Die perfekte Länge oder nie wieder ohne Maßband zum ersten Date
Es gibt schon Kuriositäten im Alltag der modernen Frau, da kommt selbst der kummergewohnte Mann oft nicht mit. Als da wäre das Phänomen mit der perfekten Haarlänge. Während Mann den Frisörbesuch gerne so weit als möglich hinauszögert und gerade im Moment das Winterwetter als wasserdichtes, oder besser gesagt, schneedichtes Alibi missbraucht, schaute Frau noch gestern in den Spiegel und war ganz zufrieden mit dem, was sie dort sah „Frau Königin, Ihr seid die Schönste im ganzen Land“. Aber heute morgen konnte Mann erste ernstzunehmende Alarmzeichen beobachten! Hektisches Rumzupfen am Pony, Glattstreichen widerspenstiger „Stehhaare“, schwungvolles Schütteln der langen Mähne. Resultat: Einfach schrecklich! Sofort wird akribisch überlegt, wann an diesem langen Arbeitstag der unvermeidliche Besuch beim Hairstylisten eingeschoben werden kann. Und zum wiederholten Male darüber gegrübelt, was mit den Haaren scheinbar über Nacht passiert ist. Haben sich gemeine Gnome in den Strähnen ausgetobt, während Du schliefst? Oder war’s planloses Spontanwachstum?? Gestern noch gefühlte Konkurrenz für Heidi Klum, heute allerhöchstens Wischmoppfeeling.
Richtig ernst wird es, wenn Frau die Stätte des kalten Grauens, wollte sagen, den Salon ihres Vertrauens, betritt. Nicht jede hat einen verlässlichen Stammcoiffeur und so müssen gewisse Dinge immer wieder genauestens ausdiskutiert werden um böse Überraschungen auszuschließen. Denn sonst kann die Vorstellung von der Traumfrisur im heulenden und zähneklappernden Desaster enden. Ich wundere mich jedes Mal aufs Neue, wie absolut dehnbar doch der Begriff „1 Zentimeter“ zu sein scheint, und zwar umgekehrt proportional zu seinen jeweiligen Wünschen und Vorstellungen. Sieht Frau aus wie Struwwelpeter persönlich, gerät sie hundertprozentig an die Sorte „vorsichtiger und zurückhaltender Haarkünstler“, der sich gerade mal traut, die Spitzen minimal zu kappen. „Wie, Du kommst vom Frisör“, fragt der Göttergatte nur wenig später kopfschüttlend. Und Struwwelpetra ärgert sich über ihren tollen Kapper und am meisten aber über sich selbst. Anstatt mal ordentlich auf den Putz zu hauen und dem Meister über Schere, Kamm und Shampoo klarzumachen, wo der Hammer hängt, hat sie die finale Frage „Alles zu Ihrer Zufriedenheit?“ gequält bejaht. Und was macht der Ehemann? Eilt der Rächer der Entnervten sofort zum Starcoiffeur um diesen zu verprügeln? Von wegen, er lacht sich schlapp und wundert sich, dass für diesen Abend Funkstille angesagt ist.
Aber das war ja alles noch völlig harmlos! Schlimmer ist es, Du befindest Dich gerade in der Wachstumsphase. Also nicht Du selbst, sondern Deine Prachtmähne. Liebevoll gehätschelt und gepflegt wird die Matte, und alles dreht sich um die Frage „Kann ich sie heute endlich hochstecken oder reicht die Länge immer noch nicht?“ Irgendwann kann der seit Wochen fällige Besuch beim Haarkünstler nicht mehr herausgezögert werden, schließlich willst Du mit Deinem Anblick ja kein öffentliches Ärgernis erregen. Du äußerst Deine Wünsche, lehnst Dich ausnahmsweise ganz entspannt zurück und schließt zufrieden die Augen. Du genießt die angenehme Massage Deiner Kopfhaut, die leise Hintergrundmusik und das Aroma des starken Kaffees, der Dir gerade angeboten wurde. „Schnipp, schnipp, schnapp“, selbst das monotone Geräusch der Schere wirkt heute einschläfernd auf Dich. „Alles zu Ihrer Zufriedenheit?“ reißt Dich abrupt aus Deinen Wachträumen. Du öffnest vorfreudig die Augen und - erstarrst. Nein, das kann nicht wahr sein, hilfe, wer weckt Dich aus diesem grauenvollen Alptraum auf?? Du fühlst Dich einer Monsterglatze nah und denkst immerfort, es war doch nur von einem Zentimeter die Rede, einem winzigkleinen Zentimeterchen! Die angepeilte Hochsteckfrisur entschwindet ins Nirwana der unerfüllten Wünsche, Du willst nur noch in den Tisch beißen und Dich auf dem haarübersäten Boden wälzen. Du denkst kurz über Auftragsmord nach, würde aber eh nix bringen, denn wer soll Dir die Locken wieder ankleben, wenn Maestro das Zeitliche gesegnet hat?
Aber die gewiefte Scarlett von heute kann eines tun: Sie krallt sich ein Haarbüschel, reckt es hoch in die Luft und leistet einen heiligen Eid. Beim nächsten Mal wird sie für alle Eventualitäten gewappnet sein, kein noch so talentierter Frisör der Welt kann ihr mehr was vormachen: „Nie wieder ohne ZENTIMETERmaß zum ersten Date mit einem Frisör!“
Fotos: Petra Dietz / PIXELIO (1) und Silke Kaiser / PIXELIO (2)
http://www.pixelio.de
Autor:Christiane Bienemann aus Kleve |
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