Abenteuer Einzelhandel

Auf einem dieser zur Zeit allgegenwärtigen Wahlplakate lese ich den Sinnspruch:
"Ladenöffnung statt Ladenschluss"
Falls man Inhaber eines Einzelhandelsgeschäftes ist,oder Verkäufer/in in demselben, fragt man sich: Was will dieser Typ mir damit sagen?
Als Inhaber eines Einzelhandelsgeschäftes hat man nie "Ladenschluss", man arbeitet von Montags bis Samstags in der Regel von 8.30 bis 18.30 Uhr durchgehend, Pausen finden statt,wenn gerade mal kein Kunde im Laden steht,oder sonstige Arbeiten wie Ware auspacken,auszeichnen,einräumen,Regale säubern etc.ansteht.
Gut,damit kann man die Angestellten belasten,sofern der Kontostand bei der Hausbank die Beschäftigung eines Mitarbeiters ermöglicht,und gut,da gibt es ja auch noch die beliebten Praktikanten.
Wären da nicht auch noch die lästige Buchhaltung für das Finanzamt, das Warenwirtschaftssystem, in welches jedes noch so kleine Artikelchen verbucht werden muss,damit die Inventur auch stimmig ist.
Dann noch die regelmäßigen betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Berichte für die stets im Nacken sitzende Hausbank.
Und dann geht es in Zeiten der Krise natürlich um die Kundenbindung.
Da muss man sich was einfallen lassen,Rabattaktionen,nächtliche Candlelight-Shoppings,verkaufsoffene Sonntage ( das macht dem Unternehmer richtig Freude)
Wenn man dann nach einem Tag,der vielleicht umsatzstark war, und nicht gerade diese nervtötende Kundin da war,die immer genau das sucht,was gerade nicht da ist, nach Hause kommt,kann es passieren,daß just nach zwei Stunden der Muße Ihre Sicherheitsfirma anruft und Ihnen mitteilt,daß leider die Alarmanlage losgegangen ist und Sie sofort kommen müssen.
Wenn Sie Glück haben,war es ein Fehlalarm.
Jetzt sagen andere, schön,als selbstständiger Unternehmer hast Du viel Arbeit,aber Du bist Dein eigener Chef und kannst Dein Geschäft mit Engagement und Fleiss nach vorne bringen.
Wenn man sich als Einzelhändler eine Sparte ausgesucht hat, die nicht durch Discounter oder Internet-Anbieter verseucht ist,mag das stimmen,aber gibt es das überhaupt noch?
Dann gibt es noch die ganz armen Menschen,die sich einem sogenannten Franchise-System anvertraut haben.
Das ist das Wunderheilmittel,welches die Banken und Steuerberatungsfuzzies
verkaufen (Früher nannte man das Geschäftskredit)
Hier haben Sie dann einen durch den Franchisegeber durchgestylten Laden,mit einem durchgestylten Warensortiment,welches vom Franchisegeber vorgegeben wird.
Der Kredit,den Sie bei Geschäftsübernahme nun meistens von der Bank brauchen,wird verschönert durch Franchisegebühren an den Franchisegeber.
Abzüglich der Miete,der Umsatzsteuer, des Lohnes für Ihren Mitarbeiter,den Lieferantenrechnungen und Steuerberatungsgebühren bleibt in den seltensten Fällen ein Unternehmergehalt von Format übrig.Nicht zu vergessen,daß der Staat Ihnen ja auch noch die Einkommenssteuer abgreift.
Und für Kranken-und Rentenversicherung sorgen Sie bitte auch selber.
Und Ihnen wird dann zusätzlich noch der Controller von der Systemzentrale vor die Nase gesetzt, (das sind diese BWLer,die in Sekundenschnelle ganze Flipcharts vollkritzeln können und auf deren Stirn "Rohertrag" steht)
Der kontrolliert dann,ob Sie als Geschäftsinhaber auch alles richtig machen, Unternehmer sind Sie dann nicht mehr.
Besagtes Wahlplakat stammte übrigens von der Partei, die eigentlich irgendwann einmal den Mittelstand vertreten und fördern wollte.
Einen Mittelstand,der mittlerweile in Deutschland fast nicht mehr existiert und die die wenigen "Einzelkämpfer",die weiterhin im Einzelhandel arbeiten dann auch noch mit solchen dummen Sprüchen belabert.

Autor:

Katja Pütz aus Alpen

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