Phil Ortiz: Simpson-Comiczeichner in Witten-Annen
Phil Ortiz ist nicht einfach nur ein amerikanischer Comiczeichner. Er war bei der Geburt der TV-Serie „Die Simpsons“ dabei und gehört zu ihren Zeichnern der ersten Stunde. Seit 24 Jahren bestimmen „Die Simpsons“ sein Leben. Seine berühmteste Figur ist Ned Flanders, er ist der Zeichner, der Ned Flanders ein Gesicht gegeben hat! Aus der Serie stieg er 1993 aus, um sich fortan im Auftrag von Simpsons-Erfinder Matt Groening den Simpsons-Comics als einer der hauptverantwortlichen Zeichner zu widmen. Und wo trifft man einen Mann, der für seine TV-Arbeiten für „Die Simpsons“ (und Mitte der 80er für die „Muppet Babys“) als Zeichenkünstler insgesamt fünf Emmys, also Fernsehoscars, gewonnen hat? Selbstverständlich an der Schlemmerbude an der Dortmunder Straße in Witten-Annen.
Moooment! Schlemmerbude? Bei Pommes und Currywurst? An der Dortmunder Straße? In Witten-Annen? Tatsächlich. Am Montag (14.1.2013), am späten Nachmittag, schaute Ortiz auf einen kleine Imbiss vorbei und natürlich erwarteten ihn einige Simpsons-Fans um zu schauen, wie denn wohl der Mann aussieht, der nicht nur Ned Flanders entworfen hat, sondern auch Figuren wie Apu Nahasapeemapetilon oder dem Rowdy Nelson. Hat er einen Überbiss wie die Charaktere, die er zeichnet? Oder gelbe Haut? Phil Ortiz lächelt, wenn man ihn auf solche Dinge anspricht: „Die Simpsons sind mein Job. Ich arbeite seit 20 Jahren an den Comics, vorher habe ich an der TV-Serie mitgearbeitet. Die Simpsons sind also definitiv ein Teil meines Lebens. Aber ich glaube, ich kann die Realität noch ganz gut von ihrer Phantasiewelt unterscheiden; wenn ich den Stift beiseite lege, dann bin ich einfach Phil Ortiz und von Beruf Comiczeichner.“ Einfach ist es für den freundlichen 59-Jährigen Amerikaner allerdings nicht, den Stift einfach beiseite zu legen, denn sobald bekannt wird, womit der Amerikaner sein Geld verdient, dann will jeder von ihm sofort ein Autogramm. Aber natürlich keinen einfachen Namenszug. Nein, eine Simpsons-Zeichnung soll es bitte sein. Und wenn möglich, dann auch noch ein persönliches Porträt, Oberbiss inklusive.
Simpsonizing ist eigener Begriff
Auch in Witten blieb ihm dies nicht erspart. Und Phil Ortiz kann improvisieren. Den Wagen seines deutschen Kollegen Klaus Leven funktionierte er zum Zeichenstudio um (da es im Wagen eine Heizung gab und er somit keine kalten Finger beim Zeichnen bekam), und dann legte er los. Mit einer bekannten Persönlichkeit, deren Foto ihm als Vorlage diente: Sonja Leidemann. Die kennt in Witten jeder. Wie aber sieht Wittens Stadtoberhaupt als Simpsons-Charakter aus? Phil Ortiz lieferte darauf die Antwort.
Für diese Art des Karikaturzeichnens gibt es sogar einen eigenen Namen: Simpsonizing. Darf Phil Ortiz eigentlich die Bürgermeisterin als Simpsons-Charakter zeichnen? Er ist schließlich „nur“ ein Angestellter von Bongo Comics, dem amerikanischen Rechtegeber der Simpsons-Heftserie. Und der Verlag wird doch mit Sicherheit sein Urheber- und Markenrecht schützen. „Na ja“, sagt Ortiz, „ich muss schon einige Regeln beachten.“ Welche das sind, darüber schweigt er sich aus, jedoch: „Wenn ich etwa nicht-kommerzielle Projekte, zum Beispiel Jugendprojekte unterstütze, dann habe ich fast freie Hand und kann fast alles machen, was ich will.“
Und genau wegen eines solchen nicht-kommerziellen Projektes weilt Ortiz zurzeit in Deutschland. Er ist Mitglied einer Organisation, die sich CartoonArtistsAcrossAmerica & The World nennt, einer Vereinigung von Comiczeichnern, die etwa an Schulen Jugendliche ermuntern, ihre Kreativität mit Stift und Farbe auszuleben und Aggressionen etwa in Bildern und nicht mit Fäusten auszudrücken. Von dieser Organisation gibt es auch einen deutschen Ableger, dem der Bochumer Schlagzeuglehrer und Cartoonist Klaus Leven vorsteht, der selbst viele Jahre in den USA gelebt und gearbeitet hat. Der hat Ortiz eingeladen, seine Arbeit etwa an Schulen in Bochum oder Levens Heimatstadt Recklinghausen vorzustellen; in Bochum wird Ortiz Mitte des Jahres, bei einem weiteren Besuch, sogar ein Jugendprojekt selbst leiten. Leven wiederum ist privat mit den Besitzerinnen der Schlemmerbude befreundet – was wiederum erklärt, was einen amerikanischen Top-Comiczeichner an einem eher unfreundlichen Januar-Montagnachmittag nach Witten an der Ruhr verschlagen hat.
Vom Postdienst ans Zeichenbrett
Ortiz, der ursprünglich als Postbote arbeitete, hat als Zeichner eine bemerkenswerte Vita. Für Warner zeichnete er etwa Bugs-Bunny-Comicstrips, er arbeitete für Disney, schließlich kam er zu den Simpsons. Entstanden sind „Die Simpsons“ ursprünglich als Kurzfilmchen für die „Tracy-Ullman-Show“ 1987. Als sie immer populären wurden und eine eigene Serie an den Start ging, wurde Phil Ortiz von Matt Groening ins Boot geholt. „Die erste Staffel“, erinnert er sich, „war heftig. Wir haben ohne Ende Hass-Briefe bekommen, von Lehrern, die ihren Berufsstand verunglimpft sahen, von Schwulenfeinden, denen wir zu liberal waren, von Kirchenmännern, die sich verunglimpft fühlten.“ Auf der anderen Seite gab es von Anfang an eine treue Fan-Gemeinde, die gerade an den Simpsons lobte, dass sie – im Rahmen einer an sich wertkonservativen Familienserie – manche Bigotterie der US-Gesellschaft anprangerte und entlarvte. Die TV-Serie hat jüngst Grünes Licht für die Staffeln 24 und 25 erhalten. Sollte sie irgendwann einmal eingestellt werden – Phil Ortiz wird seine Comics weiterzeichnen. Dabei sieht er seinen Beitrag bescheiden: „Ich gebe nur den Ideen der Autoren ein Gesicht, sie sind die Genies, ich bin nur ihr Werkzeug.“ Ein Werkzeug, dass den Stil der Comics nachhaltig geprägt hat: Vor 20 Jahren versicherte ihm Matt Groening, die Comics würden für ihn zum Lebensjob. „Und verdammt, er hat Recht behalten!“
Autor:Christian Lukas aus Witten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.