Sport in Rees
Reeser Familie mit Fußball in der DNA

Jutta Komescher-van Fürden, Bärbel Flür und Petra Aleweiler zeigen ein Foto der Gründungsmannschaft vor 50 Jahren. | Foto: Dirk Kleinwegen
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Vor 50 Jahren wurde die erste Damenfußballmannschaft in Rees gegründet

Die Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland ist noch relativ jung. Denn bis 1970 durften Frauen in Deutschland keinen Fußball spielen. Zwei Jahre später, 1972 wurde in Bienen die erste Damenmannschaft im Reeser Stadtgebiet gegründet. Jutta Komescher-van Fürden (65) und ihre beiden Schwestern Petra Aleweiler (63) und Bärbel Flür (61) haben die neue Mannschaft initiiert.

Kaum zu glauben aber vor 53 Jahren war das Fußballspielen in Deutschland für Mädchen und Frauen vom DFB noch verboten. „Es wurde gesagt, dass die weibliche Anmut bei diesen Bewegungsabläufen und Zweikämpfen Schaden nehmen würde“, erinnert sich Komescher-van Fürden.
Die Geschichte des Reeser Damenfußballs nahm 1972 in Bienen ihren Lauf. In der Kreuzbaumstraße, in dem die Familie wohnte, wurde von der Stadt ein Spielplatz angelegt, im hinteren Teil ein Fußballfeld. „Dort haben die Jungen angefangen zu spielen und wir Mädchen haben zuerst nur zugeschaut und die Jungs angefeuert“, berichtet Bärbel Flür, „irgendwann haben wir dann einfach mitgespielt.“ Manchmal beteiligte sich auch Ingrid Köster aus Emmerich, wenn diese ihre Großmutter in Bienen besuchte. Köster spielte Fußball in der Damenmannschaft beim DJK Hüthum. Dadurch reifte die Idee zu einer eigenen Fußballmannschaft und die Mädchen sprachen ihren Vater Hans Sent an, der bei Blau-Weiß Bienen als Jugendleiter fungierte. Mit viel Werbung in der Schule, die drei besuchten damals das Mädchen-Gymnasium Haus Aspel, trommelten sie ausreichend fußballbegeisterte Mädchen und Damen zusammen und gründeten unter dem Dach des Blau-Weiß Bienen die Damenmannschaft. Die Mädchen kamen aus dem gesamten Stadtgebiet von Rees.
Den Trainerposten übernahm Josef Arntz, Betreuer wurde Leo Köster. Auch die Eltern der drei Mädchen engagierten sich in der Mannschaft. Der Vater war Jugendleiter die Mutter weitere Betreuerin. Sie hat mit trainiert, betreut und sich sogar um die Wäsche der Mannschaft gekümmert.
In der Saison 1972/1973 wurde der Spielbetrieb aufgenommen. Mannschaften aus der Nähe waren der DJK Hüthum, später kam TUS Haffen-Mehr oder Rheingold Emmerich hinzu. „Am 11. Juni 1973 stand das Damenteam zum ersten Mal auf dem Platz. Die Frauen kickten gegen die Hüthumer und verloren mit 0:16! Hüthum war damals die Mannschaft“, weiß Komescher-van Fürden noch. Doch die Leistungen der Damen verbesserte sich kontinuierlich. 1977 stieg die Mannschaft mit ihrem Trainer Friedhelm Zimmer bereits in die Landesliga auf. Dann spielte man gegen Olympia Bocholt oder Mannschaften im Ruhrgebiet. Ein besonderer Gegner war der KBC Duisburg, die damals erst Niederrheinmeister und anschließend Deutscher Meister wurden. Die aktuelle Bundestrainerin der Frauennationalmannschaft Martina Voss-Tecklenburg stammt aus diesem Verein.
Ganz so weit hat es für die Damen aus Bienen aber nicht gereicht. Sie schwammen meist im Mittelfeld mit. „Wenn wir Pech hatten, stiegen wir halt wieder ab“, so Petra Aleweiler. Aber 1989 und 1993 mit Rainer Gebbing als Trainer und letztmalig 1999 mit Helmut Pollmann als Trainer, stieg die Mannschaft wieder in die Landesliga auf.
Trotz der Erfolge der Mannschaft wurden diese von den männlichen Fußballern in Bienen nicht immer ernst genommen. Bei der Wahl des Fußballplatzes wurden den Herrenmannschaften eindeutig die Prioritäten eingeräumt. Den großen Fußballplatz auf der Cobrinkstraße durften die Damen nur nutzen, wenn die Herren kein Bedarf hatten. Ansonsten musste die Damenmannschaft auf dem Acker spielen, eine alte Wiese mit zahlreichen Maulwurfshügeln und anderen Widrigkeiten. Auch im Vorstand des Vereins Blau-Weiß Bienen war damals keine einzige Frau vertreten.
2002 fielen so viele Mädchen aus verschiedenen Gründen aus, da gab es keine Möglichkeit, die Mannschaft aufrecht zu erhalten. Sie wurde aufgelöst und ein Teil der Damen spielten beim SV Rees weiter. Jutta Komescher-van Fürden selber spielte bis 1993. Im Alter von 36 Jahren hing sie ihre Fußballschuhe an den Nagel, war aber weiter als Trainerin aktiv. Ihre Schwester Bärbel beendete ihre Karriere mit 25, als sie Nachwuchs bekam. Für Petra war bereits mit 18 Schluss. Nach ständigen Verletzungen wie mehreren gebrochenen Füßen und einem Schlüsselbeinbruch, die Schulter geprellt oder der Ellenbogen ausgekugelt, hatte der Arbeitgeber kein Verständnis mehr für die ständigen krankheitsbedingten Ausfälle.
1995 haben Komescher-van Fürden und ihr damaliger Mann Götz van Fürden noch eine Mädchenmannschaft gegründet. Grund war ihre Tochter Nelly. Bis zum Alter von zwölf Jahren durfte sie bei den Jungen mitspielen, in die Damenmannschaft konnte sie erst mit 15 oder 16 Jahren aufgenommen werden. Komescher-van Fürden trainierte auch die neue Mannschaft. Als Realschullehrerin hatte sie keine Probleme sich bei den Mädchen durchzusetzen: „Viele Mädchen waren Schülerinnen von mir. Auf dem Fußballplatz durften sie mich Jutta nennen, im Klassenzimmer wurde umgeswitcht da hieß ich wieder Frau van Fürden. Auch ihren Sohn, bei den Bambinis, hat sie gemeinsam mit Kalli Scholten trainiert.
Auch heute sind die ehemaligen „Sent-Mädchen“ noch Fußball-Fans. Zwei sind Anhänger vom FC Schalke 04, die dritte vom FC Bayern München. Der Nachwuchs der Schwestern und auch die Enkelkinder waren und sind auf dem Fußballfeld aktiv. Alles begann mit den Eltern, die sich auf dem Fußballplatz kennengelernt haben. Die beiden haben auch das Clubhaus mit aufgebaut und dieses einige Jahre lang geführt. Mit den Einnahmen, zuerst aus dem Getränkeverkauf im Schiedsrichterraum und später im Clubhaus, wurde Geld für die Fußballmannschaften generiert. Zuerst das Clubhaus, danach wurde ein Vereinsbus davon finanziert. Mit dem Bus fuhr Vater Sent durch die Reeser Stadtgebiete in bestimmte Siedlungen und holte die Kinder zum Fußballspielen ab. Auch Mutter Sent öffnete jeden Mittag das Clubhaus für die Jugendlichen. Dort konnten sie Fußball spielen oder sich am Kicker vergnügen. „Hauptsache die Kinder waren weg von der Straße, denn Rauschgift war zur damaligen Zeit ein großes Thema und Eltern wussten ihre Kinder gut aufgehoben“, erklärt Komescher-van Fürden.
In einem Zeitungsartikel von 1995 hatte sich Trainer Rainer Gebbing darüber ausgelassen, dass das Verletzungspech bei den Spielerinnen manchmal neun Monate dauern konnte. Im Gegensatz zu den männlichen Fußballern fallen diese nicht nur kurzfristig wegen Prellungen oder Stauchungen aus, sondern werden schwanger und nehmen ihren Mutterschaftsurlaub. Der damalige Betreuer der Mannschaft Hans Ricken, räumte in dem Zeitungsartikel mit dem Vorurteil auf, die Frauen würden fairer oder weniger hart als die Männer spielen:“ Unsere Mädchen sind natürlich sauber. Aber wenn wir im Ruhrgebiet spielen, weht ein anderer Wind. Nur eine Kleinigkeit unterscheidet auf dem Rasen die Frauen von den Männern: Sie spucken kaum und fluchen wenig.“

Autor:

Dirk Kleinwegen aus Rees

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