Der Klever Schleusenförderverein Stadt . Land . Fluss … Schluss? e.V. hinterfragt kritisch
Wie groß ist in Kleve die Hochwasserschutz-Gefahrenlage?
KLEVE-BRIENEN. Sorgen die marode Schleuse und Spoy-Schöpfwerk für eine besondere Gefahrenlage im Hochwasserschutz? Der Förderverein Stadt . Land . Fluss ... Schluss? e.V. äußert begründete Bedenken, fragt nach und appellierte kürzlich an die Stadt Kleve.
Es klingt schon irgendwie hanebüchen, wenn man im Hinblick der aktuellen Gefährdungssituation in Brienen bei einer Internet-Recherche im Rahmen der ehrenamtlichen Vereinsarbeit einen neun (!) Jahre alten Artikel einer Tageszeitung findet, in dem von einer Forderung des Umweltexperten Rainer Deppe nach "beschleunigten Genehmigungsverfahren" für Deichsanierungen berichtet wird. "Hochwasserschutz dürfe nicht zum Glücksspiel verkommen.", führte der Experte der Technischen Universität Dresden damals weiter an.
Hanebüchen deshalb, weil sich diese Forderung bis heute nicht durchgesetzt hat. Im Februar dieses Jahres wurde erneut festgestellt, dass "die Genehmigungsverfahren für Deichsanierungen zu lange dauern würden". Diesmal erklärte dies der Sprecher des NRW-Arbeitskreises Hochwasserschutz und Gewässer, Holger Friedrich, gegenüber einer Presseagentur.
Durch die Flutkatastrophe in Südwesten unseres Bundeslandes und in Rheinland-Pfalz vor einigen Wochen, die dort einen erheblichen Schaden anrichtete und zudem zahlreiche Menschenleben forderte, meldete sich Holger Friedrich, Geschäftsführer des Deichverbandes Bislich-Landesgrenze, zum Beginn dieser Woche erneut zu Wort und fordert wiederholt "in Richtung Bezirksregierung mehr Tempo für die Deichsanierung."
Seit nunmehr mindestens neun Jahren ist demnach deutlich, dass Genehmigungsverfahren für Deichsanierungen bzw. Hochwasserschutzmaßnahmen bei den Bezirksregierungen viel zu lange dauern. Die Brisanz dahinter verstärkt sich nun durch die immer häufiger vorkommenden Starkregen-Ereignisse mit erheblichen Unwetter- und Gefahrenpotenzialen. Wie wäre es, wenn sich eine Regenwolke über Kleve in der Weise und dem zeitlichen Ausmaß ausregnen würde, wie zuletzt im Südwesten unseres Landes? Und welche Gefahren lauern für den Spoykanal, wenn man dabei die beiden Wasserbauwerke in Brienen betrachtet?
Gefährdungs-Lage in Brienen noch nicht endgültig abschätzbar
Schon im Jahr 2019 war den beiden für die Schleuse Brienen und dem benachbarten Spoy-Schöpfwerk unterhaltsverpflichteten Behörden klar, dass von diesen beiden Bauwerken eine Gefährdungslage für die Anrainer des Spoykanals durch Überflutung ausgeht. Erst um diesen Zeitpunkt dieser Erkenntnis herum, als der bauliche Verfall der Bauwerke derart fortgeschritten war, dass die Gefährdungslage gutachterlich sogar attestiert werden musste, wurde vom Deichband Xanten-Kleve der Antrag auf ein Planfeststellungverfahren bei der Bezirksregierung Düsseldorf eingereicht. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Sanierung des Deichabschnittes zwischen den Klever Ortsteilen Griethausen und Wardhausen, der Neubau eines Spoy-Schöpfwerks und eines Ablaufsbauwerks sowie der ersatzlose Abbruch der denkmalgeschützten Schleuse Brienen. Auch dieses Verfahren zieht sich seit zwei Jahren in die Länge. Eine Ende ist noch nicht in Sicht - am 31. August dieses Jahres findet erst einmal der Erörterungstermin als fester Verfahrensteil in der Klever Stadthalle statt. Währenddessen bemüht sich das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein zwar um die routinemäßige Wartung des Schleusenbauwerks, Grundinstandsetzungsarbeiten werden allerdings nicht mehr durchgeführt. Der Geschäftsführer des benachbarten Deichverbands Bislich-Landesgrenze, Holger Friedrich, betont jedoch: „Klima-Anpassung ist jetzt gefragt“ und damit blickt er auf den baulichen Hochwasserschutz im Allgemeinen.
Das von den beiden Bauwerken in Brienen eine Gefährdungslage ausgeht, braucht vom Förderverein Stadt . Land . Fluss ... Schluss? e.V. oder anderer Stelle, die sich für die Inwertsetzung der Situation in Brienen und des Spoykanals engagiert, gar nicht erst behauptet werden. Diese Tatsachen wurden durch den Deichverband Xanten-Kleve selbst publiziert und zwar in dessen "Erläuterungsbericht zur Deichsanierung Xanten - Kleve, 3. Abschnitt, 3. Baulos (Griethausen bis Wardhausen), Entwurfs- und Genehmigungsplanung, Teil 2: Technische Planung, Erläuterungsbericht der Björnsen Beratende Ingenieure GmbH". Während in diesem öffentlich im Internet einsehbaren Dokument umfassend das gesamte Vorhaben erläutert wird, gehen die Urheber auch auf die besorgniserregenden Beschaffenheiten der Schleuse Brienen und des Schöpfwerks ein.
Zur Beschaffenheit der Schleuse Brienen beziehen sich die Ingenieure auf eine gutachterliche Stellungnahme zum baulichen Zustand und zur Standsicherheit der Schifffahrtsschleuse Brienen durch das Büro IDN im Auftrag des WSA Duisburg-Rhein schon aus dem Jahre 2017. Hier zitiere ich:
"Der aktuelle bauliche Zustand der ca. 110 Jahre alten Massivkonstruktion wird als „dicht an der Grenze ihrer Lebenszeit bzw. möglicher Nutzungsdauer“ eingestuft. Augenscheinlich gibt es zwar keine konkreten Anzeichen für ein akutes Versagen einzelner Bauteile, aufgrund der anzunehmenden kontinuierlichen Abnahme der inneren Festigkeit und der nicht gewährleisteten Sicherheit gegen Um- /Unterströmung ist jedoch von einer „latenten Gefährdung“ auszugehen."
Weiter steht darin geschrieben:
"Eine Verlängerung der Standzeit der Schleusen-Konstruktion für die nächsten 5 bis 10 Jahre [Anmerkung des Unterzeichners: das sind die Jahre 2022 bis 2027] wird vom Gutachter nur als möglich angesehen, wenn ... verschiedene Monitoringmaßnahmen durchgeführt werden, d. h. Einhaltung gewisser Wasserstände in der Schleusenkammer (Reduktion des Wasserdrucks auf die Wände), regelmäßige vermessungstechnische Kontrolle der Schleusenwände und regelmäßige visuelle Kontrollen aller Massivbauteile."
Zum vorhandenen Spoy-Schöpfwerk steht zu lesen:
Eine „hydrologische Studie des Jahres 2002 … stellte fest, dass die Kapazität des Schöpfwerks unter Berücksichtigung des Retentionsraumes vom Spoykanal zum damaligen Zeitpunkt ausreichend war. Zum heutigen Zeitpunkt [Anmerkung des Unterzeichners: im Jahr 2019] mit Erreichen des Prognosezustands ist davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung von erforderlichen Sicherheitsreserven und einer erforderlichen Redundanz der Pumpen die Kapazität des bestehenden Spoy-Schöpfwerks nicht mehr ausreicht.“
Weiter ist im Erläuterungsbericht der Björnsen Beratende Ingenieure GmbH aus Juni 2019 zu lesen:
"Der aktuelle Zustand des Schöpfwerks weist deutliche Mängel auf. Risse in den Bestandsmauern, Undichtigkeiten in der Sohle und den Mauern und der damit verbundene Wassereindrang im Hochwasserfall deuten auf einen Sanierungsbedarf des Bauwerks hin. Nachdem nach Aussage des Deichverbands bereits umfangreiche Bauwerks- und Untergrundinjektionen durchgeführt wurden und diese keinen eindeutigen Erfolg gebracht haben, kann ein entsprechendes Betriebsrisiko nicht ausgeschlossen werden.
Die Setzungen/Verformungen des Schöpfwerks sind u. a. sicherlich auf eine unzureichenden Gründung und/oder Veränderungen der Untergrundbeschaffenheit (Erosion/Suffosion) begründet. Dieser Sachverhalt spielt unter anderem auch bei der Beurteilung des Erhalts des Schöpfwerks aus Denkmalschutzgründen eine Rolle.
Es wird angemerkt, dass Pumpen setzungsempfindliche Maschinen sind, weshalb eine Verdrehung- und Schiefstellung der Rotationsachse zu einem Totalversagen der Maschinenbauteile führen können. Die Risiken liegen darin, dass der Pumpbetrieb im Hochwasserfall nicht mehr aufrechterhalten werden kann und es zu Überflutungen im Oberwasser der Schleuse kommen kann. "
Mit dem hier als Oberwasser aufgeführte Teil der Wasserstraße ist der Spoykanal gemeint, der von der Klever Innenstadt bis an die Schleuse Brienen führt.
An dieser Stelle zitiere ich noch einmal den Satz des Experten der Technischen Universität Dresden:
"Hochwasserschutz dürfe nicht zum Glücksspiel verkommen."
Zudem zitiere ich erneut den Satz des Deichverbands-Geschäftsführers:
„Klima-Anpassung ist jetzt gefragt“
Die in diesem Artikel umfangreich geschilderten Sachverhalte haben den Klever Förderverein Stadt . Land . Fluss ... Schluss? e.V. veranlasst, einerseits die Sensibilität der potenziell von einer Überflutung des Spoykanals Betroffenen zu schärfen und andererseits an die Stadt Kleve schriftsätzlich auffordernd zu appellieren, kurzfristig bei den beiden Behörden Akutlösungen zum Schutz der Menschen etc. entlang des Spoykanals einzufordern - Klima-Anpassungen sozusagen. Denn eins ist schon heute gewiss: Der Abriss der Schleuse in Brienen ist noch nicht beschlossen und genehmigt und mithin sind auch an diesem Bauwerk die geforderten Klima-Anpassungen generell nicht zu ignorieren.
Das Glück sollte nicht herausgefordert werden, sondern es sollte unbedingt auf Sicherheit gesetzt werden - auch wenn es unliebsam für die unterhaltungsverpflichtenden Behörden sein mag. Dies besonders vor dem Hintergrund, dass das Genehmigungsverfahren noch eine ganze Zeit in Anspruch nehmen wird, das Schleusen-Denkmal nach bisherigem Verfahrensstand erhalten bleibt und mit den Bauarbeiten am neuen Spoy-Schöpfwerk nicht sofort nach der Planfeststellung begonnen wird. Es wird noch eine ganze Weile bis dahin vergehen. Zudem wird niemand freiwillig und selbstsicher erklären bzw. behaupten, dass ein solcher verheerender Starkregen wie der zuletzt um Südwesten unseres Landes über Kleve auszuschließen ist.
Das aktuelle Artikelfoto zeigt exemplarisch breite Risse im Fugenverlauf des Außenmauerwerks des alten Spoy-Schöpfwerks.
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