Das ist ja schon meine zwölfte Fußball-WM
Kinder, wie die Zeit vergeht. Dass sich früher nur Jungs für Fußball interessiert haben sollen, stimmt ja. Aber das ist Schnee von gestern.
Sonntag Abend klingelt das Telefon. Brasilien hat gerade bei der WM die Elfenbeinküste mit 3:1 besiegt. „Du musst mir keine gehässige E-Mail schreiben“, trötet mir meine fußballverrückte Tochter Nr. 2 in den Hörer. Sie ist stinksauer, weil ihr Lieblingsspieler Kaka vom Platz geflogen ist. „Ich habe nach dem Platzverweis den Fernseher ausgeschaltet“. Sie leidet wie ein Hund. Wir kommen überein, dass die gelb-rote Karte wirklich verdient war, Kaka nur ein Spiel gesperrt wird und es auch für Brasilien wieder aufwärts geht.
Als Finanzier ihres Studentenlebens erfahre ich eher zufällig, dass Laura S. selbstverständlich seit Beginn der WM täglich ab 14 Uhr alle drei Spiele vor der Flimmerkiste verfolgt. Gut zu wissen, dass ich also irgendwie auch ihren Fußball-Sachverstand fördere.
Gibt es ein Fußball-WM-Gen, dem meiner Tochter nun hilflos ausgeliefert ist?
Rückblende. Mein erstes WM-Erlebnis liegt bereits 44 Jahre zurück. Zusammen mit meinem Vater marschiere ich am 30. Juli 1966 Richtung Rosendaler Weg nach Schneppenbaum. Meine Großeltern besitzen bereits einen Fernseher, wir nicht. Vorbei am heiligen Rasen des Föhrenbach-Stadions, der Heimat des TuS Bedburg. Wenige Jahre später werde ich hier unter den strengen Augen von Trainier und Betreuer „Onkel“ Hermann Basten meine Fußballstiefel schnüren.
Ich kann nicht viel vom Wembley-Finale 1966 zwischen England und Deutschland berichten. Aber Oma Dora, die vergeblich gegen die Anschaffung eines Fernsehers gewettert hat, ist an diesem Tag in bester Laune: „Für jedes deutsche Tor gibt es einen Schnaps“, verspricht sie. Ich gehe natürlich leer aus.
Deutlichere Spuren hinterlässt die WM 1970 in Mexiko. Mit den Stürmern Stan Libuda, Siggi Held und Jürgen Grabowski („Grabi“), der am Ende zum besten Auswechselspieler der WM gekürt wird. Mit den Nachbarjungs werden am nächsten Tag auf dem Bolzplatz alle wichtigen Szenen „nachgespielt“. Da muss jeder mal in die Rolle von Wolfgang Overath, Hannes Löhr, Gerd Müller oder Uwe Seeler schlüpfen. Oder eine Armbandage anlegen, wie sie Franz Beckenbauer verletzungsbedingt beim „Jahrhundertspiel“ gegen Italien tragen musste.
WM 2010. Ich bilde mir ein, dass meine Tochter mir an den Lippen hängt, wenn ich von den alten Zeiten erzähle. Aber ich kann wenigstens plausibel erklären, warum Jogi Löw, gerade mal ein halbes Jahr jünger als ich, Marko Marin mit nach Südafrika genommen hat: „Einer wie Grabi.“
Autor:Klaus Schürmanns aus Kleve |
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