Zu Eis erstarrt
Es ist einfach ein Traum! Seit zwei Wochen herrschen bundesweit sibirische Minustemperaturen und selbst hier im Ruhrgebiet können wir mit stolzen zweistelligen Frostwerten protzen. Sämtliche Teiche sind zum Eislauf-Event geworden. Selbst die Außenalster in Hamburg und der Aachener Weiher in Köln sind zum Eislaufen freigegeben. Und ausgerechnet die Schulden geplagte Wittener Gemeinde hat dieses Kleinod im Naherholungsgebiet Hohenstein: den Hammerteich! Knapp ein Meter tiefer rechteckiger Teich, wo im Sommer Modellboot-Begeisterte ihre Prachtstücke über die Wasserfläche gleiten oder eben rasen lassen – den Enten zum Trotz oder Leid. Jetzt aber ist der Teich zugefroren. Der blaue Himmel spiegelt sich im etwa 20 – 30 cm dicken Eis, es hat ja kaum geschneit in den letzten Wochen. Selbst der im Teich mündende Bach weit stromaufwärts ist von einer dicken Eiskruste bedeckt – ungewöhnlich ist es, da es aber seit Wochen frostig ist, kann selbst fließendes Wasser der Kälte nicht mehr trotzen. Sonne, knisternde Kälte und überall dieses Glitzern der Eiskristalle, das an ausgeschüttete Swarovski-Juwelen erinnert. Und natürlich die glücklichen, rotwangigen kleinen, grossen und erwachsenen Kinder, die nicht genug von der Freiheit bekommen, endlich draussen an der frischen Luft übers Eis vor der prächtigen Naturkulisse zu schlittern. Die Deutschen gelten weltweit als die unglücklichste Nation. Hier ist nichts von der sagenumwobenen, chronischen Unzufriedenheit der Deutschen zu spüren. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass Witten einen solchen Teich hat. Denn die Tiefe des Gewässers, der stabile Wasserspiegel – im Gegensatz zum toten Ruhrarm bei Haus Kemnade und Trinkwasserreservoirs – garantieren beste Festigkeit des Eises. Menschen aus dem gesamten Ruhrgebiet strömen hierher, vor den Crépe und Bratwurstständen tummeln sich lachende Klicken, und der Schlittschuhverleih kommt auch auf seine Kosten. Ein Traum für Gross und Klein! Ein Traum, der nur ein Traum bleiben soll. Denn die Stadt Witten weigert sich, die Eisfläche frei zu geben. Nicht weil das Eis WIRKLICH zu dünn ist. Nein, die benötigten offiziellen 10 cm sind schon längst überschritten, das Eis ist dick genug, um einen LKW (3.5 t) zu befördern. Auch nicht wegen dem schwankenden Wasserspiegel, der Wasserspiegel im Hammerteich ist ziemlich stabil, seit Wochen hat es nicht getaut und geregnet, es sind in den nächsten Tagen auch keine Überschwemmungen zu erwarten.
Auf die telefonischen Anfragen beim Betriebsamt Grünflächen, warum das Eis nicht freigegeben wird, bekommt man schnell Antworten: Das Eis wäre zu dünn. Offiziell gelten die 10 cm als sicher. Haben wir schon längst. Oder: Der Teich müsse komplett zugefroren sein! Ist er. Sogar darüber hinaus. Tagsüber taue das Eis weg! Bei konstanten Minusgraden selbst in der prallen Sonne? Und das schönste: »In Köln herrschen andere Temperaturen!« Stimmt! um ca. 5°C wärmer ist es dort! Erst, als die Argumente ausgehen, kommt eine plausible Antwort: die Freigabe kann nicht erfolgen, weil niemand dafür zuständig ist. Und im Paragraphenurwald gibt es keinen, der dafür vorgesehen ist. Hier zitiert derwesten.de (WAZ) am vom 8.2. Michael Rohde (62) vom Betriebsamt Grünflächen: »Aufgrund der Größe des Teichs müssten es mindestens vier Mitarbeiter sein, die zumindest so lange an der Eisfläche aufpassen, wie es hell ist«. Seit wann gibt es diese Bestimmung? Wenn das Eis dick genug ist, um LKWs zu tragen, warum müssten dann überall Posten aufgestellt werden? Damit jemand nicht ausrutscht? Dann müsste an jeder zugefrorenen Pfütze vier Wachen stehen, denn: Wonach wird die Anzahl des Wachpersonals bestimmt, nach der Grösse des Gewässers oder pauschal pro Wasser(Eis)loch?
Mit solchen Antworten untergräbt die Behörde nachhaltig ihre Glaubwürdigkeit und Kompetenz. Jeder erwachsene Mensch, sofern er die Grundschule erfolgreich absolviert hat, ist in der Lage den Unterschied zwischen 10 und 30 cm mit blossem Auge zu erkennen. Auch ist es bekannt, dass Köln im Rheinland liegt und dort grundsätzlich viel wärmer ist. Und dass der Teich bis in den hintersten Winkel von einer soliden Eisdecke bedeckt ist, sehen sogar anhand der Fußspuren sogar die Kinder. Warum bekommt man dann solche Antworten? Wird der Bürger für blöd gehalten? Oder ist die Behörde nicht in der Lage die Eisdicke korrekt zu messen? In beiden Fällen muss etwas geändert werden. Der Bürger möchte nicht belogen oder von einer unfähigen Behörde regiert werden.
Aber auch die Medien scheinen von der Haltung der Stadt zu profitieren und machen aus dem echten – und völlig normalen – Winter eine Ausnahmesituation. Derwesten.de (WAZ) macht das scheinbar unvermeidlich tödliche Freizeitvergnügen zum täglich Brot, das die Titelseiten der Zeitung im Netzt und auf dem Papier schmückt. Selbst der so risikofreudige Reinhold Messner wird da als Leserköder gebraucht, um den Ausmaß der Gefahren bis ins Unermessliche aufzublähen. Oder umgekehrt nützt der Medienstar die Thematik, um sein Buch zu vermarkten, in dem es um seine Antarktis(!)reise geht. Witten aktuell möchte auch gerne mit im Boot sein und setzt noch einen drauf: Im Artikel vom letzten Mittwoch (8.2.2012) steht Schwarz auf Weiß: »Das Eis trägt an manchen Stellen noch nicht einmal das Gewicht eines Kleinkindes.« Das würde bedeuten, dass das Eis auf dem Hammerteich noch nicht einmal 2 cm dick ist. Wo und wann hat der auch dort zitierte Leiter des Grünflächenamtes Michael Rhode diese Messungen durchgeführt? Wo zwei Wochen, vielleicht? Oder einfach wo anders? Den Hammerteich konnte er jedenfalls unmöglich gemeint haben.
Derwesten.de schreibt: »Bereits in den vergangenen beiden strengen Wintern habe die Stadt den Hammerteich nicht mehr frei gegeben, erinnert sich Rohde: »Wir haben uns da anderen Kommunen wie Bochum, Dortmund oder Essen angeschlossen, die in solchen Entscheidungen Vorreiter waren.« Im bereits erwähnten Online-Artikel (derwesten.de, 8.2.2011) steht klipp und klar: »Doch die Fläche ist von der Stadt nicht freigegeben. Und das wird auch so bleiben.« Selbst wenn der Teich bis zum Grund zugefroren ist? Ist eine solche Pauschalisierung nicht absurd?
Da würde es vielleicht helfen, dem Nachbarn über die Schulter zu schauen. In den deutlich wärmeren Niederlanden wäre es undenkbar, das Betreten der Eisflächen zu verbieten. Sicher wird auch dort geprüft und geschaut, und auch dort werden die Messergebnisse veröffentlicht. Auch wird die Freigabe der Eisflächen abgewartet. Aber bei so viel Wasser könnte sich das Land nicht leisten, das Betreten der Eisflächen zu verbieten. Wie haben die Niederländer es denn geschafft als Nation zu überleben, wenn die Behörde das Leben den Bürgern selbst überlässt? Das Leben außerhalb der Eisflächen ist nicht minder gefährlich. Täglich(!) sterben deutschlandweit laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) 11 Menschen beim Verkehrsunfall, trotzdem kommt keiner auf die Idee, uns die Teilnahme am Strassenverkehr zu verbieten. Und die meisten Unfälle passieren in privaten Haushalten, trotzdem dürfen wir weiterhin kochen, bügeln, mit Holz heizen, Rasen mähen und heimwerken. Wäre ein Schild: »Das Betreten der Eisfläche auf eigene Gefahr. Eltern haften für ihre Kinder« nicht sinnvoller? Da wäre die Stadt rechtlich aus dem Schneider und der Bürger gewarnt… und glücklich.
Autor:Olga Betermieux aus Witten |
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