Der Zug ist da und die Schranke oben - neue Panne an der Pferdebachstraße (18.12.14)
Ein Zug hält, und ein Auto passiert den Bahnübergang. Ja, die Reihenfolge der Wörter ist richtig. Und wieder einmal geht es um den Bahnübergang an der Pferdebachstraße. Am Donnerstag (18.12.2014) gegen 12.43 Uhr traute ein Anwohner auf jeden Fall seinen Augen nicht, als er auf den Bahnübergang schaute – und dort die S-Bahn nach Dortmund stehen sah. Die Behelfsschranke, die den Bahnübergang eigentlich sichern sollte, war offen. Und dann – näherte sich auch noch ein Fahrzeug und fuhr über den Bahnübergang, während sich die S-Bahn keinen Zentimeter bewegte.
Anwohner Marc Bänsch hat die Szene fotografisch festgehalten und auf Facebook wurde bereits wenige Minuten später ausgiebig über das Geschehen diskutiert; aus den Schlagzeilen kommt die Schrankenanlage auf jeden Fall nicht heraus.
Was ist passiert? Nun, ein Handy-Akku hat versagt, so Bahnsprecher Dirk Pohlmann auf Nachfrage von Witten aktuell am besagten Donnerstag. „Mitarbeiter der Bahn verständigen sich über GSM-R. Wenn sich ein Zug nähert, wird der Sicherheitsdienst vor Ort verständigt, der schließt dann den Bahnübergang mit einer Behelfsschranke. Als man ihn gegen Mittag anrief, er sich aber nicht meldete, hat der Fahrdienstleister sofort den Lokführer alarmiert, der daraufhin sofort das Tempo gedrosselt und am Bahnübergang angehalten hat.“ Eine Gefahr für den querenden Autoverkehr oder Fußgänger habe zu keinem Zeitpunkt bestanden, bemüht sich der Bahnsprecher zu betonen.
GSM-R Kommunikationsnetz
Zur Erklärung: GSM-R bezeichnet das Global System for Mobile Communications – Rail. Dies ist das eigene, digitale Kommunikationsnetz der Bahn, und entsprechend werden die Mitarbeiter auch mit entsprechenden speziellen Kommunikationsgeräten ausgestatte. Nur ob GSM-R-Gerät oder Aldi-Handy: Ohne Akku – kein Empfang. Und so hieß es am Donnerstag: Von den vor Ort zuständigen Sicherheitskräften, die eigentlich die Schranke, wenn ein Zug kommt, schließen sollen, hat schlichtweg niemand den Akku aufgeladen. Und als der Fahrdienstleiter Donnerstag die S-Bahn ankündigen wollte – verhallte sein Anruf im digitalen Nirvana.
Die Schranke an der Pferdebachstraße bereitet Anwohnern, Bundesbahnern und Autofahrern nicht erst seit dem Unfall am 2. Dezember graue Haare. Am 19. Juli 2011 versagten die Schranken erstmals spektakulär ihren Dienst und ließen sich nicht mehr senken. Während des gesamten Vormittags lief der Autoverkehr dabei ganz normal weiter – während die S-Bahnen im Schneckentempo über die Bahngleise krochen und oft nur durch laute Pfeifsignale die ihnen zustehende Vorfahrt erhielten! Erst gegen Mittag rückte an jenem Sommertag ein Sicherheitsdienst an und regelte den Verkehr. Auf Nachfrage hieß es seinerzeit bei der Bahn, am Übergang sei es schon in den Wochen zuvor immer wieder zu kleineren Technikproblemen gekommen. Offenbar ging man seinerzeit jedoch von einem normalen Verschleiß aus. Man darf nicht vergessen: Das, was man als Laie Schranke nennt, ist nur ein Teil eines komplexen Systems, das so konzipiert ist, dass der Ausfall einer Komponente normalerweise nicht das gesamte System lahm legt: Was jedoch im Nachhinein zu der Spekulation Anlass gibt, dass die Fehlfunktion 2011 wohl schon etwas größer gewesen sein muss.
Immer wieder haben Techniker seither Reparaturarbeiten an der Schranke ausgeführt, bis diese am 27. November ihren Dienst nach einem Kurzschluss eingestellt hat. Um den Verkehr zu regeln, wurde das Duisburger Unternehmen CS-Bahndienste mit der Sicherung des Übergangs betraut. Als Schranke für Fußgänger und den motorisierten Verkehr dienten zunächst Flatterbänder, nun eine Behelfsschranke. Am Abend des 2. Dezembers jedoch stand der Übergang offen, als er hätte versperrt sein müssen. Ein 52-jähriger Herner hatte Glück im Unglück. Sein Auto wurde von der S-Bahn mitgeschleift, er überlebte den Zusammenstoß mit vergleichsweise leichten Verletzungen.
Update 20. Dezember 2014
Inzwischen verlautet aus Kreisen der Bahn, eine Störung des GSM-R-Telefons sei verantwortlich für das kuriose Geschehen am Bahnübergang – und kein leerer Akku. Letztlich aber spielt der Grund für die Störung nur eine untergeordnete Rolle. Es gab eine weitere Störung. Sie ging glimpflich aus, weil Fahrdienstleitung und Lokführer in dieser Situation alles richtig gemacht haben. Sie nun aber mit einem Lächeln zu den Akten zu legen – damit ist es nicht getan.
Auf jeden Fall ist man auch bei der Stadtverwaltung wenig über das Geschehen an der Pferdebachstraße amüsiert. Mögen die Reparaturarbeiten am Bahnübergang auch in den Verantwortungsbereich der Deutschen Bahn fallen, hat die Bürgermeisterin auf jeden Fall in der Woche nach dem Unfall einige Gespräche mit Verantwortlichen der Bahn geführt: „Selbstverständlich muss die Deutsche Bahn ihr Agieren selber organisieren und verantworten", so die Bürgermeisterin, „aber als Vertreterin aller Bürgerinnen und Bürger Witten habe ich noch einmal bei der DB angerufen und appelliert, dass die Sicherheit der Wittenerinnen und Wittener umgehend durch eine neue Schranke gewährleistet wird."
Im Gespräch, heißt es, habe sie die Rückmeldung bekommen, „dass eine neue Schranke bis Ostern 2015 installiert sein soll, was bei einer sonst üblichen Reparaturdauer von 18 Monaten zeige, dass die Bahn alles auf Schnelligkeit setze." So die Bürgermeisterin nach dem Unfall – aber vor der neuen Panne.
Man kann davon ausgehen, dass man bei der Stadtverwaltung den 18. Dezember nicht unbedingt unkommentiert zu den Akten legen wird. So oder so: Selbst wenn der Bahnübergang bis Ostern fertig sein sollte - Autofahrer und Fußgänger werden sich an der Schranke auf längere Wartezeiten einstellen müssen, da die Mitarbeiter vor Ort angehalten sind, die Schranken so früh wie möglich zu schließen. Sofern die Kommunikation funktioniert...
Update 10. Januar 2015
Auf Nachfrage hat die Deutsche Bahn inzwischen bestätigt, dass sie den April als Fertigstellungstermin anvisiert hat, sofern die Wetterbedingungen mitspielen. Weitere Informationen gibt es in diesem Artikel.
Autor:Christian Lukas aus Witten |
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