Meine Schulstory: Schülertagebücher
Bunt und aufregend wie das Leben - eine kleine Reise in die Vergangenheit.
Vor kurzem habe ich mal wieder ausgiebig in alten Erinnerungen gestöbert. Fotos von vor über zwanzig Jahren angeschaut und überlegt, was aus all den Menschen geworden ist. Die mich ein Stück weit begleitet haben auf meinem Lebensweg und mit denen man damals Freud und Leid geteilt hat. Dabei sind sie mir in die Hände gefallen. Meine alten Schülertagebücher. Meine Augen beginnen zu leuchten und Vorfreude kribbelt durch den ganzen Körper. Ganz ohne Zeitmaschine einen Blick auf die Vergangenheit werfen. Mich durch die damaligen Abenteuer, Freuden und Leiden einer Siebzehnjährigen zu blättern.
Als erstes fällt mir auf, du meine Güte, was sind die Seiten bunt! Was hat man dort nicht alles aufgeschrieben oder besser gesagt, liebevoll aufgemalt? Da wird der Stundenplan mitsamt den Hausaufgaben schnell zur Nebensache. Viel wichtiger ist doch, dass die neue Freundin aus dem Ferienlager heute geschrieben hat. Und mit ihrem netten Schwarm aus der Nachbarstadt immer noch auf der Stelle tritt. Oder dass ich stundenlang mit meiner Freundin aus Grundschultagen telefoniert habe, schließlich sind wir beide gerade so richtig verknallt. Dass mein damaliger Freund aus Schottland kommt und wir im Urlaub nur eine knappe Woche Zeit hatten uns kennenzulernen, macht die ganze Sache nur noch spannender. Im Zeitalter vor Handy und E-Mails kam ein Poststreik einer schreckliche Katastrophe gleich. Umso mehr fieberte ich seinem Geburtstag entgegen, hatte ich doch meine Eltern weichgeklopft, ihn anrufen zu dürfen.
Schon ein paar Wochen später ging es nach Berlin auf Klassenfahrt. Was mir nachdrücklich im Gedächtnis geblieben ist sind die engen Aufzüge unseres einfachen Jugendhotels. Man sollte sich nie, aber auch wirklich niemals in einen Aufzug, der für sechs Personen ausgelegt ist, zu zehnt hineinquetschen. Natürlich blieb der Fahrstuhl schon Sekunden nach der Abfahrt stecken - und bescherte uns ein Ölsardinen-in-der-Dose - Erlebnis der besonderen Art. Und die Erkenntnis, dass Treppensteigen sowieso viel besser für die Fitness ist. Tagsüber hockten wir mit kleinen Augen in hochwichtigen Vorträgen oder reisten mühsam in die damalige DDR ein. Die langen Warteschlangen und die scharfen Kontrollen am Grenzübergang stehen mir wieder deutlich vor Augen, es war das Jahr vor dem Mauerfall. Abends wie durch ein Wunder wieder völlig munter stylten wir uns für die Disco und den Kudamm auf.
Und die Wochenenden erst! Was sind wir mit Vierzig nur für Couchpotatoes geworden, stelle ich fest. Freitag abends ging es zur Disco hier im Städtchen, nachdem man sich mit den Freundinnen zuerst zum Billardspielen und auf einen Amaretto-Apfel in der Kneipe an der Ecke verabredet hatte. Und sich von den Inhabern Wolfgang und Lothar manchmal einen ausgeben ließ. Am Samstag streckte man nicht etwa alle Viere von sich sondern traf sich im Nachbarort zur Scheunenfete - plötzlich habe ich wieder die melodischen Klänge von „Tainted Love“ und „In the Air tonight“ im Kopf.
Ich blättere weiter und schmunzle über all die Kreativität, die diese Kalender ausmachen. Ein Zettelchen mit der Adresse von dem süßen Jungen von der letzten Fete. Eine Menge Ausschnitte aus der Bravo zu der Serie Fackeln im Sturm mit dem knackigen Patrick Swayze, die gerade zum ersten Mal im Fernsehen lief. Schöne Postkarten aus aller Herren Länder und eine Autogrammkarte von Christian Kohlund. Manche Sachen ändern sich anscheinend nie, denn diese sexy Samtstimme finde ich bis heute klasse. Die vielen Briefchen von den Schulfreundinnen, in langweiligen Mathe- oder Geschichtsstunden geschrieben.
Die ersten Schüler-Agendas haben wir uns übrigens in Holland geholt. Bis die Welle nach Deutschland rüberschwappte, dauerte es noch einige Zeit.
Autor:Christiane Bienemann aus Kleve |
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