Die "Ich-will-Urlaub-Kurzgeschichte" zum Ferienbeginn: Reisefieber!
Es ist jedes Jahr dasselbe mit ihr: Wochen- was sag ich, monatelang freut sie sich wie ein Schneekönig auf den Urlaub. Auf das mit Begeisterung ausgewählte Reiseziel, darauf, jeden Morgen in der Sonne zu frühstücken. Auf die intensiven Farben und Gerüche des Urlaubs-Eilandes. Sie hat auch schon fleißig Reiseführer gewälzt, um die schönsten und interessantesten Ausflugsziele auszumachen.
Doch dann kommt der Tag X, der letzte Tag vor der Abreise. Die Metamorphose setzt ein! Mit dem Kofferpacken fängt es an. Früher war es für sie kein Problem, den Koffer in einer halben Stunde fix und fertig zu packen, worum sie ihren Freund inzwischen glühend beneidet. Heute hingegen ist sie schon fix und fertig nach dem Zusammensuchen der Sachen, was sich über zwei Tage hinzieht, mindestens! Wo ist der Reisefön? Kein Bock auf Versteckspiel, also zeig Dich, Du Gebläsekünstler fürs Haar! Den dicken Rolli muss sie aber unbedingt einpacken, es könnte ja mal einen Wintereinbruch geben. Und für abends darf die schicke ärmellose Bluse nur nicht fehlen!
Nein, sie geht nicht auf Weltreise, sie fahren nur auf die Kanaren, aber ob es dort so hochwertige Sonnencremes gibt? Also rein damit in den Koffer, nachdem die Liste Reiseeinkäufe mit all ihren überlebensnotwendigen Punkten abgearbeitet worden ist. Und um beim Packen festzustellen, doch noch mal los zu müssen, weil in der Hektik die einmalig wichtige Reiselektüre vergessen wurde. Im Grunde ist der ganze Aufwand aber sowieso für die Katz, da ihr Koffer zu den Millionen Gepäckstücken zählen wird, die ihren Bestimmungsort nie erreichen. Und im Gegensatz zu ihr auf Kuba landen wird. Und tschüß!
Dann muss natürlich auch das Haus auf Vordermann gebracht werden. Stell sich einer vor, der Flieger hält den heftigen Turbulenzen, in die sie zu zweihundert Prozent nicht kommen werden, nicht stand und sie beendet ihr Leben im Atlantik - oder war’s das Mittelmeer? Und dann die tausend Leute bei ihnen zu Haus, die nichts besseres zu tun haben, als naserümpfend Staub mit spitzen Fingern wegzuschnippen, anstatt sie gebührend zu betrauern! Oder offene Rechnungen, ihr Ruf wäre ruiniert, müsste sich die Meute Erben mit Mahnungen von Otto oder dem Knöllchen von der Stadt herumschlagen.
Ist die Kaffeemaschine ausgestöpselt, das Bügeleisen abgeschaltet? Sonst gibt es für die liebe Nachkommenschaft ja gar nichts mehr zu holen, da die Hütte längstens explodiert ist, bis der tollpatschige Pilot den Riesenvogel endlich notgewassert hat! Hat sie sich von allen Familienmitgliedern persönlich verabschiedet, sämtliche Freunde noch mal geknuddelt? Welch schreckliche Vorstellung, vor der Reise nicht noch die Meinungsverschiedenheit mit Onkel Eduard beigelegt zu haben. Der Oheim würde in diesem Leben niemals mehr erfahren, wie sehr sie seine verflixten Ratschläge, die sie normalerweise auf die Palme bringen, doch eigentlich von Herzen wertgeschätzt hat!
Hat sich der Flieger mit ihnen an Bord elegant in die Lüfte geschraubt, ihr Onkel Edu und das Bügeleisen endlich pupsegal sind, sie gerade ein wenig Reinhard May vor sich hin summt, macht sich da so eine kleine gemeine Stimme in ihrem Hinterkopf breit: „Und was ist, wenn nun ausgerechnet Ihr das Zimmer neben dem lautstark lärmenden Generator bekommt? Der vom sadistisch veranlagten Hotelmanager immer dann hochgefahren wird, wenn Ihr gerade sanft ins Reich der Träume gleitet? Zudem ist doch auch gerade Unwetter-Hochsaison, was willst Du eigentlich hier am A... der Welt?“ Hallo Steward, ja, genau Du da mit dem süßen Grinsen, kannst Du bitte auf der Stelle das Flugzeug wenden? Ups, kann der Gedanken lesen, spricht er sie doch glatt noch an und will ihr einen Sekt aufschwatzen.
Nee danke, kein Bedarf, sie ist froh, wenn ihr nicht auch ohne Alkohol die Sinne schwinden… Ihr Freund braucht am Reisetag Nerven wie Drahtseile. Aber ebenso weiß er auch, dass, kaum am Reiseziel angekommen, die Rückverwandlung einsetzt und seine liebe Frau wieder ganz die Alte ist!
Diese Geschichte und ganz viel mehr in meiner Kurzgeschichtensammlung "Die ganz normale Sitcom namens Leben"
Autor:Christiane Bienemann aus Kleve |
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