Offener Brief an Landrätin Gorissen: Mehr Tempo beim Klimaschutz

In einem gemeinsamen offenen Brief der beiden Grünen Landtagskandidat*innen Paula Backhaus und Volkhard Wille an Landrätin Silke Gorissen fordern diese mehr Tempo beim Klimaschutz. „Vor fast einem Jahr hat der Kreistag die Einrichtung einer Organisationseinheit Klimaschutz mit zwei Stellen und die Bereitstellung erheblicher Sachmittel im Umfang von 700.000,- € beschlossen. Dass bis zum heutigen Tag die Stellen nicht besetzt sind, ist ein Unding“, fasst Paula Backhaus, grüne Landtagskandidatin für den Südkreis Kleve die Situation aus ihrer Sicht zusammen.
„Der Kreis Kleve vergibt große Chancen Fördermittel in den Kreis Kleve zu holen, wenn jetzt nicht die konzeptionellen Grundlagen durch den Kreis geschaffen und entsprechende Anträge bei Land, Bund und EU gestellt werden“, so Volkhard Wille, grüner Landtagskandidat im Nordkreis Kleve.
„Vergleichbare Landkreise wie z. B. der Kreis Steinfurt im Münsterland oder der Rhein-ErftKreis haben schon vor etlichen Jahren damit begonnen, die Weichen Richtung erneuerbare Energiequellen und regionaler Autarkie zu stellen. Warum ist so etwas nicht im Kreis Kleve möglich?“ fragen Backhaus und Wille Landrätin Gorissen.

Sehr geehrte Frau Landrätin Gorissen,
der Klimaschutz und die Herstellung einer klimaneutralen Gesellschaft ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Dies ist uns allen seit Jahrzehnten bekannt und auf der Klimakonferenz von Paris im Jahr 2015 wurde dazu ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen geschlossen, welches den Rahmen für die Staaten setzt und konkrete, zeitlich fixierte Reduktionsziele festlegt. Die Europäische Union hat dies im Europäischen Klimaschutzgesetz, die Bundesregierung im Bundes-Klimaschutzgesetz und das Land NRW im Klimaschutzgesetz verankert. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem wegweisenden Urteil vom April 2021 klargestellt, dass die nationalen Regelungen nicht ausreichen, um die Staatszielbestimmung des Artikels 20a im Grundgesetz („Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen…“) zu erreichen. Die Bundesregierung hat daraufhin das Bundesklimaschutzgesetz angepasst und weitreichende Programme und Initiativen gestartet.
Und der Kreis Kleve?
Der Kreis Kleve tritt beim Klimaschutz weiterhin auf der Stelle und wir haben den Eindruck, dass die Kreisverwaltung noch nicht einmal weiß, was die oben genannten, auf den Kreis Kleve heruntergebrochenen gesetzlich verpflichtenden Reduktionsziele umfassen und konkret bedeuten. Im Frühjahr 2021 machte der Kreistag den Weg frei für eine Organisationseinheit Klimaschutz in der Kreisverwaltung und stellte in erheblichem Umfang Investitionsmittel zur Verfügung. Schon die Abschlussdiskussion über diese Entscheidungen im Kreistag Kleve, bei der Sie und Kreiskämmerer Hebben bekundeten, die zwei Stellen seien mehr als genug, um die Aufgaben zu bewältigen, haben bei uns die Frage aufgeworfen, wie ernst es der Verwaltungsspitze mit dem Klimaschutz ist. Jeder weiß, dass eine derart umfassende Transformation, die zudem mit sehr großer Geschwindigkeit erfolgen muss, nicht mit zwei Stellen zu bewältigen ist.
Um zumindest den Start der Organisationseinheit zu ermöglichen, hat die Kreistagsfraktion von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN ihren weitergehenden Antrag auf fünf Stellen zurückgestellt und den Minimalkompromiss von zwei Stellen mitgetragen. Nach fast einem Jahr sind die beiden Stellen immer noch unbesetzt. Im Mai soll nun nach Ihrer Aussage eine halbe Stelle besetzt werden. Die Erfolglosigkeit bei der Suche nach Mitarbeitenden kommt nicht unerwartet: in Zeiten sehr hoher Nachfrage nach entsprechendem Personal, hat die Kreisverwaltung bisher nur eine Stelle ausgeschrieben, diese nachträglich noch mit einer Befristung versehen und damit eine Attraktivitätsminderung herbeigeführt. Spätestens nach der ersten erfolglosen Ausschreibung hätten Sie aber die Attraktivität deutlich erhöhen müssen, um die Erfolgschancen zu verbessern.
Es überrascht daher nicht, dass es keine konzeptionellen Initiativen gibt, um die zahlreichen Aufgaben des Klimaschutzes – z. B. beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, der systematischen Dämmung des Gebäudebestandes, der regenerativen Wärmegewinnung, der Transformation zur nachhaltigen lokalen Wirtschaft, der Erarbeitung von Anpassungsstrategien zu Klimafolgen und die Umstellung auf klimaneutrale Mobilität konkret anzugehen. Wir erkennen hierbei an, dass die Verwaltung bei der Förderung des Ausbaus des ÖPNV und des SPNV erste Schritte in die richtige Richtung macht. Aber auf allen anderen Feldern steht der Kreis Kleve in Sachen Klimaschutz mehr oder weniger blank dar. Wir halten dies für eine traurige, eine beschämende Bilanz.
Andere Landkreise wie z. B. der Kreis Steinfurt haben schon vor über 20 Jahren damit begonnen, die Energiewende hin zu den Erneuerbaren Energien engagiert umzusetzen. Dadurch wurden auch riesige neue Chancen für die lokale Wirtschaft geschaffen und ein Beitrag zur Zukunftsfähigkeit geleistet. Im Kreis Steinfurt wird systematisch daran gearbeitet, die Wertschöpfung im Bereich von Energie von über 1,5 Milliarden € /Jahr vollständig in den Kreis zu holen. Im Kreis Kleve dürfte es um ähnliche Größenordnungen gehen. Wer schreibt eigentlich jetzt im Kreis Kleve die Förderanträge für die zahlreichen Programme zum Klimaschutz und zur Transformation der Gesellschaft auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene, um entsprechende Gelder in den Kreis Kleve zu holen und eine dem Kreis Steinfurt vergleichbare Entwicklung anzuschieben?
Wir sind der Meinung, dass wir jetzt schnellstmöglich eine schlagkräftige und hochkarätig besetzte Organisationseinheit Klimaschutz benötigen, die richtungsweisende Projekte im Kreis engagiert voran treibt und Fördergelder von Land, Bund und EU einwirbt. So engagiert, dass sich nicht nur die Kreisverwaltung und ihre Gesellschaften auf den Weg zur Klimaneutralität machen. Wir brauchen Initiativen, die den ganzen Kreis Kleve in den Blick nehmen.
So wird dringend eine zentrale Planung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur für Elektroautos benötigt, eine konsequente Nutzung z. B. der Parkplatzflächen und der Dachflächen öffentlicher Gebäude für Photovoltaikanlagen, mehr Windkraftanlagen, ein Konzept zum kreisweiten E-Car-Sharing, eine Offensive zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehres und vieles mehr benötigt. Ein möglichst hoher Grad an Autarkie der Energieversorgung fällt nicht vom Himmel sondern bedarf der Koordination durch den Kreis Kleve.
Klimaschutz ist ein herausragender Wirtschaftsfaktor. Wer die Zeichen der Zeit erkennt, kann seine Region zum Innovationsstandort ausbauen und Unternehmen anziehen oder auch deren Abwanderung verhindern. Der Vortrag des scheidenden Kreiswirtschaftsförderer Herrn Kuypers in der letzten Kreistagssitzung, belegt die fehlenden Vorgaben seitens der Verwaltung für entsprechende Initiativen zur Transformation der lokalen Wirtschaft: strategische Wirtschaftsförderung findet nicht statt. Andere Kreise wie z. B. der Rhein-Erftkreis zeigen mit dem Betrieb eines Energie-Kompetenzzentrums (https://ekozet-rek.de/), wie dies unter Einbeziehung der lokalen Wirtschaft funktioniert. Ist es zu viel verlangt, wenn der Kreis Kleve erfolgreiche Initiativen und Modelle anderer Landkreise in NRW zumindest kopiert und vergleichbare Aktivitäten entwickelt?

Wir müssen dringend ein paar Gänge hochschalten und den Bürgern und Unternehmen hier zeigen, dass wir es in Sachen Klimaschutz ernst meinen.
Die Einrichtung der schlagkräftigen Organisationseinheit Klimaschutz in Ihrem Hause ist dabei nur der erste Schritt. Aber es ist ein extrem wichtiger Schritt.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie die gesetzliche Pflicht zum konsequenten Klimaschutz mit Nachdruck in der Kreisverwaltung Kleve durchsetzen, die Chancen für unsere regionale Wirtschaft nutzen und stehen für einen konstruktiven Dialog gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Paula Backhaus                     Dr. Volkhard Wille

Autor:

GünterVanMeegen-DieGrünen aus Bedburg-Hau

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