Fußballschuhe - genagelt und gesteppt
Wenn Norbert Leenders zu erzählen anfängt, wird es in aller Regel äußerst spannend. Er ist einer der Letzten, die die Klever Schuhgeschichte noch hautnah miterlebt haben. Seine ganz persönliche Schuhgeschichte nahm ihren Anfang allerdings nicht in Kleve, sondern in Büderich. Dort wurde das letzte Klever Schüsterken geboren, dort baute Vater Leenders in einer Garage seine Schuhproduktion auf. Womit alles begann? „Mit Fußballschuhen“, erzählt Norbert Leenders, springt auf, holt etwas, das aussieht wie eine uralte Kiste – und lässt erst einmal nur die Rückseite sehen. Nur langsam dreht er die Kiste um – strahlt über’s ganze Gesicht. „Na, so was schon mal gesehen? Die hat mein Vater gemacht. 1953.“ Fußballschuhe hat er in seiner Kiste – uralt und ich glaube auch nie getragen. Aber das habe ich ihn nicht gefragt. In der letzten Klever Schuhfabrikation, der Firma Otten und Leenders am Mittelweg, haben sich nämlich mehr als nur das eine Schüsterken eingefunden. Und da werden ganz schnell ganz viele Erinnerungen wach. Die wollen natürlich erzählt werden. „Hier, die Schuhe sind noch ganz gesteppt, da ist nichts geklebt“, begeistern sie sich. Kommen dann aber schnell auf der Pudels Kern: Auf die Nägel, die in eine Art Stollen eingebracht waren. „Die sind noch ganz genagelt“, ereifern sich die Schuhkenner. Norbert Leenders zeigt auf die gekappten, bei einem Foul aber doch sicher schmerzhaften Nägel. Die Nägel liegen in gleichmäßigen Lederverdickungen – „Die wurden in Aceton gelegt, bei uns Zuhause hat es immer danach gestunken“, sagt Leenders. 1953, wird gefachsimpelt. Ein Jahr vor dem legendären Spiel, noch ein Jahr bis zur Fußball-Weltmeisterschaft, die Deutschland gewinnen sollte. „Die haben wir bestimmt auch wegen der von Adidas erfundenen Stollen gewinnen können“, meinen die beiden Herren der Schöpfung, während sich die Damen da doch lieber etwas zurückhalten. Die Stollen wurden auch bei Leenders schnell zum absoluten Muss. „Karl Kisters, der später die Kisters Maschinenbaufabrik gegründet hat, hat mit meinem Vater zusammengesessen und entwickelte dann eine Maschine, mit der die Stollen in die Fußballschuhe gedreht werden konnten“, erinnert sich Leenders.
Es gibt noch jede Menge Geschichten, die sich in Fotoalben und im Keller verstecken Norbert Leenders wird sie sicher erzählen.
Heute fertigt das letzte Klever Schüsterken keine Fußball-, Damen- oder Herrenschuhe mehr. Heute stehen Karnevalsstiefel im Mittelpunkt seiner Arbeit – Prinzen und Garden vom gesamten Niederrhein, aber auch aus Köln und Düsseldorf lassen in Kleve ihre Stiefel anpassen und fertigen.
Kleve war im 20. Jahrhundert die Schuhstadt schlechthin. Namhafte Marken wie Elefanten oder Bause wurden hier gegründet. Tausende Klever fanden in den Schuhfabriken Arbeit – und erzählen bis heute stolz von ihrer Firma. Im Zuge der Globalisierung wurden die Fabriken nach und nach geschlossen. Das große Elefanten- oder Hoffmann-Gelände ist heute ein viel frequentiertes Einkaufszentrum.
Autor:Annette Henseler aus Kleve |
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