Erinnerungstafel: Kerstin und Hendrik Glathe erforschten die Geschichte ihres neuen Heims
Eine neue Gedenktafel wurde am Haus Nordstraße 16 angebracht. Sie erzählt eine Geschichte, die die Eigentümer des Hauses als Urheber der Tafel mit Recherche-Hilfe des Stadtarchivs Witten in Erfahrung gebracht haben.
Hauseigentümer Kerstin und Hendrik Glathe erklären: „Sich in ein über hundert Jahre altes Haus zu verlieben, es zu kaufen und zu bewohnen heißt nicht nur, die architektonischen Vorzüge der Gründerzeit, wie hohe Räume, knarzende Holzdielen und Stuck verzierte Fassaden zu schätzen. Es bedeutet auch, neugierig zu sein auf die Menschen, die hier einmal gelebt haben, wissen zu wollen, ob sie glücklich oder traurig hier waren. Ein altes Haus macht Geschichte lebendig.“
Geschichten von Zeitzeugen gesammelt
Also erkundigten sie sich nach den Vorbesitzern, sammelten Geschichten von Zeitzeugen und erfuhren von dem konkreten Erleben einer Familie, zu einer Zeit, die den meisten nur abstrakt aus dem Geschichtsunterricht bekannt ist. Sie erfuhren von einer Familie, die in Witten glücklich war, deren zwei Söhne hier ihre Kindheit verbrachten, deren Vater Jude war. 1938 verließ diese Familie das Haus. „Warum?“, fragten sich die Glathes, und ihre Recherchen führten sie über die Wittener Lokalliteratur schnurstracks ins Stadtarchiv. „Die Vertiefung in die Akten, die Bilder, die fachkundige Betreuung durch die Mitarbeiter des Stadtarchivs entfächerten das Leben angesehener Wittener vor uns, und auch das abrupte Ende dieser scheinbaren Idylle.“
Ganz persönliche Berührung auf der Spurensuche
Zu den Recherchen kommt überraschend eine ganz persönliche Berührung mit der Geschichte, auf deren Spurensuche sich die Glathes machten: „Eines Tages bekamen wir überraschenden Besuch. Der jüngere Sohn der jüdischen Arztfamilie klingelte bei uns. Er ist alt und wollte das Haus seiner Kindheit noch einmal sehen, bevor er sterben würde. Uns wurde schlagartig bewusst, dass hier, wo wir uns so wohl fühlen, einmal eine Kindheit und eine Familie zerrissen wurden.“
In Absprache mit dem Stadtarchiv und mit dem dankbaren Einverständnis des letzten noch lebenden Familienmitglieds der in der Nazizeit vertriebenen Familie, beschlossen die Hauseigentümer schließlich, diesen Baustein der Wittener Geschichte sichtbar zu machen.
„Wir möchten den am Haus vorbeigehenden Menschen einen Gedanken mitgeben, eine Erinnerung aufrechterhalten, die uns für die Zukunft lernen lässt“, laden Kerstin und Hendrik Glathe die Wittener und ihre Gäste zum Lesen der Tafel ein.
Autor:Lokalkompass Witten aus Witten |
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