Tränen der Freude...
Es ist Mittwoch, der erste Juni, 19.30 Uhr. Ungeduldig reibt sich die Mutter von Anna Isabel Hoppe die Hände. „Eigentlich müssten sie bald da sein“, sie blickt in die Runde der Gruppe, die sich eingefunden hat, um ihre „Abenteurer vom Jakobsweg“ zu empfangen. „Wir haben seit einer Stunde keinen Kontakt mehr. Aber wir wissen, dass sie auf dem Weg von Frankfurt nach hause sind.“
Vor nahezu einem Monat, war die kleine Gruppe mit Handikap, unter der Leitung von Tanja Blecking und Andreas Hetzel aufgebrochen, um auf den Spuren der Pilger, den berühmten Jakobsweg zu gehen. Ausschlaggebend war das Buch von Harpe Kerkeling gewesen, das vor eineinhalb Jahren die Leiterin des Jugendtreffs in Rees auf die Idee brachte, sich mit einigen ihrer Schützlinge auf den Weg zu machen. „Über ein Jahr haben sie trainiert“, weiß Sandra Lücking zu berichten. „Nahezu an jedem Wochenende haben Anna, Nadine Sinnwell, Dominik Meyer und der sechzigjährige Josef Tönnishoff, der aus Xanten zu der kleinen Gruppe hinzu kam, für ihr Vorhaben zwischen zehn bis fünfzehn Kilometer hinter sich gebracht, um fit zu werden.“
Vera Osterhagen schaut auf ihr Handy. „Einmal in der Woche haben wir per Handy und SMS erfahren, wie es unseren Lieben geht. Auch ein Internettagebuch hatten sie unter: www.freizeittreff-jakobsweg.de eingerichtet, bis sie in den spanischen Bergen keinen Empfang mehr hatten.“
19.50 Uhr: Langsam wird die Gruppe, aus nahezu dreißig Leuten, die im inneren des Treffs in der Fallstraße mit einer Überraschungsparty auf ihre „Helden“ wartet, ungeduldig.
„Beunruhigt waren wir nur an dem Tag, als in Lorka das Erdbeben war“, spricht die Mutter von Isabell weiter. „Da waren sie schließlich noch am Vortag gewesen!“
Man spürt die Spannung der Wartenden, bevor sich schließlich die Tür öffnet und sich alle in die Arme fallen können.
„Mensch, du hast ja fast fünfzehn Kilo abgenommen“, entfährt es dem Vater, der stolz seine Tochter in Empfang nimmt. Groß ist die Freude und das Durcheinander, als Andreas zu Wort kommt:„Wir haben schon versucht so fünfundzwanzig Kilometer am Tag zu machen“, berichtet der sichtlich erleichterte Betreuer. „Die Männer hatten etwa zwölf, die Mädels bis zu zehn Kilogramm in ihrem Gepäck, um die 830 Kilometer lange Strecke von Saint Jean Pied de Pord bis nach Santiago de Compostela zu bewältigen. Da wir uns aufgrund unseres bescheidenen Budgets selber verpflegen mussten, haben wir uns dann morgens, vor dem Aufbruch, so zwischen sechs und sieben, noch ein paar Baguette mitgenommen. Abends wurde dann in den bescheidenen Unterkünften häufig auch selber gekocht.“
Da, bis auf einen Tag, nahezu immer die Sonne schien, mussten sich die Teilnehmer auf ihrer Reise meist mit ein bis zwei Wasserflaschen zusätzlich eindecken, um einem Flüssigkeitsverlust vorzubeugen.
„Und keiner von uns hat schlapp gemacht“, freut sich der Begleiter weiter! „Schließlich brechen fast die Hälfte der Pilger, von denen sich auf den einzelnen Etappen in der Saison zwischen zweihundert bis vierhundert bewegen, ihr Vorhaben ab. Die Freundschaft und die Hilfsbereitschaft, die uns entgegen gebracht wurde, hat uns alle begeistert, obwohl wir uns meistens nur mit „Ganzkörpersprache“ in der Masse der Nationen verständigen konnten.“
„Als Belohnung und Andenken an ihre Leistung will sich Isabell eine Jakobs-Muschel auf ihren Arm tätowieren lassen“, sagt ihr Vater, als er die Teilnehmer- Urkunde seiner Tochter in den Händen hält.
Und dann kommt die Schokoladentorte auf den Tisch, die die Lebenshilfe Emmerich spendiert hat.
„Ob ich das noch mal machen würde?“; antwortet Dominik Meyer, lachend auf seine Schuhe blickend. „Wohl nur mit dem Rad, wegen der Steigungen. Aber nicht morgen“, lacht er beim abschließenden Gruppenfoto.
Autor:Frank Apfel aus Rees |
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