Mein Hochwassererlebnis liegt weit in der Vergangenheit

Die Kühe schwammen in Ammerbach (am südlichen Rande Jenas), die Saale war weit über die Ufer getreten, als in meiner Kindheit wolkenbruchartiges Wetter „mein Jena“ wahrlich überschüttete.

Am Fuße des „Friedensberg“ (Jena-west) nahmen wir an, davon nicht betroffen zu werden. Falsch gedacht! Aus dem Forst strömte das Wasser durch die Forthohle derart stark, dass es unsere Friedrich-Schelling-Straße in einen Fluss verwandelte. Da die Straße aber breit genug war, trat das Wasser kaum über das Straßenbett hinaus auf Bürgersteig oder gar die Wiesen vor den Häusern und erreichte die Häuser nicht besorgniserregend.

Als Kind war es ein wunderbares Erlebnis, da es für uns mit keiner bedenklichen Beeinträchtigung verbunden war. So kam ich auf die Idee, am Ausgang der Forthohle eine Art Staumauer zu bauen – mit seitlichem Abfluss, um deren Überschwemmung zu verhindern.
Diejenigen, welche durch die Forsthohle zu ihren Gärten oder zurück wollten, konnten dies seitlich über eine höher gelegene Wiese „wasserfrei“ schaffen.

Den angestauten See nutzten wir für Papierboote und „physikalische Versuche“. Den Abfluss gestalteten wir so, dass da ein selbstgebasteltes hölzernes „Mühlrad“ eingehängt und vom Waser gedreht werden konnte.

Wie immer im Leben kam dann aber auch jemand, der weder Verständnis für unser Spiel aufbrachte noch uns die Spielfreude gönnte.
Dieser ältere Herr fluchte, dass ihm die Staumauer den Weg versperre. Auch wollte er den trockenen kleinen Umweg nicht gehen. Dass er selbst ohne unsere Staumauer durch fußhohes Wasser waten müsse, schob er achtlos mit einer Handbewegung zur Seite.
Dann stocherte er mit seinem Stock in der Staumauer herum – bis er durchkam. Im Nu barst die Staumauer an dieser Stelle und ergoss sich ein gewaltiger Wasserstrahl derart über diesen Herrn, dass er vom Bauch abwärts triefend nass wurde – und nun erst richtig zu schimpfen anfing.
Wir aber hatten von höherem Gelände aus alles fröhlich betrachtet und lauthals kommentiert. Unter unserem Gelächter ging der ältere Herr nun doch den trockenen Weg in total nassen Sachen.
Als er später wieder zurückkam, flüchteten wir uns vorsichtshalber wieder auf das höhere Gelände. Er aber ging nur kopfschüttelnd und etwas vor sich hin brabbelnd die Straße hinunter – über den trockenen Weg in sichtlich noch nassfleckiger Hose.
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Sicher wird es auch heute, bei den aktuell wahnsinnig schlimmen Hochwassern, freudiges Spiel am Rande des Geschehens geben. Die Nöte und Ängste der Erwachsenen sind schon groß genug, dass man Kindern dies lassen sollte. Ihr Spiel ist keine Nichtachtung. Mitunter ist es auch eine Flucht aus der Angst, die sie spüren aber mit der sie anders nicht klarkommen.

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Autor:

Uwe Zerbst (Gotha/Thüringen) aus Bochum

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