Weltwoche: Interview mit Pfarrer Dietrich Weinbrenner

Pfarrer Dietrich Weinbrenner ist vom Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung.
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Die erste „Wittener Weltwoche“ unter dem Motto „Niemand is(s)t für sich allein“ findet vom 15. bis 23. September statt. Zahlreiche Veranstaltungen und Vorträge beschäftigen sich mit globalen Fragen und suchen „Wege aus der Ernährungskrise“.

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Nicole Schneidmüller-Gaiser sprach mit Pfarrer Dietrich Weinbrenner vom Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung über die Weltwoche und ihre Ziele.

Niemand is(s)t für sich allein - der Titel deutet an, dass unser Konsumverhalten Auswirkungen auf andere Menschen hat: auch in fernen Ländern?
Dietrich Weinbrenner: Durch die globalisierte Wirtschaft sind wir mit Menschen aus allen Kontinenten verknüpft, auch wenn wir es nicht direkt merken. Viele Dinge des täglichen Gebrauchs werden im Ausland produziert, oft unter Arbeitsbedingungen, die Menschenrechte verletzen und international gültige Vereinbarungen unterlaufen. Auf den Kakaoplantagen in Westafrika arbeiten Hunderttausende von Kindern, von dort bezieht Deutschland 90 Prozent seines Kakaos. Während der Weltwoche wollen wir auch den Fairen Handel voranbringen, dessen Produkte sind „sauber“.

Was hat sich für uns in den Industrienationen durch die Globalisierung verändert?
Ein Kennzeichen der Globalisierung sind die Qualitätssprünge im IT-Bereich und im Bereich der Kommunikation. Hiervon haben vor allem die Industrieländer profitiert, denken Sie nur an die Finanzmärkte und an die Börsen, an denen auch mit Lebensmitteln spekuliert wird, mit schlimmen Folgen für die Armen. Die Regeln des Welthandels werden durch Organisationen bestimmt, in denen die Industrienationen das Sagen haben, zum Beispiel durch die Welthandelsorganisation oder den Internationalen Währungsfonds. Deshalb sind die­se Regeln auf die Interessen der Industrienationen ausgerichtet. „Entwicklungsländer“ haben da wenig zu sagen. Die Globalisierung beschert uns billige Waren, die in den Ländern des Südens produziert werden.

Und was macht die Globalisierung mit „den anderen“, also mit den Menschen auf der anderen Seite?
Sie sind Opfer des sogenannten „freien Weltmarktes“. Konzerne aus den Industrieländern lassen dort produzieren, wo es am günstigsten ist, wo die Umwelt- und Arbeitsschutzauflagen am geringsten sind und wo es keine oder nur schwache Gewerkschaften gibt. Die Leidtragenden sind die Arbeiter, die für Hungerlöhne schuften, denen verbriefte Rechte vorenthalten werden. Ich habe das in Indonesien selbst sehen können bei Fabriken, die auch für deutsche Unternehmen arbeiten. In der Weltwoche weisen wir auch auf andere Probleme hin, etwa auf den Ankauf von riesigen Landflächen in den „Entwicklungsländern“ durch andere Staaten oder durch Konzerne, die darauf ­Lebensmittel für ihre eigene Bevölkerung anbauen oder sogenannten Energiepflanzen für unseren Auto-Sprit. Die lokale Bevölkerung wird dabei oft von ihrem Land vertrieben. Kleinbauern in Westafrika, die Hühner gehalten haben, verloren ihre Lebensgrundlage, weil der Markt von billigen Hühnchenteilen aus der EU überschwemmt wurde. Diese Beispiele zeigen, dass auch unserer Alltag in diese globalen Zusammenhänge verstrickt ist.
Schaut man ins Programm, fallen ungewöhnliche Veranstaltungsorte auf.
Absolut! Wir wollen bewusst auch an Orte gehen, die auf den ersten Blick aus dem Rahmen fallen. Eine Kneipe oder die Show-Küche eines Einrichtungshauses - das sind Orte, wo man diese Themen vielleicht gar nicht erwarten würde. So erreichen wir Menschen auch außerhalb des Dunstkreises von Kirche. Wir bieten den Besuch eines Hofes an, wo man sich über den biologischen schlau machen kann. Regional einkaufen ist ein gutes Rezept, das spart Transportkosten und schont die Umwelt.

Zwei Veranstaltungen richten sich an ganz junge Menschen und an die ältere Generation - warum?
Wer schon im Kindesalter lernt, bewusst mit Ressourcen umzugehen, dem fällt entsprechender Konsum später nicht schwer. Wer früh begreift, dass massenhafter Fleischverbrauch zum Hunger in der Welt beiträgt, kann später seinen Speiseplan entsprechend gestalten. Und bei jedem Einkauf, bei jeder Tasse Kaffee, bei jeder Bluse, die ich kaufe, kann ich zum Beispiel Einfluss nehmen, unter welchen Bedingungen Frauen in der sogenannten Dritten Welt arbeiten müssen.

Wie kommt es, dass die evangelische Kirche Initiator der ersten Weltwoche ist?
Biblisch gesprochen ist jeder Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen - ob in Afrika, Asien, Lateinamerika oder in Deutschland. Dies gibt uns als Kirche und als Christen eine Verantwortung, die über den eigenen Tellerrand hin­ausgeht. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben in Würde, dieses Menschenrecht hat einen höheren Wert als das Recht eines Konzerns, so viel Gewinn wie möglich zu machen.

Autor:

Lokalkompass Witten aus Witten

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