Vizebürgermeister Joachim Schmidt: "Theo Brauer hat auch Ecken und Kanten"
Nach dem großen Festumzug und Zapfenstreich hatte Kleves Vizebürgermeister Joachim Schmidt zur Abschiedsfeier von Bürgermeister Theo Brauer zahlreiche geladene Gäste in die Stadthalle eingeladen.
Schmidt hielt auch die Festrede, die wir hier im Wortlaut veröffentlichen.
"Heute ist also der Tag, dem Theo Brauer mit gemischten Gefühlen entgegen gesehen hat. Erleichterung und Wehmut, zwei Gefühlslagen, die mir nach meinem Ausscheiden aus dem Beruf nicht fremd sind, werden sein Leben in den nächsten Wochen beeinflussen.
Wenn nun die ruhigen Stunden kommen, wird er auf seine Erfolge und Rückschläge schauen und abwägen. Er wird sich freuen, wenn man ihn nicht vergisst und er wird die erlebten Ärgernisse in den Hintergrund schieben.
Etwas länger möge der heutige Abend nachklingen, denn wann hat man eine solche Gelegenheit, schon zu Lebzeiten so viel Wohlwollen zu empfangen.
Und ich möchte zu diesem schönen Gefühl, was Theo Brauer heute erleben kann, eine Kleinigkeit beitragen. Beitragen aus meiner Rolle heraus, als sein Vertreter seit 2004. Und ich spreche auch für die anderen Vertreter, nämlich Petra Tekath bis 2009, Arthur Leenders bis 2014 und derzeit Josef Gietemann und Klaus Hütz.
Wir waren oder wir sind die vom Rat Gewählten, die den Bürgermeister bei seinen Repräsentationsaufgaben unterstützen. Das ist nichts, was unorganisiert von statten geht. Ganz im Gegenteil. Theo Brauer hatte neben seinen Stellvertretern ein Team, das ihm Bewegungsfreiheit ermöglichte, seinen Arbeitstag taktete, ihn abschirmte: derzeit sind es Barbara Lamers, Maren Hölscher, Martina Welberts. Dann sind da noch Karl-Heinz Engelen und Jürgen Schweers, die neben dem Fahren noch andere wichtige Aufgaben haben.
Alles absolut vertrauens- und liebenswürdige Menschen mit einem besonderen Verständnis für ihre Aufgabe, die Theo Brauer immer zur Seite standen, und besonders dann, wenn ihm das Lachen auch mal vergangen war, wenn das Amt drückte und die – zugegeben selbst gewählte - öffentliche Präsenz tief ins Privatleben einschnitt.
Wir haben gelernt, meine Damen und Herren,
das Bürgermeisteramt zieht nach sich, dass Amtsinhaber zu Personen des öffentlichen Lebens werden. Das wirft Licht und Schatten. Schatten beispielsweise dann, wenn pseudosatirische Zeitungsartikel oder unter anonymen Decknamen in Internetblogs verbreitete Herabwürdigungen die Grenzen des Anstandes überschritten haben. Ich kann nur warnen: siehe Köln - zwischen übler Hetze und tätlichem Angriff ist nur noch ein kleiner Schritt.
Da fragt man sich, wie Nähe zu den Mitbürgern unter solchen Begleiterscheinungen durchzuhalten ist.
Er hebt gerne Distanzen auf
Nun, meine lieben Gäste, aus meiner Beobachtung heraus hat sich Theo Brauer trotz allem nicht abgeschottet oder seine offenbar angeborene Leutseligkeit unterdrückt. Er hebt gerne Distanzen auf, sucht die Nähe, nimmt sogar wildfremde Menschen in den Arm – was den Vergleich mit Henning Scherf, dem Altbürgermeister von Bremen, oder den Vergleich mit seiner Amtsnachfolgerin nicht scheuen braucht.
Ach ja, meine Damen und Herren, dann ist da noch die Sache mit dem Namen. Theo Brauer, der eigentlich Theodor heißt, und dies manches Mal auch betont. Unwissende oder Gerüchtestreuer meinen, er habe sich mit dem gleichnamigen Berufsbildungszentrum in der Briener Straße schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt. Das stimmt natürlich nicht. Es sind lediglich Namensgleichheiten, vielleicht nicht einmal verwandtschaftlich begründet. Googlen Sie es mal zu Hause in Ruhe.
Aber, meine Damen und Herren, andererseits hatte ich 1980 Theo Brauer in der besagten Einrichtung das erste Mal seit der Jugendzeit sozusagen als Kollegen wiedergetroffen.
Empathie ist das Zauberwort
Er gab als Lehrer schwierigen jungen Leuten Unterricht, und ich sage noch heute mit Respekt: er hatte sie voll im Griff. Er konnte mit ihnen lachen oder sie zusammenfalten: sie mochten und respektierten ihn, weil er authentisch war.
Empathie ist das Zauberwort, so glaube ich. Empathie - eine Fähigkeit, die nicht nur das respektvolle Zusammenleben und Zusammenarbeiten fördert, sondern – da bin ich mir sicher - eine von mehreren Grundqualifikationen für das Bürgermeisteramt ist. Wissen, was die andere Person denkt und fühlt, was ihr Motiv ist. Auf ihre Gefühle angemessen reagieren.
Mit Empathie in eine hitzige Diskussion führen, ein Schützenfest besuchen, zur Beerdigung gehen und den Angehörigen beistehen, zwei Menschen im Standesamt trauen, zum 90. Geburtstag gratulieren, ein Goldhochzeitspaar beglückwünschen, das ist Nähe, mit der Theo Brauer einmal angetreten war und wie er es bis heute weitestgehend durchhalten konnte.
Früher – zu Zeiten der von mir bevorzugten sog. Doppelspitze im Rathaus – das Tagesgeschäft eines Bürgermeisters. Heute nur ein Teil, denn das Verwaltungshandeln fordert den vollen Einsatz. Damit musste sich Theo Brauer von Beginn an arrangieren. Und da er beide Arbeitsfelder gleichermaßen beherrschen wollte, kamen dabei die gefühlten 25-Stunden-Arbeitstage heraus.
Aber meine Damen und Herren, Befürchtungen, ich wollte den Prozess zur Seligsprechung anstoßen, sind völlig unbegründet. Denn Theo Brauer hat auch Ecken und Kanten, und wer meinte, sie ignorieren zu können, hat sich daran gestoßen und holte sich blaue Flecken.
Dazu ist er an manchen Tagen unpässlich
Dazu ist er an manchen Tagen – wie soll ich es ausdrücken – dann ist er echt anstrengend, unpässlich. Da kämpfen in ihm das weiße Yang und das schwarze Yin.
Mein Rat: bleiben Sie in solchen Situationen gelassen, ignorieren Sie ihn, wenn Sie die Nerven dazu haben. Es ist nie von langer Dauer.
Liebe Gäste, auch ich möchte nicht darauf verzichten, ein paar Wegmarken aufzeigen. Vielleicht aber aus einem anderen Blickwinkel.
1. Die Hochschule hätte der Bürgermeister 2009 gerne als sein Kind angenommen. Doch anders als im wirklichen Leben standen die Väter Schlange. Um im Vergleich zu bleiben: die Rolle des Patenonkels ist auch nicht die schlechteste. Man sieht das Kind wachsen, trägt für die Erziehung keine unmittelbare Verantwortung und darf sich bei Geburtstagen und besonderen Ereignissen generös zeigen.
2. Theo Brauer hat in seiner Amtszeit seit 2004 alle Ratssitzungen geleitet, außer der am 28. April 2010. Ich weiß den Grund seiner Abwesenheit nicht mehr. In meiner Erinnerung überwiegt, dass ich – ich gebe es zu – dass ich es genoss, einmal auf dem leicht erhöhten Bürgermeisterstuhl zu sitzen und von dort die hitzige Diskussion zu einer Haushaltssperre zu lenken.
3.Kaum jemand sagte: „Herr Bürgermeister“ oder „Herr Brauer“. Nein, die Anrede war und ist meist „Theo“. Hätten Sie sich das zu Zeiten der ersten Bürgermeister nach dem Krieg vorstellen können?
Nur – meine Damen und Herren – nur die Bundeskanzlerin in 2013 und ein Jahr später der Bundespräsident trauten sich nicht, ihn „Theo“ zu nennen.
Aber ich vermute, … wenn auch noch Papst Franziskus nach Kleve gekommen wäre ….
4. Als ich in die Ereignisliste der vergangenen Jahre schaute, fielen mir die Dinge auf, die Theo Brauer sozusagen einführend begleitet hatte:
- den ersten Schützenumzug in 2005
- den ersten Klever Unternehmerpreis im selben Jahr
- die erste Klever Jobbörse in 2007
- den ersten ökum. Kirchentag in Kleve in diesem Jahr
- den ersten City-Train in 2008
Ich bin mir sicher, dass die Aufzählung sogar unvollständig ist.
Der Marathon ist vorbei
Liebe Gäste,
Elf vergangene Jahre. Tempus fugit - Die Zeit flieht. Sie flieht auch jetzt in diesem Augenblick.
Deshalb möchte ich mich schnell noch unmittelbar an Theo Brauer wenden.
In Anlehnung an den Spruch unseres Bundesfinanzministers zur Griechenlandkrise sage ich:
Theo, um 24 Uhr isch over. Der Marathon ist vorbei. Du hast die Ziellinie vor Augen. Du stellst Dich ans Ende der Reihe von beispielsweise Richard van de Loo, Gerd Brock, Karl Thelosen und Josef Joeken. Die Fotogalerie im Rathaus wird um ein Bild erweitert.
Hab´ Dank für die gemeinsame Zeit und nimm den Dank von Deinen Stellvertretern, von Rat und Verwaltung sowie den Dank der Bürgerschaft entgegen. Du hast Dich um Kleve verdient gemacht.
Und, Theo - mit etwas Abstand wird die Zeit kommen, dass auch Deine schärfsten Kritiker anerkennen müssen, dass Du in Zeiten eines schwer zu steuernden Wandels eine feste, berechenbare, und vor allem unverwechselbare Konstante warst.
Alles Gute für Dich und Deine Familie, alles Gute und Gottes Segen für die kommende Zeit."
Lesen Sie auch:
Bildergalerie I:Verabschiedung von Bürgermeister Theo Brauer
Bildergalerie II:Goodbye Theo
Autor:Lokalkompass Kleve aus Kleve |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.