Mehr an Pflegeleistungen bis 30.09.2020 nutzen
EUTB ® Kreis Kleve interviewt AOK
Die Corona-Pandemie trifft viele Menschen und macht vor Pflegebedürftigen keinen Halt. Der Gesetzgeber hat Maßnahmen beschlossen, die Pflegebedürftige und Pflegende schützen und entlasten sollen. Die Corona bedingten Verbesserungen bei Pflegeleistungen enden am 30.09.2020.
Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB®) ist eine Beratungsstelle für Menschen, die aufgrund einer Behinderung in ihrer Teilhabe eingeschränkt sind. Dabei kann es sich um eine körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigung oder um eine Sinnesbeeinträchtigung handeln. Themen der Beratung sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Teilhabe an Bildung, zur Sozialen Teilhabe sowie unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen.
Heidi Graf, Fachkraft bei der EUTB® Kreis Kleve hierzu im Gespräch mit Herrn Wähnelt, Mitarbeiter der AOK Rheinland/Hamburg:
Herr Wähnelt, Sie sind Mitarbeiter der AOK Rheinland/Hamburg. Was ist Ihre Aufgabe?
Aktuell bin ich als Teamleiter Pflege für die AOK Rheinland/Hamburg tätig.
Hat sich Ihr Büroalltag durch die Corona-Pandemie verändert?
Die Betreuung der Kunden bleibt identisch und als wichtigste Aufgabe bestehen.
Es ist schön zu beobachten, dass auch mit der Möglichkeit, das Homeoffice zu nutzen, der Kundenservice weiterhin stabil bleibt.
Das zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ist am 23. Mai 2020 in Kraft getreten. Durch dieses Gesetz werden Leistungen der Pflegeversicherung teilweise vereinfacht und ausgeweitet. Welche Änderungen gibt es hinsichtlich der Entlastungsleistungen?
Eine größere rechtliche Änderung hat es bei den Betreuungsleistungen aktuell nicht gegeben. Es bleibt bei einem Betrag von 125,00 EUR. Neu ist, dass angesparte Leistungsbeträge aus dem Vorjahr nicht mehr nur bis zum 30. Juni 2020, sondern bis zum 30. September verwendet werden können. Neben der zeitlichen Erweiterung können Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 den Entlastungsbetrag zudem flexibler einsetzen. Das gilt beispielsweise für haushaltsnahe Dienstleistungen. Vorausgesetzt, es liegen Corona-bedingte Versorgungsengpässe vor.
Welche Kriterien müssen bei der „Nachbarschaftshilfe“ erfüllt werden? In welcher Höhe werden die nachgewiesenen Aufwendungen erstattet?
Als Nachbarschaftshelfer werden Menschen aus dem sozialen Umfeld eines Pflegebedürftigen bezeichnet, die ihre Unterstützung anbieten. Die Betreuung muss grundsätzlich ehrenamtlich stattfinden. Es kann aber eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 125,00 EUR im Monat abgerechnet werden. Als Kriterien müssen entweder ein abgeschlossener Pflegekurs oder ein Zertifikat vorliegen, dass man z.B. in der Kranken- oder Altenpflege tätig war oder ist.
Der Betrag für „zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel“ wurde erhöht. Wie hoch ist er aktuell und wofür wird er gezahlt?
Der Betrag belief sich bisher auf 40,00 EUR und wird befristet bis zum 30.09.2020 auf 60,00 EUR erhöht. Damit können beispielsweise Fingerlinge, Schutzschürzen, Mundschutz, Einmalhandschuhe oder Hände- und Flächendesinfektionsmittel bezahlt werden.
Muss hierfür die Kostenerstattung im Voraus beantragt werden?
Nein, dies kann mit einer Verordnung oder Vorlage eines Pflegegradbescheides beim Sanitätshaus oder Vertragspartner erfolgen.
Können die Kosten für die Pflegehilfsmittel auch erstattet werden, wenn diese im Drogeriemarkt oder übers Internet bezogen werden?
Ja, grundsätzlich schon. Die Rechnungen müssen aber zwingend personalisiert sein, damit eine Erstattung auch erfolgreich zugeordnet werden kann.
Kann die Pflege zu Hause nicht sichergestellt werden, besteht die Möglichkeit der stationären Kurzzeitpflege. Gibt es hier Änderungen?
Um den besonderen Belastungen gerecht zu werden, können kurzfristig weitere vorhandene Kapazitäten zur Kurzzeitpflege genutzt werden. Zusätzlich wird der Leistungsanspruch für Pflegebedürftige in der stationären Kurzzeitpflege bis zum 30.09.2020 auf 2.418,00 EUR erhöht. Damit sollen höhere Eigenanteile verhindert werden.
Welche Verbesserung gibt es für Beschäftigte, die in einem akuten Pflegefall das Recht auf eine Auszeit gegenüber dem Arbeitgeber haben (kurzzeitige Arbeitsverhinderung)?
Hier wäre die Leistung des Pflegeunterstützungsgeldes anzubringen. Die pflegerische Versorgung muss akut und unvorhergesehen eingetreten sein. Bisher konnte man sich 10 Tage nehmen, um die pflegerische Situation zuhause zu regeln bzw. vorzubereiten. Diese Leistung wurde auf 20 Tage erhöht, befristet bis zum 30.09.2020. So soll die Möglichkeit gegeben werden, die Pflege eines nahen Angehörigen aufgrund der Corona-Krise sicherzustellen.
Eine letzte Frage: Finden wieder Hausbesuche durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) statt, wenn Pflegeleistungen beantragt werden?
Falls nein: Was raten Sie Ihren Versicherten, wenn sich der Pflegebedarf erhöht?
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führt bis zum 30.09.2020 zum Schutz der pflegebedürftigen Versicherten keine Hausbesuche durch. Aber die Begutachtung wird nach einem strukturierten Telefoninterview vorgenommen. Wir haben mit diesem Verfahren sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Qualität der Gutachten wird durch das Telefoninterview nicht geschmälert. Unsere Versicherten sind weiterhin optimal betreut und versorgt. Es ist wichtig, dass sie sich auch während der Pandemie mit uns in Verbindung setzen, wenn sich Bedarf oder Versorgungssituation verändert haben.
Herr Wähnelt, wir danken Ihnen für das Interview.
Die Beratung bei der EUTB® ist kostenlos, an den individuellen Fragen und Wünschen des Menschen mit Behinderung orientiert und erfolgt unabhängig von Kostenträgern und Leistungserbringern.
Zu erreichen ist die EUTB unter 0 28 21 / 78 00 21, teilhabeberatung-kreis-kleve@paritaet-nrw.org und persönlich in der Nassauerstr. 1, 47533 Kleve.
Autor:Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) Kreis Kleve aus Kleve |
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