Behindert? Ach was
Zum Tag der Begegnung hatte die Behindertensport-Gemeinschaft (BSG) gestern eingeladen. Auf dem EOC-Parkplatz gab es allerhand zu sehen.
Gute Laune trotz miesen Wetters war angesagt. Und schnell lernten die, die laufen und ihre eigenen Beine benutzen können, was es heißt, sich im Rollstuhl fortzubewegen. Dabei ging es nicht bierernst zu - Clowns verpassten den Besuchern „Altersanzüge“ - ein Experiment, mit dem man sich schon einmal einfühlen konnte ins Alter. Nicht mehr sehen, wenig hören, die Wirbelsäule steif - eine Erfahrung, die die Gäste nachdenklich werden ließ.
„Wir nehmen heute Leute mit ins EOC, um zu zeigen, wo für uns die Schwierigkeiten schon beim Einkaufen liegen“, sagte Tobias Tripp, 26, und seit Geburt auf den Rollstuhl angewiesen. Enge Gänge, zugeparkte Gehwege - solche Hindernisse machen das Fortkommen zum Abenteuer. Und genau diese Erfahrung soll ganz „normalen“ Leuten vermittelt werden. Im Rollstuhl, damit man auch weiß, wovon die Rede ist.
Für Tobias Tripp gehören diese Erfahrungen zum Alltag. Aber: „Das verdirbt mir nicht die Laune. Beim Einkaufen muss ich manchmal um Hilfe bitten - und die Leute sind auch hilfsbereit. Nur: Von uns wird Selbständigkeit gefordert. Wie passt das denn zusammen?“ Er erzählt seine Geschichte: Offener Rücken und Hydrozephalus bei der Geburt, Operationen schon im jüngsten Säuglingsalter.
„Mir geht es gut. Ich kann nur nicht laufen - und manchmal habe ich Kopfschmerzen, wenn das Ventil in meinem Kopf nicht richtig funktioniert.“ Über das Ventil wird überschüssiges „Gehirnwasser“ abgeleitet, der Druck im Gehirn so auf dem richtigen Level gehalten.
Tobias Tripp hat einen ganz normalen Kindergarten besucht, auch Grund- und Hauptschule mit nicht behinderten Kindern abgeschlossen. Dass er zur Dietrich-Bonhoeffer-Schule gehen sollte, stößt ihm immer noch sauer auf. „Aber der Leiter der Hauptschule in Kellen und natürlich meine Eltern haben sich sehr für mich eingesetzt.“ Inklusion ist wichtig, dass sie bald umgesetzt wird, bezweifelt er. Nach der Schule machte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann. 120 Bewerbungen um eine Arbeitsstelle hat er geschrieben. Erst vor Kurzem kam der 400-Euro-Job. „Das Schlimmste“, sagt Tobias Tripp, „war beim Arbeitsamt. Da wurde mir gesagt, ich hätte mich ja wohl nicht angestrengt - trotz der 120 Bewerbungen.“ Jetzt arbeitet er an der Rezeption von Burg Ranzow, fühlt sich wohl und hat den festen Willen, es weiter zu bringen.
Der größte Wunsch: in einer WG zu leben. Das größte Hobby: Übungsleiter bei der BSG. Kritik: Dass es in Kleve nur eine behindertengerechte Turnhalle gibt: Die der Ringschule.
Informationen zur BSG unter www.bsg-kleve.de
Autor:Annette Henseler aus Kleve |
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