Höhen und Tiefen eines Autisten
Rees. Das Leben hat viele Facetten. Eine davon spiegelt sich im so genannten „frühkindlichen Autismus“ wider. Eine Diagnose, mit der Karin und Simon Osborne konfrontiert wurden, als ihr Sohne Adrian gut ein Jahr alt war.
Kein Mensch ist wie der andere und doch verwundert es uns, wenn Menschen Dinge tun, die ungewöhnlich sind. Adrian Osborne zum Beispiel liebt es, sich Karten über den Kopf rieseln zu lassen. „Dass er anders war, als andere Kinder in seinem Alter, war uns schnell klar. Adrian war immer sehr mit sich selbst beschäftigt und hat sogar geschrieen, wenn jemand auf ihn zugekommen ist“, erinnert sich Mutter Karin Osborne. Stereotype Bewegungen wie das Kopfschlagen haben die Eltern des heute Elfjährigen dazu bewegt, das Bett ihres Sohnes weich auszupolstern, damit er sich nicht verletzt.
Noch lebhaft an Adrian erinnern kann sich Mireille Pannen, die damals Leiterin der integrativen Gruppe der Kindertagesstätte Hand in Hand war und heute die U-3-Gruppe der Einrichtung leitet. „Wir hatten damals nur wenig Erfahrungen mit autistischen Kindern und haben viel überlegt und nachgelesen“, erzählt sie.
Außergewöhnlich war zum Beispiel, dass Adrian zeitgleich sprechen und lesen konnte. Da war er dreieinhalb Jahre alt. Mireille Pannen weiß sogar noch, dass Adrians Lieblingsbuch das vom ‚kleinen Maulwurf’ war. „Beim Lesen hat er es genau so betont, wie ich zuvor. Wenn dann jemand mit einer anderen Betonung vorgelesen hat, hat er immer gesagt: ‚Nein, so geht das nicht’.“
„Mit Fünf hat er dann sogar das erste „National Geographic World“ auf Englisch gelesen“, lächelt Simon Osborne, der selbst gebürtiger Engländer ist. „Und dass, obwohl wir ihn aufgrund der Diagnose nicht zweisprachig erzogen haben.“
Auch das Fahrrad fahren hat Adrian nicht wie andere Kinder üben müssen. „Er guckt sich die Dinge einfach lange genug an, lernt sie also theoretisch und setzt sie dann um, wenn er sich sicher ist, dass er verstanden hat, wie sie funktionieren“, beschreibt Karin Osborne.
Was sich wie ein Wunder anhört, ist jedoch weder für Adrian selbst, noch für seine Umgebung leicht. Viele Tränen sind in den vergangenen Jahren geflossen. „Wir waren oft verzweifelt und der Weg bis heute war harte Arbeit“, schildert Karin Osborne. So gehört zum Beispiel auch der Aufenthalt in einer Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu Adrians Leben. „Und er muss noch immer lernen, damit umzugehen, dass sein Körper manchmal Dinge tut, die er nicht beeinflussen kann. Hinzu kommt Adrians Manko im Sozialverhalten. Obwohl er sehr hilfsbereit ist, kann er Emotionen nur schwer einschätzen“, so Karin Osborne. Dafür, dass Adrian mittlerweile Schüler des Gymnasiums Aspel der Stadt Rees ist, ist die Familie Osborne daher besonders dankbar. "Vor allem Adrians damalige Klassenlehrerin Tanja Nobis vom Förderzentrum Grunewald in Emmerich hat so tolle Arbeit mit Adrian geleistet, dass ihm überhaupt erst möglich wurde, das Gymnasium zu besuchen", ergänzt Karin Osborne.
„Wir arbeiten schon seit Längerem am System des sozialen Lernens, bei dem jeder Schüler in seiner Andersartigkeit akzeptiert wird“, erklärt Schulleiter Roman Claus. „Alle beteiligten Kollegen, die sich auf das ‚Experiment’ Adrian eingelassen haben, haben gelernt, dass Integration trotz mancher Schwierigkeiten gut funktionieren kann. Vor allem Adrians Klassenlehrerin, Cordula Hübner, sorgt immer wieder für einen guten Kontakt zwischen Eltern, Integrationshelfer und den beteiligten Institutionen.
„Adrian hat immer das Glück gehabt, sehr engagierte Menschen um sich herum zu haben. Das würde ich mir für jedes Kind wünschen“, kommentiert Karin Osborne. Adrians derzeitiger Wunsch ist es, den Schwarzgurt beim Tae-Kwon-Do zu tragen und wer ihn kennt, weiß, dass ihm seine Motivation bisher immer als Motor gedient hat, seine Ziele zu erreichen.
Autor:Daniela Schlutz aus Rees |
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