Messergewalt - ein Kommentar
Nach der Pandemie ist vor der Pandemie

Auf des Messers Schneide: Als sich die Corona-Pandemie vor wenigen Jahren zurück weltweit und somit auch über unser Land ausrollte, bildete sich recht schnell ein interdisziplinärer Krisenstab, um Lösungen und Strategien, teils auch sehr unliebsame, zu erarbeiten und stets weiterzuentwickeln, um Schäden in der Bevölkerung zu minimieren und zudem oder gar erstrangig, um das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren. Nahezu täglich kam der Stab zusammen um auf aktuelle Entwicklungen und Erkenntnisse zu reagieren und hieraus Strategien (weiter) zu entwickeln. Das Gesundheitssystem als Schutzgut, das war das Credo.

Corona ist heute keine Pandemie mehr, das Gesundheitssystem hat es überstanden.

Heute ist eine neue "Pandemie" unterwegs und scheint sich in einem besonderem Maße in unserem Land auszubreiten: Messergewalt, so könnte man dieses "Virus" nennen, das nicht neu auf dieser Welt ist, sich aber nun in großer Geschwindigkeit in unserem Land zu verbreiten scheint. Es endet oft mit schweren Verletzungen am Körper, manchmal auch tödlich. Schützen kann man sich davor nahezu gar nicht, es schlägt plötzlich und unerwartet zu, bildet Trittbrettfahrer-Strukturen und ist auch sonst sehr schädlich für den gesellschaftlichen Frieden.

Wo ist nun der neue interdisziplinäre Stab, der sich dieser Fehlentwicklung annimmt und allgemeingültige Lösungen und Strategien erarbeitet, um Schäden von der Bevölkerung abzuwenden? Sonntagsreden von Politikern, die ihre Empörungen zum Ausdruck bringen, haben nun wahrlich nichts mit Aktionismus zu tun. Städte werden alleine gelassen, jede hat für eigene Sicherheitsmaßnahmen bspw. bei Volksfesten zu sorgen. Sporadische Einlasskontrollen, bei denen schwarz gekleidete Muskelmänner Respekt an den Eingängen der Veranstaltungen einflößen sollen, sind wohl kaum ein Ergebnis einer guten Allgemeinstrategie. Einige Städte tun es trotzdem aus Für- und Vorsorge, aber offenbar nicht alle: In Kleve bspw. ist von einem Sicherheitskonzept beim bevorstehenden Lichterfest, bei dem viele tausende Besucher erwartet werden, allerdings bis dato nichts zu lesen bzw. zu hören.

Wird in unserem Land die Gesellschaft von denen, die einen Eid darauf geschworen haben, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, im Stich gelassen? Jedenfalls ist nicht ansatzweise zu spüren, geschweige denn zu beobachten, dass ein "Messer-Kollaps" in der Gesellschaft versucht wird, abzuwenden. Politische Sonntagsreden und Schnellschüsse sollen darüber zwar hinwegtäuschen, aber die Realität sieht leider anders aus.

Sind härtere Waffengesetze eine Lösung? Der Fisch, so sagt es der Volksmund, beginnt als erstes am Kopf zu stinken. Ist es daher nicht wesentlich, zu ergründen, was die Menschen dazu treibt, solche Taten zu tun. Die Gründe mögen durchaus vielfältig sein und mithin werden auch die Lösungen vielfältig sein müssen. Deshalb wird eine erweiterte waffengesetzliche Einschränkung wohl kaum das Allheilmittel sein. Ich befürchte, dass es in unseren rechtsstaatlichen Strukturen schwer werden wird, hier durch Verbote und Einschränkungen dem Problem her zu werden. Vielmehr muss der Stier dort angepackt werden, wo der Fisch zu stinken beginnt.

Liebe Leute, wenn unser System nicht bereit und in der Lage ist - und das schreibe ich nur exemplarisch - ausreichende Geldmittel in die Unterhaltung von Schultoiletten zu investieren, so dass die Kinder und Jugendlichen nicht mehr im Renovierungs- und Sanierungsstau in Gebäuden gross werden, in der sie die gesetzliche Schulpflicht hinzitiert. Wenn das System nicht in der Lage ist, sich in ausreichendem Maße prekären Familienstrukturen vorbeugend, aufsuchend und korrigierend anzunehmen und damit diesen Familiensituationen sich selbst überlassen, die nicht zuletzt mit all den vielen behördlichen Anforderungen drangsaliert und der Sanktionslast ausgesetzt werden (was unsere gesetzlichen Strukturen ohnehin gerne tun, nämlich vorsorglich mit Drohgebärden aufwarten was Sanktionen betrifft), so daß Resignation und Frust gefördert wird. Wenn sich Amtsleute und Politiker inzwischen unverblümt sichtbar das vermeintliche Recht herausnehmen, irgendwelche Privilegien zu leben bzw. auch mit Privilegien sowieso ausgestattet werden, während der Gesetzgeber das Mantra vom Gleichheitsgrundsatz herunterbetet und sich damit zunehmend selbst unglaubwürdig macht, dann müssen wir uns nicht mehr wundern, dass der Gestank des Fischs inzwischen unerträglich wird und Ausdrücke von Frust, Resignation etc. durch Waffengewalt rebellisch vorgebracht werden.

Weite Teile unserer Gesellschaft tragen eine unfassbare Unzufriedenheit in sich. Der Umgangston wird zunehmend maßloser und unverschämter - zahlreiche Dienstleister werden hiervon ihre Lieder von pöbelnden, ungeduldigen und uneinsichtigen Kunden singen können. Einzelne Menschen und Menschengruppen radikalisieren sich um ihre Rebellionen zum Ausdruck zu bringen; links- und rechtspopulistische bzw. -radikale Parteien werfen erfolgreich ihre Netze aus und versprechen radikal(isiert)e Abhilfe - manche symbolisch mit Schnauzbart und Seitenscheitel. Viele Menschen fallen darauf rein und pöbeln unverblümt öffentlich gegen Menschen, die aus ihrer Sicht nicht auf ihrer Seite oder zu ihnen gehören. Politiker etablierter Parteien distanzieren sich von diesen Parteien, drücken das durch Diskreditierungen in ihren Wortbeiträgen aus und glauben damit die Massen damit überzeugen zu können, während der Kopf des Fisches immer weiter stinkt.

Wir leben in einem Land, liebe Leute, in dem der Gesetzgeber Mutterboden ausdrücklich vor Vergeudung schützt, weil er Lebensraum für kleine und kleinste Organismen ist. Aber zahlreiche unbewohnbare Bauwerke, die irgendwann mal Wohnraum für Menschen boten, vor sich hin verfallen dürfen, ohne dass der Gesetzgeber lenkende Maßgaben veranlassen kann, dort neuen von vielen Menschen begehrten und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und der allseits bekannten Unterversorgung zu entgegnen. In Goch sind die ehemaligen Belgierhäuser in der Melatenstrasse ein Paradebeispiel dieses Irrsinns.

All dem ist diese Gesellschaft ausgesetzt und wir wundern uns über Frustreaktionen?

Wir erfahren hier eine Hilfslosigkeit in den Reihen derjenigen, die diesen Schutz-Eid abgegeben haben, wie sie noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik da war - während bei symbolischen Jubiläums-Feierlichkeiten und Staatsakten opulente Buffets aufgefahren werden für die Eliten dieses Landes und zwar von dem vielen Geld, das wohl besser in Schulklos investiert werden sollte.

Ich möchte nicht, dass weder ich, noch meine Lieben, meine Freunde oder andere Wegbegleiter Opfer dieser neuen Pandemie werden und jemals in Berührung mit einem Messer oder anderen Waffe kommen.

Autor:

Helmuth Plecker aus Kleve

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