Als ich echt einen besonderen Vogel hatte

Alles spricht momentan über den freien Papagei in Thüringen, dessen Geschrei die Menschen stört. Da fiel mir das Zusammenleben mit meinem besonderen Vogel ein.

Als ich noch in Familie (vor zirka 30 Jahren) mit den Kindern Rad fahrend die Umgebung erkundete, waren wir eigentlich gar nicht weit vom Zuhause entfernt, als einer der beiden einen Wellensittich am Wegrand sah. Bei näherem Hingucken und Herangehen blieb dieser sitzen und sah uns nur von der Seite an „Was wollt ihr denn?“

Wir stimmten schließlich ab, den offensichtlich zahmen aber nicht richtig fliegen könnenden Vogel mit heim zu nehmen. Ein Bauer für ihn war auch fix beschafft, so dass er nun auf dem Sims der Schankwand stand und wir uns gegenseitig bestaunten.

Pflege und so alles drumherum nahm ich gerne an, weil er ja eigentlich zu meinem ständigen Begleiter wurde. Ja, da er wohl nicht fliegen konnte – oder besser nicht wollte – ließ er sich liebend gerne auf meine Schulter setzen. So gingen wir beide in der Wohnung und im Haus umher.

Natürlich begleitete er mich auch mehrmals, als ich meine Frau von der Schule abholte. Völlig frei auf meiner Schulter sitzend stieg ich mit ihm ein und fuhr zur Schule. Die Kinder dort sahen das und lachten, zeigten mit dem Finger auf uns und sagten sich untereinander sicher: Der hat ja wirklich einen Vogel . . . !

Auch und gerade im Winter saß er auf meiner Schulter, wenn ich durch den Schnee den Aschekasten hinaus schaffte. Da kam mir mal ein älteres Ehepaar entgegen. Als sie vorüber waren meinte die Frau „Haste gesehen, der hat einen Vogel?!“
Ich drehte mich verständig lächelnd um – beide wurden rot und gingen schnell weiter. Sie meinte es ja genau so, wie es war, dachte aber wohl, dass ich es falsch verstanden haben könnte.

Wenn wir auf dem Balkon (Hochparterre) saßen, war mein Vogel immer auf der Schulter, die am weitesten vom Geländer weg war. Setzte ich mich um, so lief er am Hals entlang auf die andere Schulter.
Und wenn er doch mal runter rutschte und fast im Sturzflug auf den Boden klatschte, dann brauchte ich nur langsam zu gehen – er kam mir ohne zu murren hinterher gelaufen.

Einige Monate hatte ich diesen besonderen Vogel. Als er aber mal mit in der Küche war und von der Schulter meiner Frau in die heiße Pfanne rutschte, da war es um seine Beine und damit um den Wellensittich geschehen.
(Wenn ich mich recht erinnere, haben wir ihn dann am Zaun des Gothaer Tierparks begraben.)

Autor:

Uwe Zerbst (Gotha/Thüringen) aus Bochum

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