Wrack im Rhein - Extra=Blatt 1895 - Geschichte ganz nah.

ExtraBlatt, 20. März 1895,1400 Kisten Dynamit in die Luft geflogen, Foto: Heinz Becker aus Düffelward
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Meine Recherchen zum Holzwrack im Rhein bei Samorth brachten mich nach einem Tipp von Klaus Schürmanns (Klever Wochenblatt) mit einem Herrn Heinz Becker aus Düffelward zusammen. Herr Heinz Becker besitzt ein altes Foto, welches das Extrablatt zur Katastrophe auf dem Rhein von 1895 zeigt. Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Becker konnte ich mir davon, und von einigen Bildern aus den späten 60er Jahren, eine Kopie erstellen, sowie die Erlaubnis zur Veröffentlichung.
Nachfolgend der Text vom Extrablatt. Die mit (...) gekennzeichnet, sind Worte die ich nicht entziffern konnte.

Extra=Blatt
Zum
Bürger=Blatt
Emmerich, den 20. März 1895
1400 Kisten Dynamit in die Luft geflogen!
Ein furchtbares Unglück hat sich 1 Stunde unterhalb unserer Stadt beim „Schürpoll“ an jener Rheinseite ereignet. Das Dynamit, welches bekanntlich dort lagert, sollte gestern morgen wieder auf 7 dazu bestimmte Schiffe verladen werden. Die Verladung ging ohne Unfall bis gestern Abend 6 Uhr von statten. 6 Uhr 10 erdröhnte die Erde und ein furchtbarer Knall erschreckte die ganze Gegend (...). Auf dem Schiff „Elisabeth“ einem (...), der mehr als zur Hälfte beladen war, kam das Dynamit zur Explosion. Das Schiff lag fest am Ufer und flog in 1ooo und abertausend Atome in die Luft, Tod und Verderben bringend für alle darin Beschäftigten und Umstehenden. Zu dem explodierten Schiffe waren die Arbeiter mit dem Verstauen der Kisten beschäftigt, von diesen Personen ist niemand mehr am Leben, im Umkreise von 200 Metern liegen ihre Gliedmaßen und Körperteile – Arme, Finger, Kopfhäute, Beine (...) zerstreut. Die Namen dieser Arbeiter sind Matthias Züdorf, Josef Kranz, Matthias und Hubert Küchenberg und Heinrich Diest, sämtlich aus Portz bei Köln. Der Bruder des Matthias Zündorf war gerade eben vom Schiff an Land gegangen, er sagte dem Schreiber dieses, daß er 4 bis 5 mal auf der Erde umgeschlagen sei und sonst nichts gemerkt habe. Nach seiner Ansicht sind ca. 1400 Kisten im Schiff verstaut gewesen. Besitzer des Schiffes „Elisabeth“ war der Schiffer Reimer aus Millingen, er führte dasselbe alleine mit seinem Knecht, beide sind verschwunden. Der Schiffer Vermaas, der mit seinem Schiff „de Hoop“, welches leer war, neben der „Elisabeth“ lag, liegt 30 Schritte von der Stelle entfernt, unmittelbar am Uferrande, die Leiche ist entsetzlich zugerichtet und bietet einen schaudererregenden Anblick. Frau Vermaas wurde in weitem Bogen vom Schiffe aus an Land geschleudert, sie lebt noch und ist in Cleve im Hospital, die Tochter dagegen liegt 100 Schritte von der Explosionsstelle entfernt todt, sie lebte noch 2 – 3 Minuten nach dem Unfall, gab aber dann den Geist auf. Der Sohn, ein 23jähriger junger Mann, liegt als kaum erkennbarer Leiche am Ufer, das Schiff selbst geriet in Brand und ist gesunken. – Schiff Maria Odelia liegt zertrümmert am Ufer. Der Eigentümer Vermekeren aus Gent ist schwer verwundet nach Cleve gebracht, seine Frau und sein Knecht, ebenfalls aus Gent, sind getötet und noch nicht aufgefunden. Wunderbar errettet wurde der Schiffer Deevers mit Familie aus Millingen. Derselbe war vorn in seinem Schiff „de Duif“ beschäftigt, welches noch nicht geladen hatte, er hat außer einigen (...) und Stößen, die er durch das Einschlagen des Oberdecks erhielt, seinen Schaden genommen. Die Tochter Helene saß mit ihren Brüdern von 16 und 7 Jahren in der (...) , sie alle kamen mit dem Schrecken davon, obgleich die ganze (...) eingedrückt wurde und sie förmlich aus den Trümmern herausgebrochen werden mußten. Der kleine 8jährige Junge lag heute Morgen bleich vor Schrecken in seinem armseligen Bettchen, das rund mit Trümmern umgeben war, er konnte kaum sprechen, der Schrecken hatte den Kleinen gelähmt.
Die so wunderbar Geretteten bekunden, daß sie plötzlich starkes Sausen gehört haben, dem unmittelbar ein gewaltiger Knall folgte. Sie hätten nicht atmen können. Daß das Unglück nicht ein größeres geworden ist, grenzt ans Wunderbare. Die Hälfte des Dynamits liegt noch auf dem Hügel verpackt unter Stroh und Decken. Um diesen Hügel herum in unmittelbarer Nähe sind viele Löcher entsstanden, durch dahingeschleuderte Dynamitstückchen die daselbst explodierten. Neben diesem Berge von Kisten stand treu auf seinem Posten der Gendarm Jeziorski aus Calcar. Der Helm wurde ihm vom Kopfe gerissen und weit durch die Luft geschleudert, er selbst wurde zu Boden geworfen, nahm aber sonst keinen Schaden. Der Strommeister Engel ein geborener Emmericher war auch auf der Unglücksstelle, auch er blieb von Verletzungen verschont. Vier Verwundete wurden in das Spital nach Cleve gebracht. Gesamtzahl der Getöteten 13, der Verwundeten 4. Die Gefahr ist mit dieser Explosion leider nicht geschwunden, im Gegenteil, sie ist größer wie bisher. Voll geladen liegen im Wasser das Schiff „Vier Gebroeders“ und „Grete“ am Ufer. Ersteres Schiff ist gesunken und liegt auf dem Boden fest. Der heftige Wellenschlag stößt die Kisten gegeneinander und ist die Situation dadurch außerordentlich gefährdet. Das Dynamit stammt aus Opladen. Die Ueberladung des Dynamits hatte in Record übernommen der Vorarbeiter Mathias Küchenberg. Er ist verunglückt. Aber schwere Vorwürfe werden diesem Arbeiter gemacht. Er war, wie die vier Wachtmeister sagen, die mit der Überwachung betraut waren, ein großtuender Mann. Auf die Vorhaltungen, die ihm der Wachtmeister Busch machte, er möge doch vorsichtig sein, hatte er großsprecherische Worte. „Ei was!“ da ist keine Gefahr dabei. In 24 Stunden muß alles in die Schiffe. Mit einem Hurriah ging es dann mit den Schiebkarren über und neben die Bretter, rufend, daß muß man kennen und hantierte mit den Kisten, als wenn es Spielbälle wären. Derselbe Wachtmeister sagt, er habe ihn wiederholt gebeten, vorsichtig zu sein, allein es hat nichts gefruchtet. Schwere Vorwürfe treffen auch die Fabrik. Die Opladener Fabrik hätte, mit der Gefahr vertraute, kundige Männer hinschicken müssen. Solche Arbeiten gibt man nicht in Accord an Rheinarbeiter aus Portz. Hoffen wir, daß weitere Unglücksfälle nicht vorkommen.
J.L. Romen sche Buchdruckerei, Emmerich.

Autor:

Günter van Meegen aus Bedburg-Hau

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