Eine starke Nachbarschaft
Die Karl-Leisner-Straße in Straelen ist nicht besonders lang. Es gibt nicht einmal zwei Dutzend Hausnummern. Aber wer auf dieser Straße unterwegs ist, braucht Zeit. Weil es immer wieder vorkommt, dass der Besucher in ein oder mehrere Schwätzchen verwickelt wird. Mit diesem oder mit jenem Nachbarn. Denn Nachbarschaft wird groß geschrieben auf der Karl-Leisner-Straße. Haus Nummer 1 steht am Anfang, die Bewohnerinnen und Bewohner sind aber mittendrin in dieser lebendigen Gesellschaft. 20 Männer und Frauen mit geistiger Behinderung, die im LVR-HPH-Wohnverbund oder im Ambulant Betreuten Wohnen, sprich in eigenen kleinen Appartements im Haus wohnen. Sie haben hier seit 2001 nicht nur ein Zuhause, sondern auch viele neue Freunde gefunden.
Teamleiterin Elke Hinkelmann kann gar nicht mehr genau sagen, wie alles anfing. „Wir sind unheimlich liebevoll aufgenommen worden. Und der Rest hat sich ganz von selbst ergeben.“ Zum Beispiel durch die Einweihungsparty bei Familie Gehr aus der Nachbarschaft. „Alle aus dem Haus sind gekommen, um mit uns zu feiern“, erinnert sich Bärbel Gehr. „Und sie waren auch am nächsten Tag wieder zur Stelle, um beim Aufräumen zu helfen.“ Es folgten andere Feste, Nachbarschaftspartys, Karnevalsfeiern und mehr. Bei Hochzeiten, Geburten und anderen Anlässen kränzen alle gemeinsam, als der Karnevalsprinz aus Straelen kam, waren die Menschen aus dem LVR-HPH-Wohnverbund natürlich an den Vorbereitungen beteiligt, und wenn die Kirchengemeinde in der Vorweihnachtszeit Maria und Josef durch die Straßen schickt, um eine Herberge zu suchen, öffnet selbstverständlich auch Elke Hinkelmann die Türen. Im Laufe der Jahre hat sich der LVR-HPH-Wohnverbund zu einer Art Treffpunkt entwickelt, der Gemeinschaftsraum ist für Veranstaltungen gefragt. Nachbarin Marlies Richter drückt es so aus: „Straelen hat eine Stadthalle, wir den großen Raum oben in Haus Nummer 1.“
Jeder kennt hier jeden, mit Namen. Ist irgendwo ein Fenster auf, wird kurz geschwatzt, fehlen Eier, Milch oder sonstige Zutaten, helfen Nachbarn aus. Und wenn jemand auf der Straße Fußball spielen möchte, muss er nicht lange auf Mitspieler warten.
Die Menschen aus dem LVR-HPH-Wohnverbund sind alle aktiv, arbeiten in der Werkstatt und sind in ihrer Freizeit viel im Ort unterwegs. „Da kann es im Supermarkt auch schon einmal länger dauern, wenn wir uns dort treffen“, sagt Bärbel Gehr.
Wenn sie, Elke Hinkelmann und Marlies Richter die vergangenen 16 Jahre Revue passieren lassen, dann fällt ihnen eines besonders auf: „Es hat nie Berührungsängste gegeben, nie komische Blicke, nie Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderungen, auch bei den Kindern nicht.“ Der LVR-HPH-Wohnverbund werde als ganz normales Haus angesehen, „als Ein-Familienhaus eben, nur mit mehr Bewohnerinnen und Bewohnern.“
Autor:Yvonne de Mür aus Kleve |
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