Integration im Kreis Kleve: Staatssekretärin Güler fordert zum Umdenken auf
Anlässlich der Interkulturellen Wochen haben die Integrationsagenturen des Kreises Kleve zur Diskussionsveranstaltung „Integration im Kreis Kleve. Einfach. Machen.?!“ Ins Bühnenhaus Kevelaer geladen, um unter anderem mit Serap Güler, Staatssekretärin für Integration, über die integrationspolitische Lage im Kreis Kleve zu diskutieren. Für die entsprechende Einstimmung in das Thema sorgte eine Mischung aus orientalischen Instrumenten und einer europäischen Geige das Klever Freundschaftsorchester.
Güler setzte mit dem Einstieg ihrer Rede ein deutliches Statement: „Alle demokratischen Fraktionen haben sich zusammen getan, um gegen diejenigen, die die Gesellschaft durch Hass und Hetze zu spalten versuchen, ein Zeichen zu setzen.“ Dies sei der richtige Weg, um die bereits gute Integrationsinfrastruktur in NRW fortzuführen. Integration beginne vor Ort, daher werden insbesondere neue Projekte mit insgesamt 13 Millionen Euro gefördert. So werde beispielsweise das „Komm an“-Programm im nächsten Jahr weiter fortgesetzt. Derzeit läuft das Pilotprojekt „Einwanderung gestalten“, das sich unter anderem dem Thema Schulpflicht widmet. „Man kann niemanden über 18 Jahre zur Schule zwingen“, sagt Güler. Hierbei gebe es keinen Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Vielmehr solle man sich die Frage stellen, wie es zu schaffen sei, dass 2030 nicht nur 25 % der Jugendlichen Migranten ein Gymnasium besuchen, sondern über 40 %. Hinzu kämen die immer wieder auftauchenden Vorurteile, dass Menschen mit Migrationshintergrund sich nicht integrieren, weil sie nicht der deutschen Sprache mächtig seien.
Hier fordert Güler, sich vor Augen zu führen, wie schwer es sei, neben einem harten Arbeitstag noch die nötige Kraft zu haben, eine neue Sprache zu erlernen. Doch der Staatsekretärin geht es in ihrem Statement nicht nur darum, auf die neu zugewanderten Menschen einzugehen, sondern auch diejenigen zu bedenken, die seit vielen Jahren in NRW leben. Auch um diese Menschen müsse man sich kümmern, denn rund 90 % der Schüler haben heutzutage einen Migrationshintergrund. Bereits in der Schule sei auffällig, dass Kinder mit Migrationsgeschichte bei selben Schulleistungen oftmals
keine Empfehlung für das Gymnasium erhielten. Dies sei keine böse Absicht der Lehrer, sondern erfolge häufig aus reiner Fürsorge, um den Kindern eine negative Erfahrung zu ersparen, da ihre Eltern ihnen nicht die nötige Unterstützung geben können. Hier müsse ein Umdenken stattfinden. Güler plädiert für ein gemeinsames Werte-system, damit sich die Menschen als Teil der Debatte wiederfinden. „Wir müssen uns die Frage stellen, was uns in NRW ausmacht und gleichzeitig, was den Menschen wichtig ist, die neue Mitbürger sind“, betont Güler weiter.
Unter anderem dafür setzen sich die Integrationsagenturen des Kreises Kleve ein, zu denen neben der beiden Caritasverbände auch die AWO zählt. Margret Voßeler, Vorsitzende des Integrationsausschusses des Landtages NRW dankt den Mitarbeitern der Integrationsagenturen, die lehrreiche und freundschaftliche Begegnungen für ein gelingendes Miteinander schaffen. Caritas-Fachleiter Gerrit Hermans bringt es auf den Punkt: „Wir verfolgen den simplen Handlungsansatz ‚einfach machen‘ und übernehmen als Integrationsagenturen die Funktion eines Brückenbauers, um auf der einen Seite Neuzugewanderte, die einen Bedarf an Sprachförderung haben, und auf der anderen Seite Ehrenamtliche als Sprachmittler zusammenzubringen. Bei uns steht das Machen im Vordergrund, auch wenn es nicht immer einfach ist.“
In der abschließenden Diskussionsrunde schildert Carsten Otto der AWO-Integrationsagentur, dass es vor allem darauf ankomme, Menschen mit Migrationshintergrund Systemkenntnisse zu verschaffen, wie zum Beispiel sich innerhalb des ÖPNVs zurechtzufinden, der insbesondere im ländlichen Bereich eine Herausforderung darstelle. Monika Riße, Koordinatorin Flüchtlingshilfe/Integration der Stadt Goch, weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es zudem sei, gerade anfangs Begegnungen zwischen Geflüchteten und den am Niederrhein aufgewachsenen Menschen zu schaffen. Erst danach stünde die Sprache im Fokus. „Integration braucht menschliche Begegnungen, um zu gelingen“, weiß Riße. Dass diese Begegnungen oftmals über Ehrenamtliche, wie Matthias Hilscher, ihren Lauf nehmen, zeigt sich in der Praxis. Hilscher engagiert sich seit vielen Jahren für einen Second-Hand-Markt in Issum, um geflüchteten Menschen die Chance zu geben, dort zu arbeiten und ihnen ein gutes Vorbild zu sein, um sie in ein Arbeitsverhältnis zu vermitteln. Dies sei bereits mehrmals erfolgreich gelungen.
„Der Zugang zur deutschen Sprache fällt erwachsenen Migranten häufig sehr schwer, daher ist es umso wichtiger, insbesondere bei Kindern frühzeitig damit anzufangen“, betont Dr. Juliane Hasselar, Caritas-Fachberaterin der Sprach-Kitas. Daher komme den Fachkräften in den Kitas eine bedeutende Rolle zu, da sie den Kindern ideales Sprachverhalten vermitteln. Doch nicht nur die Kinder werden in den Kitas begleitet, sondern gleichzeitig ihre Familien. „Insbesondere die Wertschätzung der häuslichen Sprache ist für uns ein zentrales Thema. Daher laden wir Eltern ein, den Kindern in der Kita zum Beispiel in ihrer Sprache vorzulesen. Dadurch lernen die Kinder, dass Vielfalt etwas Positives ist“ erklärt Hasselaar.
Auf die abschließende Frage des Moderators Tobias Kleinebrahm, was sich die Podiumsteilnehmer für die Zukunft wünschen, antwortete Güler: „Geduldiger werden und dem Anderen vertrauen.“
Autor:Verena Rohde aus Kleve |
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