Chefarzt Dr. Jochen Rübo im Interview
Pandemie: Hier ist Augenmaß gefragt

 Dr. Jochen Rübo ist Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Sankt-Antonius-Hospital Kleve.  | Foto: Thomas Momsen
  • Dr. Jochen Rübo ist Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Sankt-Antonius-Hospital Kleve.
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„Gesunde Kinder in der Kita“ lautet der Titel des Fachbuches, das Dr. Jochen Rübo, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klever St.-Antonius-Hospital, gemeinsam mit dem Klever Hochschuldozenten Prof. Dr. Helmut Prior veröffentlicht hat. Im Interview spricht der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin über Impfungen, Notfälle, Infekte und die Grenzen der Hygiene.

1. Ein Fachbuch richtet sich in erster Linie an Fachpublikum. Aber nicht nur?

Dr. Jochen Rübo: Wir haben mit „Gesunde Kinder in der Kita“ einen Leitfaden für Erzieher*innen entwickelt und dabei sehr grundlegende Informationen zu Themen wie Vorsorge, Notfällen, Schutzimpfungen und Infektionskrankheiten in Gemeinschaftseinrichtungen zusammengestellt. Für die Arbeit in Kindergärten und Kindertagesstätten ist das ein sehr praxisorientierter Ratgeber. Aber natürlich profitieren auch Eltern: Wir geben einen Überblick über die frühkindliche Entwicklung, erläutern die Hintergründe von Vorsorgeuntersuchungen oder einzelnen Impfungen, geben praktische Tipps für Notfallsituationen.

2. Schutzimpfungen werden gelegentlich heiß diskutiert. Beispiel: Die Einführung des Masernschutzgesetzes im März. Für wie wichtig empfinden Sie diese?

Rübo: Das Masernschutzgesetz sieht vor, dass alle Kinder beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen müssen. Das ist richtig und wichtig! Impfungen gehören zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen in der Medizin. Die Impfstoffe, die heute zur Verfügung stehen, sind hoch effektiv und gut verträglich. Eine konsequente Umsetzung der Impfempfehlungen ist für die Gesundheit der einzelnen Kinder und der gesamten Bevölkerung von größter Bedeutung.

3. Wie verhindert man Notfälle im Kindergarten?

Rübo: Die wichtigste Maßnahme ist ganz einfach: Vorbeugung. Viele bauliche und personelle Voraussetzungen sind darauf ausgelegt und werden regelmäßig kontrolliert. Aufmerksamkeit ist ein weiterer Schlüssel: Defekte Spielgeräte, unsachgemäß aufbewahrte Reinigungsmittel, giftige Pflanzen, ungesicherte Gewässer… das muss man im Blick haben.

4. Und wenn doch mal etwas passiert?

Rübo: Dann braucht es vor allem einen kühlen Kopf und Kenntnisse in erster Hilfe. Je besser man ausgebildet und vorbereitet ist, desto zielgerichteter kann man helfen. Wer privat oder professionell Verantwortung für Kinder übernimmt, sollte sich daher regelmäßig mit Maßnahmen der ersten Hilfe beschäftigen.

5. Die Infektionssaison rollt an, vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist das eine ganz neue Herausforderung. Was raten Sie Eltern im Alltag?

Rübo: Grundsätzlich gilt: Kranke Kinder gehören nicht in den Kindergarten oder in die Schule, sie sollten zuhause liebevoll betreut werden. Aber ein leichter Schnupfen, etwas Husten… das ist im frühkindlichen Herbst- und Winteralltag ein ständiger Begleiter. Dass man einen beginnenden Infekt beobachtet, ist wichtig. Wenn sich aber kein Fieber einstellt, wenn sich die Beschwerden nicht verschlimmern, dann können Kinder natürlich auch in Zeiten von Corona mit Schnupfen in den Kindergarten gehen. Acht bis zwölf Infekte pro Jahr sind bei Kindergartenkindern ganz normal, keine Hygienemaßnahme der Welt kann das verhindern.

6. Was erhoffen Sie sich für den weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie?

Rübo: Kinder spielen nach den bisherigen Erkenntnissen bei der Weitergabe des Corona-Virus keine große Rolle, es gibt nur in Einzelfällen schwere Verläufe. Wir haben in unserer Klinik noch kein an Covid-19 erkranktes Kind stationär versorgt. Die letzten Monate haben eins mit Nachdruck unterstrichen: Die Gemeinschaft in Kindergarten und Schule ist für die Kinder und damit auch für die Familien immens wichtig. Wir brauchen deshalb im Umgang mit der Pandemie vor allem Augenmaß. Die Schließung von Gruppen, Klassen oder ganzen Einrichtungen sollte immer nur der letzte Ausweg sein.

Dr. Jochen Rübo ist Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Sankt-Antonius-Hospital Kleve und Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums in Kleve. Er ist seit vielen Jahren Lehrbeauftragter für Medizin und Gesundheit im Studiengang Kindheitspädagogik an der Hochschule Rhein-Waal. Prof. Dr. Helmut Prior lehrt und forscht an der Fakultät Gesellschaft und Ökonomie der Hochschule Rhein-Waal mit dem Schwerpunkt Kindheitspädagogik und Prävention.

Autor:

Tim Tripp aus Kleve

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