Gelungene Aufführungen
Wie gelangt man bei einem Stoff wie „Einer flog über das Kuckucksnest“ über das bloße Abspulen eines Realismus hinaus, der mit der legendären Verfilmung des Stoffes mit Jack Nicholson eh nicht konkurrieren könnte?
Die Schüler des Schiller-Gymnasiums exerzierten dies mit einer akzentuierten Darstellung vor. Vor karger Kulisse aus wenigen Stühlen, Kisten und einer Plexiglasscheibe brannten sie ein Feuerwerk der Überreaktionen ab, welche sowohl den Druck der psychiatrischen Anstalt als auch denjenigen der Gesellschaft, die diese Institution trägt, eindrucksvoll in den Zuschauerraum transportierten. Durch den Film weltberühmt ist die Geschichte einer Gruppe Verwirrter, die von einer diabolischen Schwester tyrannisiert werden, bis Randle P. McMurphy die Bühne betritt, der unfreiwillig zum Heilsbringer wird und zuletzt sein Leben für die anderen Insassen gibt.
Dabei ist der virile Zocker stets überkreuz mit den Reglementierungen der Gesellschaft und dies dokumentiert sich in Steffen Lötzsch Spiel in einer hochgradig emotionalen Abwehrreaktion gegen alle Regeln der Station. Und genauso reagieren alle anderen Insassen permanent in extremen Ausbrüchen auf alles, was nach einer Befreiung von der Unterdrückung oder etwa von der sexuellen Zwangslage auf der reinen Männerstation aussieht.
Was auf den ersten Blick wie ein extremer Sexismus des Stückes anmuten könnte, entpuppt sich so als existenzielles Überwasserhalten ohnmächtiger Insassen. Bis in die Nebenrollen artet jede Gefühlsregung, ob Furcht, Zorn oder Euphorie, in überspanntes, teils verstörendes Geschrei aus, und das selbst dann noch, als die Verzerrungen sich in einer nächtlichen Party zu lösen beginnen.
Besonders sinnfällig werden die exzessiven und verzerrten Emotionen durch den stotternden Billy Bibbit, genial dargeboten von Frederik Nachbar, der in seinem bis in die kleinste körperliche Regung stammelnden und zögernden Gebaren jede dieser Überreaktionen auf geradezu tragische Weise zu verpassen scheint und in dem Exzess einfach nicht mitzuhalten vermag. So treten all die emotionalen Äußerungen der anderen noch deutlicher hervor.
Flankiert wird all dies durch die souverän von Lea Weischer verkörperte, diabolische Schwester. Kaum mag man glauben, dass McMurphy sie aus der Fassung bringen wird, angesichts der gleichbleibenden, berechnenden Bosheit, mit der hier das Stück seine jeweils neuen, eskalierenden Richtungen empfängt.
Schillernd komplementär wirkt hier der in seiner facettenreichen Komik von Conrad Luka dargestellte Reverend Dale Harding, passend bekleidet im messingfarbenen Rollkragenpullover.
Und dann ist dann noch der Indianerhäuptling Bromden, der in der Bühnenversion in eigentümlich kafkaesken Monologen eine Parallelaktion zur Handlung vollzieht. Matthias Bremshey ist in dieser Rolle auf überzeugende Weise verzweifelt, hoffnungsvoll, stumm, laut und von den Ereignissen gezeichnet.
Die Zuschauer dankten es den Darstellern mit lautstarken Ovationen.
Autor:Jacqueline Probst aus Witten |
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