Der Anfang vom Ende?
Schleuse Brienen - Ein Kommentar

Seit vielen vielen Jahren arbeitet die Region Niederrhein an ihrer touristischen Vermarktung. Mit Erfolg, muss man sagen! Mit Erfolg, muss ich sagen!
Das war mal anders: Ich erinnere mich an die ersten Expertisen vor über 10 Jahren, die von den Agenturen der Region in Auftrag gegeben wurden. Die ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH aus Köln fand bspw. heraus, dass der Niederrhein als touristische Destination bundesweit kaum bekannt war. Die Umfrageergebnisse waren niederschmetternd. Interessant dabei war allerdings, dass die Stadt Xanten der einzige Ort war, der von den befragten Probanden der Region mehrfach richtig zugewiesen wurde. Alle anderen genannten Ort lagen weit daneben, wie beispielsweise der Kölner Dom, der mit dem Niederrhein nun gar nichts zu tun hat.
Das zeigt, dass es Xanten wohl als einzige Stadt schon damals geschafft hat, sich so gut zu vermarkten, dass diese Stadt als touristischer Zielort weit über die Landesgrenzen bekannt wurde. Die Stadt dürfte es dabei auch gar nicht so schwer gehabt haben, denn es gab ein Thema: Die alten Römer. Dieses Thema wurde marketingsmäßig belegt - mit Erfolg, wie sich zeigt.

Reden wir über Kleve

Kleve hat das leider nicht geschafft. Kleve ist schon nach den damaligen Studien ein weitestgehender unbekannter Ort. Obwohl Cleve (mit C damals geschrieben) in der Historie für den niederrheinländischen Bereich (der bis hinunter nach Aachen reichte), bedeutsam war. Von hier aus wurde regiert - die Schwanenburg als damaliger Regierungssitz zeugt heute noch mit ihrer Mächtigkeit aus diesen Zeiten. Mehr noch: Cleve war Badstadt und Cleve war städtebaulich teils ein Vorbild für das alte Berlin. Berlin, liebe Leute!!! Aus Kleve stammte Johanna-Sebus, über die sogar Goethe seine Verse schrieb, aus Cleve stammten später teils weltbekannte Markennamen.

Wie viele Pfunde, wie viele Merkmale braucht eine Stadt denn noch, um daraus ein knackiges Thema als Stadtmarke zu gestalten und sich damit flächendeckend erfolgreich zu vermarkten?

Kleve ist eine Stadt einer bedeutsamen, beeindruckenden Geschichte. Kleve ist heute ein gebautes Geschichtsbuch, ein einzigartiger Erlebnisort der Geschichte. So oder ähnlich könnte der Kreativ- und Denkprozess beginnen um eine Marke für Kleve zu kreieren. Ich könnte hier noch mehr aufzählen, ich lasse es lieber, es wäre hier zu viel Lesestoff. Nur soviel: Dass Kleve eine solche Marke braucht, ist nicht neu. In zahlreichen Expertisen, die die Stadt Kleve in den letzten beiden Dekaden in Auftrag gab, sind entsprechende Handlungsempfehlungen zu lesen. Unbedingte Empfehlungen, eine Marke zu kreieren oder auch anders formuliert, ein Alleinstellungsmerkmal. Viele ähnliche Formulierungen sind zu finden, die allerdings alle das selbe meinen. Passiert ist bis heute nichts!!!

Wer mit offenen Augen durch Kleve geht oder fährt, wird immer wieder auf Zeugnisse der alten Zeiten und der Geschichte bzw. Historie treffen, ähnlich wie in Xanten. Dort in der Römerstadt werden diese Zeugnisse maßgeschneidert auf das Vermarktungsthema publiziert und präsentiert. Und in Kleve?
Da dümpeln sie herum, verfallen teilweise, werden fremden Nutzungen zugeführt und schon garnicht vermarktet oder gar abgerissen. Sucht doch mal das Erklärschild an der Scherzer-Klapp-Roll-Brücke der Firma Jucho aus Dortmund, die an der Hochschule den Spoykanal überspannt. Ein Werk höchster Ingenieurkunst aus einer Zeit, in der die Industrialisierung in Kleve boomte und in der diese teils weltberühmten Markennamen hervorkamen. Nicht nur das Schild ist nicht vorhanden, ganze Teile der beeindruckenden Konstruktion sind den Flex-Trennscheiben zum Opfer gefallen; für immer beseitigt. Das nur exemplarisch.

Und nun zur Schleuse Brienen.

Auch so ein Zeugnis. Sogar ein Denkmal ist das Wasserbauwerk. Nein, die Stadt trifft keine Schuld, dass der Bund sie nicht in der Weise instandgehalten hat, so dass sie nun abbruchreif ist. Da haben andere Behörden und Ämter ihre Finger im Spiel.
Allerdings steht Kleve vor der großen Chance, die zudem eine Aufgabe ist, einen Ersatz zu schaffen - eine neue Schleuse zu bauen oder bauen zu lassen. Vergleiche es mal mit dem Römermuseum in Xanten: Dort wurde auf den historischen erhaltenen Fundamenten der früheren Baukunst der alten Römer ein modernes Museum vom Landschaftsverband Rheinland errichtet, dessen Gebäudehülle die Konturen der Vergangenheit wieder ablesbar macht. Die Geschichte und die Vergangenheit sind ebenso erkennbar wie die Gegenwart. In und mit der Gegenwart wird Historie präsentiert. Auf geht es in die Zukunft. Wäre die Schleuse in Brienen nicht ein ähnlicher Fall mit ähnlicher Aufgabe?

Warum fehlt in Kleve in allen Entscheidungsabteilungen die Fantasie, die Kreativität und der Wille, hier etwas Substanzielles zu erschaffen mit dem die Gegenwart die Vergangenheit ablesbar machen könnte - für die Zukunft? Klar, die Kosten sind hoch, die Bretter dick, die es zu bohren gibt. Keine Frage. Aber schon die scheinbar kleinste Hürde wird nun zum Anlass genommen, das Projekt sterben zu lassen, nachdem die Verantwortlichen nur einen unvollständigen Teil der nötigen Aufgaben erledigt haben. Greifen die konservativen Instrumente nicht, gibt die Verwaltung auf und holt sich heute den politischen Segen. Für die Finanzierung gebe es keine ausreichenden finanziellen Förderungen und die, die es gibt, ließen sich nicht kombinieren - so heisst es aus dem Rathaus. Aber was ist denn mit den unkonventionellen Mitteln, sie zu suchen, zu kreieren, zu gestalten? Zu faul, zu einfallslos, zu wenig kreativ, lustlos, zu wenig Personal? Eine Chance, eine Ressource stirbt und wird zu einer Karteileiche, so wie die die Markenfindung für Kleve schon seit Jahren eine ist.
Und so wird es wohl nie etwas werden mit einer gehaltvollen Vermarktung der Stadt Kleve mit Wirkung weit über die Landesgrenzen hinaus. Sehr schade!