Unfallfluges veröffentlicht und gibt weitere Einblicke.
Wie bereits am Montag an dieser Stelle ausführlich erklärt sind sogenannte Intersection Take-Offs, gerade bei relativ langen Start-und Landebahnen wie in Belgrad (ca. 3.500 Meter) bei kleineren Flugzeugen auf kürzeren Routen mit damit verbundener niedriger Treibstoffzuladung nichts ungewöhnliches. Zum Vergleich die beiden Runways in Düsseldorf sind 3.000 Meter bzw. 2.700 Meter und in Dortmund rund 2.000 Meter lang. Damit steht der Flughafen Belgrad was die zur Verfügung stehende Infrastruktur angeht hier besser da.
Zum Zeitpunkt des Unfalls war die Piste 30L bei leichtem Gegenwind in Nutzung, also prinzipiell recht gute Flugbedingungen. Üblich ist in diesem Fall ein Intersection Take Off von Zugang D6.  Die Crew von Marathon Airlines rollte mit 106 Menschen an Bord aber in die vorherige "Zuffahrt" zur Runway, die mit D5 bezeichnet wird.
Dies fällt den Fluglotsen in Belgrad umgehend auf uns sie kontaktieren das Flugzeug und weisen auf den Fehler hin.  Ich werde hier nun zunächst die Originalkommunikation stehen lassen und diese dann für alle die kein Englisch verstehen übersetzen.

Tower weist auf Fehler hin

"Air Serbia 86C, Tower. Are you familiar that you entered runway by Delta 5 Intersection?"
Crew: "Yes, TORA is two two, actually, sorry, TORA is ah One Two Seven Three Meters, I assume that is not enough."
Lotsen: Okay, Calculate and call me, if you need you can commence backtrack and line up  Delta Six.
Crew: Okay, able to depart via Delta Five

Der Tower kontaktierte die Crew von Marathon mit dem für sie aktuellen Callsign Air Serbia86C, direkt nachdem falsch eingebogen wurde "Sind sie sich  bewusst, dass Sie über Kreuzung Delta 5 auf den Runway gerollt sind?" Die Crew reagiert auf den Ruf vom Tower und bestätigt:  Ja, TORA 2.2 ah genaugengenommen ... Entschuldigung ist 1.273 Meter. Ich gehe davon aus, dass das nicht reichen wird."
In diesem Moment wird der Crew die Situation bewusst und sie stellt fest, dass die verbliebene Reststartbahn von Auffahrt D5 nur 1273 Meter beträgt, also deutlich weniger als die Hälfte der Gesamtlänge. Entsprechend ist die erste Reaktion" Ich gehe davona us, dass das nicht reichen wird.

Das übliche Vorgehen wäre nun lansgam über die Startbahn zur nächsten Abfahrt zurück auf den Taxiway (Rollbahn) zu rollen und dann zur eigentlich vorgesehenen Intersection D6 zu rollen und ich dort zum Start auszurichten. Generell sind Piloten angehalten ausreichend Sicherheitsreserven für ein mögliches Problem einzuplanen.  So muss ein möglicher Triebwerkausfall oder Startabbruch immer einkalkuliert werden. Gründe dafür können vielfältig sein, z.B. ein Vogelschlag oder ein technisches Problem.

Der Tower reagiert professionell: "Okay, prüfen Sie das nach und melden Sie sich, wenn Sie für einen Line-up über Delta 6 umkehren möchten." Auch der Tower geht davon aus, dass die Startstrecke zu kurz sein wird und bietet der Crew etwas Zeit an ihre Situation neu zu prüfen und dann entsprechend abzurollen und sich bei D6 zum Start auszurichten.
Vollkommen überraschend meldet sich die Crew zurück und funkt: Okay, wir können von Delta5 (D5) abheben. 
Die Crew beginnt dann den verhängnisvollen Startlauf.  Zunächst kommt es dabei laut Videobildern beim rotieren zu einem sogennanten Tail-Strike.  Da das Flugzeug bei Versuch des hochziehens nicht schnell genug ist und dabei nicht genug Auftrieb entwickelt geht die Nase hoch und das Heck schleift über den Boden. Anschliessend  kollidierte der zweistrahlige Jet mit Teilen der Anflugbefeuerung der Piste bevor er rund 500 Meter hinter dem Ende der Runway abhob aber zunächst kaum stieg. Rund 2 Kilometer hinter der Startbahn erreichte das Flugzeug nur eine Höhe von rund 50 Fuß (ca 15,2 Meter). Aufgrund der starken Beschädigung an der Rumpfstruktur stieg das Flugzeug dann auf eine Höhe von rund 4.000 Fuß (1.220 Meter) und flog dort einige Schleifen um die Checklisten abzuarbeiten und Treibstoff zu verbrennen. Nach einem Vorbeiflug um die Schäden von außen optisch prüfen zu lassen landete das Flugzeug nach etwas weniger als einer Stunde wieder stark beschädigt in Belgrad.

Warum startete die Crew dennoch?

Die minimal empfohlene Startstrecke (inklusive beschriebener Sicherheitsreserven) beträgt laut Hersteller bei Betankung für 500 Nautische Meilen (ca. 926km) bereits 1432 Meter. Der Crew war bewusst, dass die Reststrecke die zum Start zu Verfügung stand nur 1273 Meter betrug.  Wieso die Crew entschied dennoch mit so wenig Reststrecke einen Startversuch zu wagen ist aktuell nicht bekannt und Gegenstand weiterer Untersuchungenen.

Dabei wird neben der Befragung der Crew auch der Cockpit Voice Recorder (Stimmenaufzeichnung aus dem Cockpit) und die Handbücher und Trainingstandarts der Fluglinie untersucht. 

Prinzipiell ist es natürlich möglich mit weniger Startstrecke möglich abzuheben, da immer Sicherheitsreserven in die angegeben Minnimums eingeplant werden. Dies ist aber natürlich verboten. Das es diese Sicherheitsreserven gibt hat einen guten Grund.

Wie genau die Piloten zu der fatalen Entscheidung kamen und ob ein zusätzliches technisches Problem auftrat ist nun Gegenstand der Untersuchungen der Behörden.  Diese Untersuchungen werden meist multinational durchgeführt. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine griechische Fluglinie welche mit einer in Dänemark registrierten und in Brasilien gebauten Embraer in Serbien auf einem Flug für eine serbische Fluglinie in einen Unfall verwickelt war. Es ist also davon auszugehen das unter der Leitung Serbiens eine große Untersuchung gestartet wird.  Oftmals werden auch Experten der NTSB - der wohl führenden Behörde für Flugunfälle hinzugeholt.

Ziel dabei ist es alle Faktoren die zu dem Unfall führten zu analysieren, aufzuklären und Ratschläge oder gesetzliche Anweisungen zu geben, damit sich der Fehler niemals wiederholt und die Luftfahrt noch sicherer wird. Ziel ist es, dass kein Fehler zwei Mal gemacht wird.

Video vom Tail-Strike während des verhängnisvollen Start der Embraer195. Deutlich zu sehen, dass das Flugzeug in diesem Moment mit der ativen Klappenstellung zu langsam zum abheben war.

Beschädigung nach der Landung.

Autor:

Christian Maskos aus Düsseldorf

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