Barfuß in der Kirche. Wenn Musik alle Regeln sprengt – 30 Jahre Haldern Pop
Haldern. Obwohl der Dauerregen am vergangenen Mittwoch die letzten Aufbauarbeiten für das Haldern Pop Festival erschwerte, waren die Veranstalter glücklich und dankbar für die Abkühlung, die der Natur und den Menschen sichtlich gut getan hat. „Perfektes Festivalwetter“ hörte man den ein oder anderen am Donnerstag munkeln. Wieder einmal ist den Veranstaltern des Haldern Pop ein fantastischer Auftakt gelungen!
So früh wie nie waren die besten Plätze zum Campen bereits am Morgen vergeben und schon wenige Stunden später glich ein Großteil von Haldern eher einer Zeltstadt, als einem Lindendorf.
Dass Musik alle Regeln sprengen kann, wurde schließlich deutlich, als das Festival pünktlich um 16 Uhr in der St. Georg Kirche eröffnet wurde. Andächtige Stille trat ein, als die Stimme von „Luke Sital-Singh“ die Kirche erfüllte. Der 24-Jährige überzeugte mit einer warmen, klaren Stimmfarbe. Er beeindruckte mit einem gewaltigen Volumen. Und es wurde möglich, was sonst unmöglich scheint. Barfuß in der Kirche, auf dem Boden liegend, sich an den Partner herankuschelnd oder einfach nur mit geschlossenen Augen genießend, ließen sich junge Leute aus aller Welt gleichermaßen mit auf eine musikalische Reise nehmen, wie alteingesessene Halderner.
Musikalischer Minimalismus
Tausende pilgerten schon am ersten Tag des Festivals, das sich in diesem Jahr zum 30. Mal jährt, zwischen Festivalgelände und Ortskern hin und her. Unter ihnen auch Thomas aus Berlin. „Ich komme seit sieben Jahren hierher“, schwärmte er. „Ein Freund hat mich infiziert.“ Der Mitvierziger hatte so einige Favoriten auf seiner Liste. Neben dem Isländer „Àsgeir Trausti“, der mit seiner Band in einer prall gefüllten Pop Bar vor einem begeisterten Publikum spielte, war das unter anderem der Komponist „Lubomyr Melnyk“, der sich in der Kirche am Flügel entfaltete. Mit einer irren Geschwindigkeit schnellten die Finger des in der Ukraine geborenen Klaviervirtuosen über die Tastatur und entlockten dem Flügel melodische und rhythmische Aneinanderreihungen, die seine Zuhörer in andere Welten abdriften ließen. „Wir dürfen das hier erleben“, schüttelte Thomas immer wieder ungläubig seinen Kopf. Musikalischer Minimalismus vom Feinsten, der mit „standing ovation“ gebührend belohnt wurde.
Das Streicherquartett „Aheym“ von Bruce Dessner hingegen polarisierte. Was für den einen hohe Kunst war, war für andere gewöhnungsbedürftig oder gar unerträglich. Und auch solche Momente machen das Haldern Pop aus!
Während viele Festivalbesucher wenig später, als Mikal Cronin aus Kalifornien als erster Interpret im Biergarten auftrat, offensichtlich noch in der Findungsphase waren, rockten die vier Jungs von „We Were Promised Jetpacks“ die Bühne am frühen Abend. Schnell hatten sie das Publikum in ihren Bann gezogen und sorgten für ausgelassene Stimmung. Seifenblasen suchten sich ihren Weg durch die Lüfte und ein Fischreiher flog, völlig unbehelligt von der Lautstärke der Musik, in einer Seelenruhe über das Gelände, als Adam Thompson, Sänger der Indie Rock Band aus Edinburgh den letzten Song ankündigte.
Fesselnd
Im Spiegelzelt ging es mit Julia Holter kurz darauf hingegen wesentlich ruhiger und mit experimentellen Klängen zu, bevor die Canadier „Suuns“ auf der Biergartenbühne bis kurz vor Mitternacht mit Stücken ihres Albums „Images Du Futur“ für eine gespenstisch fesselnde Atmosphäre sorgten. Mit John Grant und Gold Panda fand der Tag schließlich seinen Ausklang in den frühen Morgenstunden. Auf dem Zeltplatz hingegen lag Musik, begleitet von zirpenden Grillen, noch lange in der Luft.
Autor:Daniela Schlutz aus Rees |
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