Wenn Behinderte in die „Heinrich Heine“-Bibliothek wollen, . . .
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. . . dann ist das gar nicht so einfach!
Am gestrigen Dienstag war ich mit zwei sehbehinderten Schwestern zum Test-Besuch in der „Heinrich-Heine“-Bibliothek im wunderschönen „Winterpalais“.
Ziel des Besuchs war herauszufinden, was Sehbehinderte stört oder vermissen, um sich ebenfalls in der Bibliothek zurechtzufinden.
Am Haupteingang steht „Barrierefreier Zugang vom Karolinenhof“. Das war klar. Diesen Hintereingang hatte ich ja bereits bei der Bibliothek-Eröffnung gesehen. Der Pfeil, wie man dahin kommt, zeigt nach links. Wir also zu dieser Seite und dem Tor, durch welches man in den Innenhof und somit zum beschriebenen Eingang gelangt. – Denkste!
Das Tor war zu. Selbst, wenn es nicht verschlossen gewesen sein sollte, war kein Griff zum Aufklinken dran.
So ging ich zurück und zur Anmeldung. Dort wurde mir mit einer Selbstverständlichkeit gesagt, dass man zu dem Hintereingang eben andersherum ums Haus gehen müsse.
( Weshalb dann der beschriebene Hinweis? )
Nun holte ich die Schwestern ab und ging mit ihnen den langen Weg um das ganze Gebäude herum. Das Stück vom Parkplatz bis zum gepflasterten Innenhof war zwar kurz, aber steinig und für den Rollator der einen Schwester wahrlich ätzend. Doch gemeinsam schafften wir es.
Links neben der Tür hätten wir bei „Bibliothek“ klingeln können, wären wir gefragt worden, weshalb wir durch diesen Eingang wollten und wären schließlich eingelassen worden. Da aber gerade ein „Chip-Mensch“ da war, wurde uns diese Prozedur erklärt aber dabei höflich die Tür geöffnet.
Nun standen wir in der Bibliothek. Kein Hinweis wo die Anmeldung ist, zu der man über den Haupteingang ja direkt kommt.
Nun gut, ich wusste ja Bescheid und konnte den Schwestern alles zeigen.
Das Café fanden sie ganz toll. Allerdings beim Getränkeautomat würden sie Hilfe benötigen. Doch das war uns allen Dreien klar, dass es eine Reihe von Dingen geben würde, wo eine Hilfs- oder einweisende Person nötig ist.
Über den Fahrstuhl gelangten wir ins Obergeschoß. Wieder freudiges „Oh!“ wegen der strahlend freundlichen Helligkeit, der breiten „Wege“ zwischen den Regalen und der großzügigen Gestaltung! Auch der „Info“-Stand wurde sehr lobend registriert.
Dass die Katalog-Computer nichts für Sehbehinderte sind, weil die Schrift zu klein ist, kann man feststellen – ist aber keinerlei Kritik. Gleiches gilt für die großzügigen Computer-Leseplätze.
Schließlich waren wir bei den Hörbücher-Regalen. Deren Ausziehbarkeit und gefällige Form fanden freudigen Anklang. Dass auch mehr als bequeme Sitzgelegenheiten mit Ohrhörern zum Anhören nahe bei standen, war natürlich sehr angenehm empfunden. Eine notwendige Hilfe beim Einlegen der CD’s war uns wieder sofort klar.
Das Aufsuchen der Toilette sowie deren Benutzung war freilich auch ein Testgang. Große Anerkennung dieser Örtlichkeiten! In der Damentoilette sitzt man allerdings nicht nur auf der Brille sondern auch etwas mit auf dem Behälter für Hygienemittel. Als ich diesen hinter die Tür stellte, war zwar dieses Gefühl für spätere Besucherinnen behoben, doch nun stieß die Tür an den Behälter – müsste ein Stopper in den Boden eingelassen werden.
Dass die Toiletten des Obergeschosses nicht für alle Behinderten nutzbar sind, tut der Sache keinen Abbruch, weil eine Behindertentoilette im Erdgeschoss vorhanden ist.
In der „Gustav-Freytag-Galerie“ fiel auf, dass die Regalbeschriftung zu hoch angebracht ist. Für 1,80m-Leute einfach zu lesen, müssen Mittelgroße hochschauen und ist es somit für Sehbehinderte schwer, nahe heran zu kommen, weil dann die Schrift in Kopfhaarhöhe ist.
Habe es mir angesehen: Ein um etwa 5cm tieferes Anschrauben der Tafeln geht, dass die bisherigen Schraublöcher dann dennoch nicht sichtbar werden.
Damit schlossen wir den Testgang ab – wobei ich immer wieder eine der Schwestern von den Bücherregalen regelrecht wegziehen musste, weil sie ein großer Bücherwurm ist und einfach nicht von alleine los kam.
Nun wollten wir wieder zur Hintertür hinaus. Dort steht ein Schild, welches darauf aufmerksam macht, doch die Haupttür zu benutzen, weil diese hier alarmgesichert sei.
Hm! Ein Hinweis für Behinderte, sich bitte bei der Anmeldung zu melden, um hinausgelassen zu werden, wäre ergänzend gut. Dass dies funktionieren würde, versicherte uns wiederum der Mann, welcher mit seinem Chip die Tür für uns öffnete.
Mit einer insgesamt erfreulichen Bilanz des ersten Bibliothekbesuchs der beiden sehbehinderten Schwestern verließen wir das „Winterpalais“!
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Der Leser wird sich vielleicht fragen, warum ich die Kritikpunkte nicht einfach der Bibliotheksleiterin gesagt habe, um sie abzuschaffen oder erklärt zu bekommen, weshalb da nix gemacht werden könne?
Es sind meines Erachtens keine unüberwindlichen Dinge. Sie zeigen nur, dass und wie man Behindertensichtweisen stets mitbeachten muss, man sie mitunter zu klein einschätzt.
Schließlich wollte ich deutlich machen, dass ich entsprechend meines Beitrages
Karla Henze (Optikerin) --- SEHBEHINDERTE –-- Nicole Strohrmann (Leiterin der „Heinrich Heine“ Bibliothek) echt weiter um das „Willkommen für Sehbehinderte“ in dieser wunderschönen Bibliothek bemüht bin.
Als ich nachmittags kurz bei der Optikerin Karla Henze reinschaute, habe ich gespürt, wie auch sie ganz intensiv an diesem Thema weiter interessiert ist und . . . – Nein! Verrate hier nix!
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Autor:Uwe Zerbst (Gotha/Thüringen) aus Bochum |
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