Kurze Replik zu Bremens rot-grüner Reformbaustelle

aus Erziehung & Wissenschaft 5/2012, Seite 26
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Kurze Replik zu den rot-grünen Reformbaustellen (E&W 5/2012, 26 f.) aus Sicht eines Behinderten

1982 wurde ich im Alter von 12 Jahren aufgrund einer schweren Hirnverletzung nach Straßenverkehrsunfall zu einer schwerstbehinderten Person und 2004 an der Universität Bremen mit einer Dissertation, die der Allgemeinen Behindertenpädagogik und damit dem Institut für Behindertenpädagogik (übersetzt wurde dieses Institut seinerzeit für die englischsprechenden WissenschaftlerInnen in Institute for Special Education and Inclusion) zuzuordnen ist, promoviert. Nach der oben genannten Publikation hat man sich wohl von der Sonderpädagogik ganz und gar getrennt und ist zum „Vorreiter bei der Inklusion“ avanciert. Das stimmt mich, der ich nach meiner erworbenen Hirnschädigung, von der Klasse 8 an bis zum Abitur im System Sonderschule unterrichtet wurde, sehr froh! Leider ist dieses Vorreitertum in der Inklusion in der LehrerInnenausbildung noch nicht so weit vorangeschritten. An der Universität Bremen werden die Studierenden wohl nach wie vor in der Sonderpädagogik ausgebildet. Schaut man hier nämlich auf die URL http://www.uni-bremen.de/studium/studienangebote/lehramt/berufsziel-lehramt-inklusive-paedagogiksonderpaedagogik.html [Download: 14.05.2012] dann kann an der Universität Bremen das Lehramt Inklusive Pädagogik/Sonderpädagogik studiert werden. Das Ziel Inklusion, für welches sich als Studienfachberaterin Frau Professorin Simone Seitz verantwortlich zeigt, ist also immer noch sonderpädagogisch unterlegt. Und das stimmt uns behinderte Fachleute missmutig! Es wurden also nur die Fachtermini vertauscht. Aus Special Education, resp. Sonderpädagogik/Inclusion wurde Inklusion/Sonderpädagogik.
Schauen wir nun weiter in das Veranstaltungsverzeichnis, welches über die URL http://www.bpaed.uni-bremen.de/lehre/kommentare.html#VA-1 [Download: 14.05.2012] abrufbar ist. Wird wenigstens hier auf das Sonderpädagogische verzichtet? Wer Letzteres vorfinden möchte wird enttäuscht, denn auch das Veranstaltungsangebot ist mit sonderpädagogischen Themen, die heute aber wohl ausschließlich der Förderung dienen, besetzt, als da beispielsweise wären:
„Einführung in den Förderschwerpunkt Sprache“;
„Einführung in den Förderschwerpunkt soziale-emotionale Entwicklung“;
„Grundlagen der Förderdiagnostik“;
„Psychologisch-pädagogische Beratung in behindertenpädagogischen Handlungsfeldern“;
„Lehren und lernen unter erschwerten Bedingungen“;
„Einführung in den Förderschwerpunkt Lernen.“

Was ist zu tun? Bremen scheint, aus der Perspektive eines behinderten Sonderschulerfahrenen, im schulischen Bereich auf einem guten Weg zu sein. Nur muss zum Erreichen der Inklusion die Sonderpädagogik auch in der LehrerInnenausbildung an der Universität eliminiert werden. Erst wenn dieser Schritt vollzogen ist, können wir von einer Inklusiven Pädagogik sprechen! Solange aber dieser endgültige Schritt nicht vollzogen ist, erscheint die Inklusion als eine verbalerotische Nebelkerze, die ein separierendes System vorhält.

aus Erziehung & Wissenschaft 5/2012, Seite 26
aus Erziehung & Wissenschaft 5/2012, Seite 27
Autor:

Dr. Carsten Rensinghoff aus Witten

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