"Das versteht kein Mensch"
Björn Lenk ist 17 Jahre und sieben Monate alt. Einen Ausbildungsplatz hat er - Koch ist der Traumberuf - einen Führerschein hat er auch - noch darf er aber nur Auto fahren, wenn ein Erwachsener neben ihm sitzt. Und genau mit diesem Punkt hat Familie Lenk ein Problem.
Björn lebt noch bei seinen Eltern. „Ich verdiene 400 Euro im Monat, davon kann ich mir keine Wohnung oder ein Zimmer leisten, das ist einfach nicht drin“, schätzt der 17-Jährige seine Situation völlig realistisch ein. Er erzählt von einer Bekannten, die auch noch in der Ausbildung ist, 400 Euro verdient und davon ein eigenes Leben bestreiten muss. „Sie hätte nach Abzug aller Kosten nur noch 13 Euro, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren“, so Björn Lenk.
Björn lebt auf jeden Fall noch Zuhause - und das liegt in Nütterden, im Hammereisen. Seine Ausbildungsstelle ist 35 Kilometer weit entfernt - im Hotel „Atalanta“ in Rees lernt alles, was ein Koch wissen und können muss. „In der Gastronomie sind die Arbeitszeiten ganz anders als in anderen Berufen“, so der 17-Jährige. Morgens früh um vier Uhr muss er des öfteren los, wenn er rechtzeitig am Arbeitsplatz sein will. „Nachdem Björn ja nun den Führerschein hat, begleitet fahren darf, dachten wir, dass es sicher kein Problem wäre, den Streckenführerschein für unseren Sohn zu beantragen - und vor allem genehmigt zu bekommen“, so die Mutter, Lydia Hebben-Lenk. Der wird in besonderen Härtefällen ausgestellt. „Mit diesem Führerschein darf man dann unbegleitet eine festgelegte Strecke fahren, es geht ja nur darum, dass ich morgens, wenn es noch keinen öffentlichen Nahverkehr gibt, zu meiner Ausbildungsstelle komme“, sagt Björn Lenk. Der Antrag wurde also gestellt - mit einer Ablehnung hatte niemand gerechnet. „Aber die haben wir bekommen - der Härtefall war nicht hart genug. Unser Sohn solle mit dem Roller fahren oder sich ein Zimmer nehmen“, schildert der Vater die Begründung des Kreises Kleve. Allerdings sei das in den vergangenen Wochen ja wohl kaum zumutbar gewesen. „Bei dem Wetter lasse ich doch meinen Sohn nicht mit dem Roller - für den gibt es schließlich keine Winterreifen - durch Schnee und Eis fahren - und ich hätte ihn auch nicht alleine mit dem Auto da durch geschickt“, sagt die Mutter. Vater Wilhelm Lenk pflichtet bei, ist aber ziemlich sauer über die Entscheidung des Kreises, die auch nach Widerspruch nicht aufgehoben wurde. „Da sagt man immer, Eltern sollen sich kümmern, sollen zusehen, dass ihre Kinder Schule und Ausbildung machen, in einem beruf, der ihnen Spaß macht - aber unterstützt wird man in keiner Weise“, so Wilhelm Lenk. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es in einem solchen Fall keinen Streckenführerschein gäbe.
Der Klageweg würde noch bleiben, aber den will Familie Lenk nicht beschreiten. „Bis wir da einen Termin hätten, wäre Björn 18 und das Problem vom Tisch“, so die Eltern. Über die Entscheidung des Kreise können sie nur den Kopf schütteln.
Hintergrund: „Den Streckenführerschein stellen wir nur in absoluten Härtefällen aus - das ist so und ist uns von der Bezirksregierung auch genauso vorgegeben“, sagt Eduard Großkämper, Pressesprecher des Kreises Kleve. In den vergangenen beiden Jahren wurden durchschnittlich je 24 Anträge auf Erteilung eines Streckenführerscheines gestellt - mehr als zwei bis drei seien nie genehmigt worden. Stefanie Paul, Pressereferentin der Bezirksregierung: „Die Entscheidung trifft der Kreis, der durchaus Ermessensspielraum hat. Allerdings gibt es Kriterien, die im Einzelfall geprüft werden sollen.“ Fahrzeiten von eineinhalb Stunden pro Strecke bei einer Arbeitszeit von sechs oder mehr Stunden seien grundsätzlich als zumutbar anzusehen. Man könne ganz grob sagen, dass ein Härtfall vorliege, wenn der Antragsteller die Zeitangaben erreiche. Über jeden Einzelfall werde allerdings individuell entschieden - allgemeingültige Aussagen könnten nicht getroffen werden.
Autor:Annette Henseler aus Kleve |
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