Zurück ins Mittelalter
Folter, Hexenverfolgung, Hinrichtungen, Pest und Schlachten gab es früher in Rees
Die beliebteste Führung in Rees nennt sich „Unterwegs mit dem Nachtwächter durch das mittelalterliche Rees“. Abwechselnd führen Heinz Wellmann, Bernd Schäfer und Tomas Nienhuysen die Teilnehmer durch die dunkle Stadt. Die Nachtwächtertour mit Tomas Nienhuysen beginnt bei Dunkelheit am Reeser Rathaus.
„Gott zum Gruße, ich hoffe ihr seid keine Diebe, Scharlatane, Hexen, oder Beutelschneider“, begrüßt er die Teilnehmer. Im normalen Leben ist Nienhuysen Friseurmeister mit eigenem Salon in Rees. Zur Führung ist er standesgemäß mit altertümlichem Gewand, Laterne, Horn und einer Hellebarde ausgestattet. Mit interessanten und lustigen Geschichten bringt er den rund 20 Gästen das Leben des Nachtwächters näher.
Die Aufgaben des Nachwächters im Mittelalter waren es, durch die Straßen und Gassen der Stadt zu gehen und für Ordnung zu sorgen. Die Stadttore musste er auch verschließen und zusätzlich kontrollieren, ob die Bürger der Stadt beizeiten ihre Haustüre verschlossen und sämtliche Feuerstellen gelöscht hatten. Das mit dem Feuer war besonders wichtig, fast alle Häuser waren aus Holz gefertigt und die Dächer mit Stroh, Reet oder Holz gedeckt – eine vergessene Kerze hätte die halbe Stadt in Brand setzen können.
Wer zu später Stunde noch unterwegs war oder vergaß das Haus zu verschließen oder Feuerstellen zu löschen, die musste der Nachtwächter dem Magistrat melden. Tat er aber meistens nicht! Gegen eine kleine Entschädigung behielt er das genauso für sich, wie die vielen andere Dinge, der er nachts an den Häusern in Erfahrung brachte. Nachtwächter war halt ein ehrloser Beruf, auch die Menschen damals glaubten, wer mit dem dunklen Element so verbunden war, konnte kein ehrenhafter Mann sein, der stand bestimmt mit dem Teufel im Bunde.
Passend zu seiner Rolle singt Nienhuysen zu jeder vollen Stunde die Zeit an: „Liebe Leute lasst euch sagen ...“. Zuvor bläst er kräftig in das Horn.
Die meisten Gäste der Tour kommen nicht aus Rees. Sie kommen aus der Umgebung wie Hamminkeln, Hünxe und Isselburg. Roland Handschuh ist sogar im 8.000 Kilometer entfernten Denver/Colorado zu Hause. Daher können die Besucher bei der Führung auch einige interessante Fakten über Rees erfahren.
Beispielsweise bekommen sie erklärt, dass am 14.07.1228 Rees zur Stadt erhoben wurde, die Geschichte der katholischen Kirche in Rees, die Befestigungsanlagen der Stadt und wie die Stadt im Mittelalter aufgestellt war.
Wie in fast allen Städten gab es kein Pflaster, sondern nur gestampfter Lehmboden auf den Straßen. Sämtliche Tiere wie Rinder, Ziegen, Schweine, Hühner und Enten lebten auf diesen Straßen und entleerten sich einfach auf dem Weg. Auch die Menschen im Mittelalter kannten keine Toiletten und verrichteten ihre Notdurft auf offener Straße. „Die Menschen kannten damals keine Scham und keine Unterwäsche“, erklärt der Nachtwächter. Es stank damals nicht nur erbärmlich und lockte Ratten und Mäuse an, auch Krankheiten wie die Pest konnten sich leicht ausbreiten.
Auch andere dunkle Kapitel des Mittelalter lässt Tomas Nienhuysen bei seiner Reise durch die Geschichte nicht aus. Egal ob Todesstrafen, Folter oder Hexenverfolgung, es gelingt ihm in einer bildhaften Sprache, diese düsteren Aspekte zu vermitteln. Aber auch die damalige Wasserversorgung, wie gehandelt wurde und wie die Menschen in Rees und anderswo im Mittelalter lebten, können die Gäste hier lernen.
Das Reeser Koenraad-Bosman-Museum wird in die Wanderung einbezogen. Am Stadtmodell kann der Nachtwächter den Aufbau der Stadt verdeutlichen und in den unterirdischen Reeser Kasematten wird die Verteidigung erklärt.
Weitere Punkte des Rundgangs sind das Rondell, hier werden die Gäste aufgeklärt, was es mit der Skulptur des Bären auf sich hat. Von dort ist es nur einen Katzensprung zum letzten Punkt der Führung dem Mühlenturm, der im Mittelalter für die Herstellung von Mehl, zur Verteidigung und als Eisbrecher verwendet wurde. Apropos Katzensprung – das ist nur eine von viele Redensarten die aus dem Mittelalter stammen. Woher solche Redensarten wie auch „im Stich lassen“, „den Löffel abgeben“, „Pechvogel“ oder „Torschlusspanik“ stammen, haben die Teilnehmer des Rundgangs übrigens auch erfahren.
Roland Handschuh aus den USA hat viel Neues über Rees mitbekommen: „Rees hat mich schon immer fasziniert.“ Er ist in Bocholt aufgewachsen, hat sich jetzt eine Wohnung in Grieth gekauft und wird zukünftig abwechseln in Deutschland und den Vereinigten Staaten leben.
Auch Tomas Nienhuysen ist zufrieden: „Die Leute haben etwas über Mittelalter und Nachtwächter gelernt, aber auch viel Spaß dabei gehabt.“
Autor:Dirk Kleinwegen aus Rees |
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