Mithat & "Günna": Zwei Ringer-Legenden oder Römische Olympia-Erinnerungen

50 Jahre nach Rom und vor der Trophäen-Sammlung des türkischen Doppel-Olympia-Siegers präsentieren die beiden Finalisten ihre olympische Medaille.          amö-Fotos
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  • 50 Jahre nach Rom und vor der Trophäen-Sammlung des türkischen Doppel-Olympia-Siegers präsentieren die beiden Finalisten ihre olympische Medaille. amö-Fotos
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Zwei Ringer-Legenden
lassen das Weltergwichts-Finale
noch einmal Revue passieren

Nach dem olympischen Endkampf wurden Bayrak und Maritschnigg Freunde

Über ein halbes Jahrhundert ist inzwischen vergangen, als anno 1960 der türkische Weltklasseringer Mithat Bayrak und der technisch versierte SUA-Athlet Günther Maritschnigg - seit langem zwei lebende Ringer-Legenden - in Rom um olympisches Gold kämpften.

Wir blenden zurück: In der sonnendurchfluteten römischen "Basilica di Massenzio" herrschten Treibhaustemperaturen, und die Ringermatte glühte. Sechs zwölfminütige (!) und erfolgreiche Mattenduelle im klassischen griechisch-römischen Stil lagen schon hinter den beiden Top-Athleten, als es im Weltergewichts-Endkampf um die finale olympische Krönung ging.

"Mein Plan war eigentlich ganz einfach: siegen oder fliegen", erinnert sich Günter Maritschnigg und erläutert weiter: "Ich sagte mir: 'Komm, Günter, du hast schon Silber, geh aufs Ganze! Volles Risiko!' Einmal nicht aufgepasst, und schon lag ich auf'm Buckel. Aus die Maus. Ende im römischen Gelände. Und mein schöner Traum vom Gold war nach genau 107 Sekunden beendet. Ich hatte Silber und Freund Mithat nach Melbourne 1956 seine zweite Goldmedaille." Dagegen sagt Doppel-Olympia-Sieger Mithat Bayrak: "Als Titelverteidiger hatte ich natürlich einiges zu verlieren. Ich wusste, der Junge aus Deutschland ist stark. Also lautete mein Plan: Angriff! Und das hat überzeugend funktioniert."

Ein halbes Jahrhundert ist seitdem vergangen. Und keiner hätte es je für möglich gehalten, dass die beiden Finalisten von Rom auf ihre alten Tage schon seit längerer Zeit quasi nur einen Steinwurf weit nebeneinander wohnen. Logisch, dass sich zwischen den lebenden Ringer-Legenden eine echte Männerfreundschaft entwickelte.

Mithat Bayrak, inzwischen 82 Jahre, klagt über das ein oder andere Zipperlein, und darüber, dass er nicht mehr täglich mit seinem treuen Schäferhund Murat seine obligatorische Runde in Herdecke drehen kann. Auch Günther Maritschnigg, 78, inzwischen mit zwei künstlichen Hüftgelenken ausgestattet, musste für seinen Ringerleidenschaft körperlichen Tribut zahlen. "Man ist zwar zu sportlichem Ruhm gekommen, aber 'Knete' konnte man damals in Deutschland mit einer olympischen Medaille nicht machen", resümiert der ewige SUA-Mann.

Bemerkenswert anders dagegen der Status des zweifachen türkischen Goldmedaillengewinners Mithat Bayrak: Während Deutschlands Maritschnigg neben hohen Belobigungen und zahlreichen Anerkennungen lediglich vom damaligen Bundesinnenminister Gerhard Schröder das silberne Lorbeerblatt, die höchste sportliche Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland, überreicht bekam, wurde der "Dominator vom Bosporus" für seine herausragenden Erfolge nicht nur mit zahlreichen Ehrungen, darunter auch eine Briefmarke mit seinem Konterfei, überhäuft, sondern auch noch vom türkischen Staat für jeden Olympia-Sieg mit einem Grundstück belohnt und darüber hinaus - sehr zum Erstaunen von Sportfreund Maritschnigg - auch noch mit einer lebenslangen staatlichen Rente ausgestattet. "Die Türkei ist nun mal spendabel und vergisst seine einstigen Helden nicht", meint schmunzelnd Mithat Bayrak.

Als "ganz, ganz traurig" finden die beiden Ringer-Legenden natürlich den sportlichen Abstieg ihrer Vereine SU Annen sowie KSV Witten. Und ein vernichtendes Urteil fällen die Experten und ehemaligen Griffkünstler über das Ringen im Allgemeinen wie im Besonderen: "Richtige Griffe sieht man überhaupt nicht mehr. Ringen, wie wir es jedenfalls verstehen, findet doch nur noch ganz selten statt."

Autor:

Alfred Möller aus Witten

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