Kommentar
Bahnhof in Witten-Annen: "Barrierefreiheit gleich null"
Mit dem 9-Euro-Ticket durch ganz Deutschland: Viele Menschen haben das Bahnfahren für sich (wieder-)entdeckt. Auch die Wittener sind auf Bus und Bahn umgestiegen – wenn möglich. Dass zum Beispiel das Bahnfahren nicht immer alle Menschen einschließt, zeigt der Bahnhof Witten-Annen Nord.
Ich selbst bin in Annen aufgewachsen und kenne die Gegend wie meine Westentasche. Natürlich habe ich als Jugendliche den öffentlichen Nahverkehr genutzt, um auch mal rauszukommen - und nutze ihn heute noch. Zum Shoppen mit Freunden ging es dann oft nach Dortmund, denn die Nachbarstadt ist von diesem Stadtteil aus besonders gut und schnell zu erreichen – möglich macht’s der Bahnhof Witten-Annen Nord. Seit dieser Zeit hat sich erschreckend wenig geändert.
Ein Problem wird hier besonders deutlich: Ein barrierefreier Zugang ist nicht vorhanden. Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist, hat keine Chance den Steig zu erreichen: Erst müssen zwei lange und steile Treppen überwunden werden. Aber auch anderweitig gehbeeinträchtigte Menschen - mit und ohne Rollator - oder Eltern mit Kinderwagen haben es hier schwer. Leserin Andrea Rahn ist davon betroffen und muss Umwege in Kauf nehmen. Sie schreibt uns auf Facebook: „Entweder fahren wir in die Stadt oder nach Kruckel, um mit der S-Bahn zu fahren. Barrierefreiheit gleich null! Rollstuhlfahrer haben keine Chance mit der Bahn zu fahren. Je nachdem wie fit Rentner mit Rollatoren sind, klappt es auch nicht.“
100 Bahnhöfe pro Jahr barrierefrei
Das Problem: Barrierefreiheit für den ÖPNV ist im Personenbeförderungsgesetz vorgeschrieben - das umfasst den Bus-, U- und Straßenbahnverkehr, nicht aber die Eisenbahn und Bahnhöfe, wie uns ein Bahnsprecher schreibt: "Selbstverständlich fördert die Deutsche Bahn aber die Mobilität für alle und macht klimafreundliches Reisen so einfach wie möglich. Beim Aus- und Umbau ihrer bundesweit 5.700 Bahnhöfe berücksichtigt sie die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. 90 Prozent der Reisenden gelangen heute bereits stufenlos bis zum Bahnsteig. Pro Jahr baut die Deutsche Bahn bundesweit rund 100 Bahnhöfe barrierefrei um. 79 Prozent aller Bahnhöfe sind bereits stufenfrei erreichbar." Das gilt nur leider nicht für den Bahnhof Annen. Hieran wird sich auch leider in Zukunft erstmal nichts ändern. "Am Bahnhof Annen-Nord sind aktuell keine Maßnahmen in Planung. Die barrierefreie Modernisierung erfolgt grundsätzlich in Absprache mit dem Land und dem Aufgabenträger (in diesem Fall VRR)", heißt es weiter. Der VRR wiederum verweist auf die Deutsche Bahn als Verantwortlichen in der Sache - da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Sauberkeit und Sicherheit
Weitere Mankos des Bahnhofs, die auch unsere Leser bemängeln, sind Sauberkeit und Sicherheit. „Als ich noch in Annen gewohnt habe und ich den Zug nehmen musste, hab‘ ich mich unwohl gefühlt! Auch wenn regelmäßig in der Unterführung gestrichen wurde, fand ich es immer ekelig… es stinkt da auch immer", schreibt uns etwa Stefanie Röper, und sie ist nicht die einzige. "Ein furchtbarer Bahnhof. Weder gepflegt noch sauber. Zudem kaum Sitzmöglichkeiten. Über den Geruch brauchen wir gar nicht sprechen. Ich laufe nicht gerne über die Gleise, empfinde allerdings die Unterführung als eine Zumutung. Würde auch am liebsten die Koffer dadurch tragen", erzählt Sandra Kothen. Der Wohlfühlfaktor hält sich hier also - gelinde gesagt - in Grenzen. Dazu die Bahn: "Jeder Bahnhof wird regelmäßig gereinigt. So auch der Bahnhof Witten-Annen Nord, der drei Mal wöchentlich gereinigt wird." Die 3-S-Zentralen (Service, Sicherheit, Sauberkeit) sind in diesem Fall zuständig, für Annen ist es die 3-S-Zentrale Essen, Ruf 0201/1821055 - hier können Fahrgäste Hinweise zur Verschmutzung hinterlassen. Und vielleicht ein Hinweis an alle Wildpinkler, die sich dem Geruch nach gerne in der Unterführung aufhalten: Öffentliches Urinieren wird mit einer Geldstrafe von 35 bis 5.000 Euro bestraft - in besonders schweren Fällen kann es eine Freiheitsstraße von bis zu einem Jahr geben.
Um die Unterführung zu vermeiden, wäre ein weiterer Zustieg seitens der Stockumer Straße wünschenswert - aber Baumaßnahmen stehen aktuell - wie bereits angegeben - nicht in Aussicht.
Motor aus
Anwohner ärgern sich darüber hinaus auch über den Verkehr um den Bahnhof herum. Sabrina Schick dazu: "Das Verkehrsaufkommen an der Schranke und der entstehende Rückstau sind wirklich enorm. Die Fahrzeuge stellen trotz Schild den Motor in der Regel nicht ab. Ich würde es begrüßen, wenn es eine Möglichkeit gäbe, diese Situation zu entschärfen." In diesem Punkt sind natürlich die Autofahrer gefragt: Der Sprit ist teuer wie nie, das Warten an der Schranke lang, die Lösung einfach: Motor aus.
Zusammenfassend zeichnet sich also kein gutes Bild für den Bahnhof Annen ab - und so schnell wird sich etwa in punkto Barrierefreiheit hier nichts ändern. Pendlern und Anwohnern bleibt die Möglichkeit, Mängel bei der Bahn zu melden und ansonsten heißt es weiterhin - Nase zu und durch. Ich bin jedenfalls froh, dass ich mittlerweile ohne Umweg auf unseren Hauptbahnhof ausweichen kann.
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Autor:Nicole Martin aus Witten |
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