„Es ist so wichtig, dass wir erzählen.“
„Wir sind mit 40 Menschen in diesem Viehwagen und es ist bedrückend warm. Wir sind guten Mutes“ – Diesen Satz lasen Referendarinnen und Referendare und deren Ausbilder aus dem Zentrum für Lehrerausbildung in Kleve im Erinnerungszentrum Kamp Westerbork in der Nähe von Groningen in den Niederlanden. Der Besuch der Gedenkstätte fand auf Einladung der ehemaligen Lagerinsassin, Frau Eva Weyl, im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf die geplante Studienfahrt nach Auschwitz im nächsten Frühjahr statt.
Westerbork erinnert an über 100000 jüdische Niederländer, die in diesem Lager die Deportationszüge in die Vernichtungsstätten wie Auschwitz, Theresienstadt und Sobibor bestiegen. Nur ca. 5000 Menschen kehrten zurück. Die Lagerinsassen scheinen die tödliche Bedrohung nicht verstanden zu haben, sie hofften darauf, im Osten Arbeit zu finden und später wieder nach Hause zurückzukehren. „Wir wussten es nicht“ – so sagte es gestern auch Eva Weyl, die aus Kleve stammt und nach der Flucht ihrer Familie in die Niederlande nach Westerbork gezwungen wurde. „Das Lager war ein schöner Schein, ich ging hier zur Schule, es wurden Hochzeiten gefeiert, Kranke gut versorgt, niemand wurde hier ermordet. Bestraft wurden Menschen damit, dass sie auf die nächste Transportliste gesetzt wurden. ‚Gib uns 1000 Namen‘, das war der Auftrag, den der Lagerkommandant Gemmecker wöchentlich zu erfüllen hatte.“
Eva Weyl hat es sich zur Aufgabe gemacht, über ihre Lebensgeschichte Menschen mit den unbeschreiblichen Geschehnissen des Dritten Reichs zu konfrontieren: „Es ist so wichtig, dass wir erzählen. Wichtig, dass die, die Kinder erziehen, etwas erzählen.“ Aus dieser Motivation heraus unterstützt die engagierte Zeitzeugin die zweite Auschwitzfahrt des Seminars Gymnasium/Gesamtschule in Kleve und knüpfte rege Kontakte mit den jungen Lehrerinnen und Lehrern, die ihr so wichtiges Anliegen in die Schulen tragen wollen. „Nie wieder Auschwitz, Sobibor, Treblinka!“, betonte Frau Weyl am Ende ihres Vortrages energisch.
Auch wenn ein Verstehen kaum möglich scheint, die persönlichen Schicksale, die durch Frau Weyl und ihre engagierten Mitarbeiter im Erinnerungszentrum in Westerbork den deutschen Besuchern nähergebracht wurden, bewegen und bleiben im Gedächtnis haften. So das Schicksal der kleinen Leni Valk aus Goch. Ihre Eltern wollten sie retten und schickten sie zu Onkel und Tante in die Niederlande. Auch sie wurde mit ihren Verwandten nach Westerbork gezwungen und bestieg dort den Zug nach Sobibor. Dort wurden sie sofort nach der Ankunft in die Gaskammer geschickt. Lenis Eltern haben in Deutschland überlebt.
Mit Bildern ihrer Kinder und Enkelkinder beschloss Frau Weyl, deren Familie nur mit viel Glück den Transporten entkam, ihre Ausführungen mit den Worten: „Ich glaube, meine Lebensgeschichte ist dennoch eine schöne Geschichte. So viele schöne Geschichten gibt es leider nicht.“ Und ihre Mitarbeiterin Sandra van Lune gab den Besuchern mit Blick auf die Auschwitzfahrt im nächsten April auf den Weg, dass es wichtig sei, „einmal da zu sein, wo der Zug aus Westerbork endete“.
Autor:Lokalkompass Kleve aus Kleve |
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